US Präsident Joe Biden und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel (Archivbild: 25.03.2022)

Ursula von der Leyen Die Macht der Krisenmanagerin

Stand: 23.02.2023 12:50 Uhr

Ein Jahr nach Beginn der Ukraine-Invasion gilt Ursula von der Leyen als so mächtig wie noch niemand vor ihr an der Spitze der EU-Kommission. Die Abstimmung zwischen Brüssel und den USA sind eng wie lang nicht.

Am Tag als Wladimir Putin seine Truppen in die Ukraine einmarschieren lässt, liegen in einem Brüsseler Büro die Strafmaßnahmen schon in der Schublade. Akribisch vorbereitet, im Berlaymont-Gebäude, wo Ursula von der Leyen ihr Büro hat. Wochen vorher hatte sie ihre engsten Mitarbeiter darauf angesetzt, die schärfsten Sanktionen in der Geschichte der EU vorzubereiten.

Während man in vielen Hauptstädten Europas noch hofft, dass Putin nicht Ernst machen würde, lässt die Chefin der EU-Kommission genau das vorbereiten, den Ernstfall. Kurz nach den ersten Meldungen über den Einmarsch, sagt sie, was aus ihrer Sicht jetzt auf dem Spiel steht. "Die Stabilität Europas und der gesamten internationalen Ordnung. Unsere Friedensordnung".

Die beispiellosen Wirtschaftssanktionen sollen Russland nach und nach vom internationalen Finanzmarkt abschneiden, das Auslandsvermögen der russischen Zentralbank wird eingefroren, ebenso das Vermögen vieler reicher Putin-Unterstützer. Und westliche High-Tech-Produkte dürfen nicht mehr nach Russland exportiert werden.

Sanktionen nach enger Abstimmung mit USA

Die Sanktionen sind das Ergebnis einer so engen Abstimmung zwischen Brüssel und Washington, wie es sie vorher kaum je gegeben hat. Täglich telefonieren Spitzen der Kommission mit den engsten Mitarbeitern von US-Präsident Joe Biden. Von der Leyen selbst berichtet später, wie eng auch ihre persönliche Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Präsidenten war.

Anders als seine Vorgänger sieht Biden in der Chefin der EU-Kommission die Stimme Europas, eine Partnerin auf Augenhöhe. Und das sagt er ihr auch. Im März, bei seinem ersten Besuch in Europa nach Kriegsbeginn. "Danke, Frau Präsidentin, für die persönliche Freundschaft, die Partnerschaft und vor allem für die Führungsstärke." Dann verschwindet Biden für einen kurzen Moment unter dem Rednerpult, er will das Mikrofon besser ausrichten, für die Präsidentin. Er verdiene sich gerade sein Gehalt, grummelt Biden, von der Leyen bedankt sich herzlich. Etwas Erleichterung schwingt mit in Brüssel, Erleichterung, dass es nicht Donald Trump ist, der Amerika in dieser Krise führt.

Von der Leyen weckt Erwartungen bei Ukrainern

Vier Tage nach Beginn der russischen Invasion kommt in Brüssel ein Bewerbungsschreiben aus Kiew an. Die Ukraine will Mitglied der Europäischen Union werden. Wieder reagiert von der Leyen schnell, schneller, als es einigen Staats- und Regierungschefs lieb ist. "In der Tat gehören sie im Laufe der Zeit zu uns, sie sind einer von uns. Und wir wollen sie haben."

Das sehen nicht alle so. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagt noch beim Sondergipfel im Frühjahr in Versailles, so etwas sei völlig unmöglich, ein Beitrittsprozess mit einem Land, das sich mitten im Krieg befindet. Trotzdem macht von der Leyen Tempo, sie pusht, weckt Erwartungen bei den Ukrainern. Vier Mal fährt sie allein im Krieg nach Kiew. Sie sieht vor allem die Chancen für die Ukraine.

Aber sie sieht auch die Chancen für sich selbst, Profil zu gewinnen - als die politische Gestalterin in der Europäischen Union. Als eine die nicht zögert, sondern Anstöße gibt. Über die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine entscheiden müssen die Staats- und Regierungschefs - von der Leyen hat den Ball in deren Feld gespielt.

Helga Schmidt, Helga Schmidt, ARD Brüssel, 23.02.2023 11:45 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. Januar 2023 um 11:05 Uhr.