Kosovo-Polizeibeamte durchsuchen ein Restaurant und ein Gebäude im nordserbisch dominierten Teil der Stadt Mitrovica

Nach Kämpfen im Nordkosovo Kosovo-Serbe Radojcic bekennt sich zu Überfall

Stand: 29.09.2023 18:44 Uhr

Nach dem Angriff im Nordkosovo hat ein einflussreicher Politiker und Geschäftsmann die alleinige Verantwortung übernommen: der Kosovo-Serbe Radojcic. Die NATO will ihre Schutztruppe KFOR im Land aufstocken.

Fünf Tage nach dem Überfall eines bewaffneten Kommandotrupps im Nordkosovo hat sich der kosovo-serbische Geschäftsmann und Spitzenpolitiker Milan Radojcic zu der Tat bekannt. Er habe sich dazu "(...) entschieden, weil alle bisher angewandten Widerstandsmethoden keine Verbesserung des Lebens des serbischen Volkes (im Kosovo) brachte", schrieb Radojcic in einer Erklärung, die sein Anwalt vor der Presse in Belgrad verlas.

In seiner Erklärung behauptete Radojcic, die Aktion auf eigene Faust ausgeführt und keine offiziellen Stellen in Serbien darüber informiert zu haben. Zugleich teilte er mit, als Vize-Vorsitzender der Serbischen Liste, der Partei der Kosovo-Serben, zurückzutreten.

Am Sonntag hatte ein 30-köpfiger, schwer bewaffneter serbischer Kommandotrupp in der Ortschaft Banjska bei Mitrovica Stellung bezogen und sich Kämpfe mit der kosovarischen Polizei geliefert. Dabei waren drei serbische Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet worden. Die kosovarische Polizei stellte im Anschluss an die Kämpfe zum Teil fabrikneue, schwere Waffen - wie Granatwerfer und Panzerabwehrrohre - sowie militärische Fahrzeuge sicher. Diese stammten direkt aus den Arsenalen der serbischen Armee, hieß es. 

Vorwurf der "ethnischen Säuberung"

Er werde sich den serbischen Behörden für Befragungen zur Verfügung stellen, kündigte Radojcic in seiner Erklärung an. Ziel der Aktion sei es gewesen, die Serben im Kosovo dazu zu ermutigen, "sich dem Terror des Kurti-Regimes zu widersetzen". Die Regierung des kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti verfolge die Serben im Kosovo, um das Land "ethnisch zu säubern". "Wir sind keine Terroristen, sondern Kämpfer für unser eigenes Volk."

Kosovo hatte Radojcic früh im Verdacht

Die Regierung in Pristina hält es für ausgeschlossen, dass Radojcic auf eigene Faust handelte. Sie hatte früh vermutet, dass er in den Angriff verwickelt gewesen sein könnte. Radojcic gilt als Vertrauter von Serbiens Präsident Alexander Vucic. In der Vergangenheit hatte Vucic über Radojcic und die Serbische Liste die Politik der Kosovo-Serben bestimmt.

Der Aufenthaltsort von Radojcic ist unbekannt. Nach Angaben von Vucic befindet er sich in Serbien.

NATO verstärkt Kosovo-Schutztruppe

Die NATO kündigte derweil an, die von ihr geführte Schutztruppe KFOR (Kosovo Force) ein weiteres Mal zu verstärken. Der Nordatlantikrat, das wichtigste Entscheidungsgremium der Organisation, genehmigte die Entsendung zusätzlicher Streitkräfte in das Balkanland, wie das Bündnis in Brüssel mitteilte. Über die Zahl der zusätzlichen Soldaten machte der Rat keine Angaben.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa könnte die Verstärkung von Großbritannien gestellt werden. Das Verteidigungsministerium in London hatte erst vor wenigen Monaten mitgeteilt, dass das Vereinigte Königreich noch bis mindestens 2026 einen "entscheidenden Beitrag" zur Schutztruppe leisten wolle.

KFOR-Einsatz seit 1999

Die KFOR ist seit 1999 für die Gewährleistung der Sicherheit in dem Land zuständig. Derzeit gehören ihr nach jüngsten Angaben etwa 4.500 Soldaten aus insgesamt 27 NATO-Ländern und Partnerstaaten an. Deutschland nahm zuletzt mit rund 80 Soldaten am KFOR-Einsatz teil.

Bereits im Mai hatte das Bündnis eine Aufstockung seiner Präsenz im Kosovo um 700 Mann beschlossen. Damit hatte es auf schwere Ausschreitungen serbischer Mobs gegen KFOR-Soldaten im Nord-Kosovo reagiert. Damals hatten 30 italienische und ungarische Soldaten sowie mehr als 50 Serben Verletzungen erlitten.

Karte Kosovo und Serbien

Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 mit NATO-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit an, nicht aber Serbien, das seine einstige Provinz zurückfordert.

In einer früheren Version hieß es, dass die Regierung in Albanien Radojcic früh in Verdacht hatte. Richtig ist allerdings die Regierung von Kosovo.

Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen
Silke Hahn, ARD Wien, tagesschau, 29.09.2023 17:21 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 24. September 2023 um 10:00 Uhr.