
Slums in Kenia Die Corona-Not der HIV-Infizierten
In Kenia trifft die Corona-Pandemie die HIV-Infizierten besonders hart. In den Slums von Nairobi schaffen es viele von ihnen nicht mehr zum Arzt. Das Geld fehlt, es herrscht Angst vor Ansteckung - und der Hunger wächst.
Die kenianische Sozialarbeiterin Rose Omia bittet um Einlass, stößt vorsichtig die Tür von Christine Awour Omondis Wellblechhütte auf. Omondi ist Mutter von drei Kindern und HIV-positiv. Aus eigener Kraft kann sie ihre Wellblechhütte in dem Slum Mathare in der kenianischen Hauptstadt Nairobi nicht mehr verlassen. Nach einem Unfall musste ihr vor eineinhalb Jahren das rechte Bein amputiert werden.
Omia möchte wissen, wie es Omondi geht. Und ob sie besondere Angst hat, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. "Nein, wenn man die Medikamente regelmäßig nimmt, wird man nicht schneller krank als andere Menschen", antwortet Omondi. Trotzdem stecke sie wegen der Pandemie in großen Schwierigkeiten. "Diejenigen, die ich früher immer um Geld oder andere Unterstützung bitten konnte, haben jetzt auch nichts mehr."

Im Mathare-Slum leben rund eine halbe Million Menschen.
Der Weg zur Klinik als Hindernis
In Mathare, einem der größten Slums von Nairobi, haben wegen der Corona-Krise viele Menschen ihre Jobs verloren und hungern. Weil Omondi nicht mehr arbeiten kann, lebt sie von der Unterstützung ihrer Nachbarn. Außerdem bekommen sie und ihre Kinder einmal täglich eine warme Mahlzeit von der deutschen Hilfsorganisation "German Doctors". Die Organisation hat auch ein HIV-Programm, für das Omia arbeitet. Deshalb schaut sie bei Omondi regelmäßig nach dem Rechten, bringt ihr auch die Medikamente.
"Für unsere Patienten ist die schwerwiegendste Folge der Corona-Pandemie, dass sie im Moment große Schwierigkeiten haben, in unser ambulantes Krankenhaus zu kommen", sagt Maureen Githuka, die Leiterin des HIV-Programms. Denn viele ihrer Patienten seien aus Angst vor einer Ansteckung in ihre Herkunftsdörfer gefahren. Andere können sich das Fahrgeld für den Klinikbesuch auch innerhalb von Nairobi nicht mehr leisten.

Für viele Menschen in Mathare ist der Weg zum Arzt in der Corona-Krise zur Hürde geworden.
Das Risiko für Infektionen ist gestiegen
"Wenn sie ihre Medikamente nicht regelmäßig nehmen, werden sie krank. Sie können alle möglichen Infektionen bekommen. Wir gehen davon aus, dass deshalb in der nächsten Zeit mehr Patienten sterben werden", sagt Githuka.
Die Folgen seien schon jetzt zu spüren: Innerhalb der vergangenen drei Monate hätten sich von ihren knapp 3000 HIV-positiven Patienten 20 neu mit Tuberkulose angesteckt. "Das ist eine ziemlich hohe Zahl. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir bei ihnen so lange eine Infektion mit Tuberkulose verhindern konnten."
Lebensmittel sind knapp
Hinzu kommt der Hunger: Viele Menschen können sich nicht mehr genug zu essen leisten. Etliche ihrer Patienten hätten mehr als zehn Prozent ihres Gewichtes verloren, sagt Githuka. Das macht sie zusätzlich für Krankheiten anfällig. Um die größte Not zu lindern, unterstützen die "German Doctors" jetzt etwa 2000 Haushalte in Mathare mit Lebensmitteln - deutlich mehr als vor der Corona-Krise. Dennoch erreichen sie damit nur einen Bruchteil derer, die dringend Hilfe bräuchten.
Am 6. Juli beginnt die Welt-Aids-Konferenz. Wegen der Corona-Pandemie findet sie nicht wie geplant in den US-Städten San Francisco und Oakland statt, sondern im Internet. Weltweit leben knapp 38 Millionen Frauen, Männer und Kinder mit dem HI-Virus. Ostafrika gehört mit Südafrika zu den am stärksten betroffenen Regionen.