Ein bewaffneter Polizist steht vor der "Crocus City Hall", in der ein mutmaßlicher Terroranschlag verübt wurde.
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Anschlag in Konzerthalle Was über den Angriff bei Moskau bekannt ist

Stand: 23.03.2024 16:43 Uhr

Mehr als 130 Menschen wurden bei einem Terroranschlag in einer Konzerthalle bei Moskau getötet. Was ist über den Angriff bekannt und was über die mutmaßlichen Täter? Wie geht Russland vor? Die wichtigsten Fakten im Überblick.

Was ist passiert?

Der Anschlag ereignete sich am Freitagabend in der "Crocus City Hall", einer Veranstaltungshalle nordwestlich der russischen Hauptstadt Moskau. In der Halle, die Platz für Tausende Gäste bietet, sollte zu diesem Zeitpunkt ein Konzert der russischen Band "Piknik" aus Sankt Petersburg stattfinden.

Russischen Ermittlern zufolge sollen mehrere bewaffnete Angreifer in Tarnkleidung in die Halle gelangt sein und dort mit automatischen Schusswaffen das Feuer auf die Besucherinnen und Besucher eröffnet haben. Das russische Innenministerium sprach von vier Attentätern.

Laut ARD-Korrespondentin Ina Ruck gehen die Ermittler von Waffenverstecken in oder in der Nähe der Konzerthalle aus. Es habe "offenbar eine sehr genaue Vorbereitung der Tat" gegeben.

"Offenbar eine sehr genaue Vorbereitung der Tat", Ina Ruck, ARD Moskau,zum Terroranschlag nahe Moskau

tagesschau24, 23.03.2024 11:00 Uhr

Während des Angriffs soll es eine Explosion gegeben haben. Die Nachrichtenagentur RIA meldete, die Angreifer hätten eine Granate oder Brandbombe geworfen. Nach Angaben des Staatlichen Ermittlungskomitees setzten die Angreifer eine brennbare Flüssigkeit ein, "um in den Räumen der Konzerthalle ein Feuer zu legen, in denen sich Zuschauer befanden und auch Verletzte".

In der Konzerthalle brach daraufhin ein Feuer aus, das sich laut der Nachrichtenagentur Tass auf etwa ein Drittel des Gebäudes und auf fast das komplette Dach ausbreitete. Auch Rettungsdienste vor Ort schätzten, dass durch die Flammen eine Fläche von mindestens 13.000 Quadratmetern zerstört oder beschädigt worden sei.

Satellitenbild von Moskau mit Markierung der "Crocus Concert Hall" am nordwestlichen Stadtrand.

Wie viele Opfer gibt es?

Bei dem Angriff wurden Angaben des Staatlichen Ermittlungskomitees in Russland zufolge 133 Menschen getötet. Zu den Toten zählen laut des Gesundheitsministeriums in der Region Moskau auch drei Kinder, die in der Nacht aufgrund der Schwere ihrer Verletzungen gestorben seien. Dem Komitee zufolge starben die Menschen sowohl durch Schüsse als auch durch das Einatmen von Rauch.

Zu der Zahl der Menschen, die bei dem Anschlag verletzt wurden, gibt es unterschiedliche Angaben. Kurz nach Bekanntwerden des Angriffs meldeten Medien mehr als 100 verletzte Personen, später sprach das Gesundheitsministerium von mindestens 145 Verletzten. Am Morgen zitierte die Nachrichtenagentur dpa das Ministerium erneut mit der Angabe, es habe mehr als 100 Verletzte gegeben.

Die Bergungsarbeiten in der Konzerthalle könnten noch Tage andauern, unter den Trümmern wurde weiter nach Opfern gesucht, wie der Gouverneur der Region Moskau, Andrej Worobjow, im Onlinedienst Telegram mitteilte. Die Zahl der Toten könnte demnach noch steigen.

Wer ist für den Angriff verantwortlich?

Noch am späten Freitagabend reklamierte der "Islamische Staat" (IS) die Tat für sich. Die Dschihadistenmiliz teilte auf Telegram mit, Kämpfer hätten "eine große Zusammenkunft (...) am Rande der russischen Hauptstadt Moskau" angegriffen. Die Angreifer hätten sich "sicher in ihre Stützpunkte zurückgezogen".

Der IS veröffentlichte zudem verpixelte Fotos, die die angeblichen Attentäter zeigen sollen. Der IS-Propagandakanal Amak zeigte ein Bild mit vier Personen, deren Gesichter unkenntlich gemacht worden waren. Die Kämpfer hätten bewaffnet mit Sturmgewehren, Pistolen und Bomben Russland einen "schweren Schlag" versetzt, hieß es in der Mitteilung. Der Angriff habe "Tausenden Christen in einer Musikhalle" gegolten.

Inzwischen veröffentlichte die Dschihadistenmiliz auf ihren Telegram-Kanälen auch ein mutmaßliches Video des Anschlags. Die eine Minute und 31 Sekunden lange Szene zeigt eine Nahaufnahme eines der Schützen, als er das Feuer auf mehrere Menschen in einer Konzerthalle eröffnet.

Von unabhängiger Seite ist bislang nicht bestätigt, dass der IS das Attentat verübt hat. Der Terrorexperte Peter Neumann vom King's College in London hält das Bekennerschreiben der Terrormiliz zum Anschlag bei Moskau aber für echt. Wahrscheinlich sei ein Ableger des "Islamischen Staates" für die Tat verantwortlich, so Neumann bei tagesschau24. Er verwies auf den IS-Ableger in Afghanistan, der sich Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) nennt und schon seit einigen Jahren einen bewaffneten Konflikt mit den militant-islamistischen Taliban austrägt. Der ISPK rekrutiere sehr aktiv unter anderem in ex-sowjetischen Staaten in Zentralasien wie Tadschikistan, Usbekistan oder Kirgistan und werde auch mit Anschlagsplänen an Weihnachten in Köln und Wien in Verbindung gebracht.

Peter Neumann, Terrorismusforscher Kings College London, über den Terroranschlag bei Moskau

tagesschau24, 23.03.2024 16:00 Uhr

Die mutmaßlichen Angreifer konnten offenbar zunächst fliehen. Am Morgen gab Russlands Inlandsgeheimdienst FSB bekannt, dass elf Menschen festgenommen worden seien. Darunter seien vier Personen, die im Verdacht stünden, direkt in den Angriff verwickelt gewesen zu sein, meldete die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf den Kreml. Nach Angaben des russischen Innenministeriums soll es sich bei den vier mutmaßlichen Attentätern um Ausländer handeln. Die Festgenommenen seien keine Russen, teilte das Ministerium mit, ohne allerdings die Nationalität der Verdächtigen bekannt zu geben.

Die vier Verdächtigen sollen nach Aussage des FSB Kontakt in die Ukraine gehabt haben. Sie seien auf dem Weg zur ukrainischen Grenze gewesen, als sie festgenommen wurden. "Nachdem sie den terroristischen Angriff verübt hatten, wollten die Kriminellen die russisch-ukrainische Grenze überqueren", zitierte die Agentur Tass aus einer FSB-Mitteilung. Nach Angaben des Ermittlungskomitees wurden die vier Verdächtigen in der Region Brjansk festgenommen. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin sprach in seiner Fernsehansprache von einer angeblichen Verwicklung der Ukraine in den Terroranschlag. Die Verdächtigen hätten versucht, "sich zu verstecken und haben sich in Richtung Ukraine bewegt, wo für sie ein Fenster für einen Grenzübertritt vorbereitet worden war", so Putin. Beweise dafür legte er nicht vor.

Die ukrainische Führung wies die Behauptungen als "absurd" zurück. "Es war klar, dass die Version der russischen Verantwortlichen 'die ukrainische Spur' sein würde", erklärte der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak im Onlinedienst X. "Die Erklärungen der russischen Dienste in Bezug auf die Ukraine sind völlig unhaltbar und absurd." Die Ukraine habe nicht die geringste Verbindung zu dem Vorfall.

Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR wies Behauptungen ebenfalls zurück. Putins Anschuldigung, dass vier Täter nach dem Verbrechen am Freitagabend von Russland aus die Grenze zur Ukraine hätten überqueren wollen, sei eine "absolut falsche und absurde Aussage", sagte HUR-Vertreter Andrij Jussow laut ukrainischen Medien. "Dafür muss man kein Experte für Sicherheitsfragen sein", führte Jussow demnach aus: "Seit mehr als zwei Jahren dauert die Vollinvasion an, die Grenzgebiete sind voller feindlicher Truppen, Spezialagenten, Vertretern von Geheimdiensten und Sicherheitskräften. Die Grenzlinie ist vermint, sie wird mit allen Mitteln überwacht - darunter Luftaufklärung von beiden Seiten." Jussow beschuldigte den Kreml zudem, die Tragödie in Moskau nutzen zu wollen, um Repressionen im eigenen Land weiter zu verschärfen.

Auch die USA sehen "keine Hinweise" dafür, dass die Ukraine hinter dem Attentat stehen könnte, wie der Vertreter des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, betonte. Die US-Regierung gab zudem an, sie habe Russland erst in diesem Monat vor einem möglichen Anschlag auf große Veranstaltungen gewarnt. Der Kreml hatte das jedoch als "Provokation des Westens" zurückgewiesen. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, reagierte auf die Angaben der USA mit den Worten, es sei vorschnell, die Ukraine zu entlasten. Ohne "verlässliche Fakten" habe "weder das Weiße Haus noch sonst jemand das Recht, vorab eine Absolution zu erteilen".

Wie gehen russische Behörden nun vor?

Russland hat Ermittlungen wegen des Verdachts auf ein "terroristisches Motiv" hinter dem Angriff eingeleitet.

Noch in der Nacht hatten Einsatzkräfte der Polizei, der Nationalgarde und OMON-Spezialtruppen des Innenministeriums die Konzerthalle durchsucht und dabei Waffen und Munition sichergestellt. Das zeigte ein kurzes Video, das vom Staatlichen Ermittlungskomitee Russlands am frühen Morgen veröffentlicht wurde: Zu sehen waren eine Maschinenpistole vom Typ Kalaschnikow und Gurte voller Magazine. Tütenweise sammelten die Ermittler die Hülsen verschossener Patronen ein.

Russische Medien berichteten, dass infolge des Anschlags in mehreren Großstädten des Landes sowie am Flughafen in Moskau die Sicherheitsvorkehrungen erhöht wurden. Der Nachrichtenagentur Tass zufolge soll der Rote Platz im Zentrum von Moskau abgeriegelt worden sein. Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin kündigte an, dass über das Wochenende alle Sport-, Kultur- und sonstigen Veranstaltungen ausfallen würden. Auch Museen und Theater in der russischen Hauptstadt kündigten an, vorübergehend zu schließen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 23. März 2024 um 09:00 Uhr.