Ein leerer Sarg nach einer Exhumierung zur Untersuchung von russischen Kriegsverbrechen in der ukrainischen Ortschaft Isjum.

Krieg gegen die Ukraine "Wir wollen, dass Russland bezahlen muss"

Stand: 17.02.2023 16:57 Uhr

Täglich gibt es der Ukraine zufolge neue Berichte über russische Kriegsverbrechen - in Zehntausenden Fällen werde ermittelt. Die EU will nun bei der Aufklärung helfen. Russland soll zur Rechenschaft gezogen und zur Kasse gebeten werden.

Das Massaker von Butscha, die Folterkammern in Charkiw, die systematische Zerstörung der Energieversorgung: Der russischen Armee werden unvorstellbare Verbrechen vorgeworfen. Die ukrainische Justiz ermittelt inzwischen in mehr als 67.000 Fällen. "25 Kriegsverbrecher aus Russland sind bereits verurteilt worden, jeden Tag kommen neue Anklagen und Verdächtige dazu", sagt der ukrainische Generalstaatsanwalt Andriy Kostin. 

Die Europäische Union unterstützt die Ukraine bei der juristischen Aufarbeitung. Experten aus 14 Mitgliedsstaaten arbeiten mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zusammen, der für Ermittlungen wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig ist. Ebenfalls in Den Haag entsteht gerade ein neues Zentrum für die Strafverfolgung des Angriffskrieges gegen die Ukraine. "Ab Juli werden dort Beweise gesammelt und archiviert, für zukünftige Prozesse", sagt EU-Justizkommissar Didier Reynders.

Auch Putin soll vor Gericht gestellt werden

Auch die politisch Verantwortlichen für den russischen Überfall sollen vor Gericht gestellt werden - Präsident Wladimir Putin inklusive. Das ist jedenfalls das Ziel. Damit dem Staatschef der Prozess gemacht werden kann, ist allerdings die Einrichtung eines Sondertribunals der Vereinten Nationen nötig. In Brüssel und Kiew hoffen viele, dass die UN-Vollversammlung nächste Woche mit einer möglichst großen Mehrheit dazu aufruft.

Das wäre ein deutliches Signal an die russischen Eliten, sagt Chefankläger Kostin. "Sie werden bestraft. Nicht nur die Militärs, die Soldaten, sondern auch die politische Führung, die zu diesem Angriffskrieg angestiftet hat. Die Botschaft lautet: Denkt noch einmal darüber nach."

Eingefrorene Vermögen als Schadensersatz

Die Europäische Union will gemeinsam mit der Regierung in Kiew aber auch dafür sorgen, dass Moskau für die enormen Zerstörungen zur Kasse gebeten wird, die der russische Angriffskrieg in der Ukraine schon angerichtet hat und weiter anrichten wird. Die Kommission arbeitet an einem zentralen Register, das sämtliche Schäden erfassen soll. "Wir wollen alle Verbrecher zur Rechenschaft ziehen und wir wollen sicherstellen, dass Russland bezahlen muss, für den Wiederaufbau und für den Schadensersatz", erklärt Reynders.

Es geht um Hunderte Milliarden Euro. Die EU will dafür unter anderem die Reserven der Moskauer Zentralbank nutzen, die auf europäischen Konten lagern und kurz nach Kriegsbeginn eingefroren worden sind. Genauso wie die Vermögen russischer Oligarchen, die das Putin-Regime unterstützen. Noch aber ist rechtlich nicht abschließend geklärt, ob die Gelder tatsächlich konfisziert und weitergereicht werden können.

Kostin hält den Zugriff auf Russlands Auslandskonten allerdings für den besten Weg, um die Opfer der Kriegsverbrechen angemessen zu entschädigen. "Die Familien der Menschen, die von den russischen Aggressoren umgebracht wurden, verwundet, gefoltert, vergewaltigt, eingesperrt oder beraubt, sie alle müssen entschädigt werden, und zwar aus den Vermögen der Verbrecher." 

Stephan Ueberbach, Stephan Ueberbach, SWR Brüssel, 17.02.2023 16:30 Uhr