Auf dem Monitor eines Handys ist das ChatGPT-Logo zu sehen.

EU-Gesetz für Künstliche Intelligenz Mit 892 Seiten zur europäischen KI-Revolution?

Stand: 02.02.2024 17:27 Uhr

Das erste Gesetz zur Regulierung Künstlicher Intelligenz rückt näher. Heute haben die EU-Staaten den Entwurf absegnet. Aber die große Frage bleibt: Kann Europa damit den Rückstand zu den US-Tech-Riesen aufholen?

"Historisch" nannten viele die Ereignisse am 9. Dezember vergangenen Jahres: Zwei Jahre Tauziehen um das weltweit erste Gesetz zur Künstlichen Intelligenz (KI), zum Schluss einige Marathonsitzungen - und dann war es geschafft.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erklärte: "Wir hielten es von Anfang an für notwendig, auf europäischer Ebene klare Leitplanken zu setzen, um die Entwicklung und den Einsatz Künstlicher Intelligenz zu leiten. Und das ist jetzt der Gedanke hinter dem europäischen Gesetz zur Künstlichen Intelligenz."

Keine deutsche Blockade mehr

Große Vision gingen rein - und ganz nüchtern betrachtet kamen 892-Seiten an Gesetzestext heraus. Es dauerte mehr als sechs Wochen, bis das Kleingedruckte dann in den Hauptstädten vorlag. Und plötzlich regte sich noch mal Widerstand, vor allem in Deutschland.

Würde Berlin mal wieder ein eigentlich fertiges Gesetz, an dem es im Rat selbst Fortwährend beteiligt war, blockieren? Der Eklat scheint nun abgewendet, seit auch Digitalminister Volker Wissing von der FDP vor wenigen Tagen seinen Widerstand aufgab. Zähneknirschend - so lässt ich sein Statement auf X, ehemals Twitter wohl verstehen: 

"Der gefundene Kompromiss zum AI-Act legt nun das Fundament für die Entwicklung vertrauenswürdiger KI. Wir werden den maximalen Spielraum nutzen und Überregulierung vermeiden, damit unser Standort wettbewerbsfähig sein kann und die Wertschöpfung bei uns stattfindet."

KI-Basismodelle sollen Pflichten bekommen

Darin steckt seine Kritik vor allem am geplanten Umgang mit den sogenannten KI-Basismodellen. Die sind Technologie-Grundlagen, auf denen die unterschiedlichsten Anwendungen aufgebaut werden können. GPT 4 etwa ist das Basismodell - das den wohl berühmtesten Chatbot der Welt antreibt - ChatGPT.

Diese Basismodelle sollen in Europa je nach Risikoklasse bestimmte Pflichten bekommen, zum Beispiel beim Weitergeben von Informationen, bei der Risikoanalyse und beim Dokumentieren der Daten, mit denen die KI trainiert wird.

Damit dieser Ansatz nicht die Innovationskraft in Europa dämpft, sagte Wissings Parteikollegin Svenja Hahn, die den KI-Act im EU-Parlament über Jahre mitverhandelt hat, sei jetzt entscheidend: "...dass offene Fragen geklärt werden, zum Beispiel Wie funktioniert denn die Einstufung von Basismodellen in das Risikosystem in der Praxis - nach welchen Kriterien soll das erfolgen." Auch bei KI in der Strafverfolgung müsse die Kommission jetzt für Klarheit sorgen, damit durch unterschiedliche nationale Auslegungen eben keine Gesetzeslücken entstünden.

Mit den USA und China mithalten

Franziska Teubert, Geschäftsführerin des deutschen Start-up-Verbands, atmet auf, wenn der EU die endgültigen Verabschiedung des KI-Act gelingt. Denn mehr als auf jede Zeile komme es nun auf Tempo an: "Die Regulierung ist nicht perfekt, aber man kann damit arbeiten. Regulierung schafft auch Verlässlichkeit für Unternehmen und Investoren. Eine fehlende EU-weite Regulierung hätte uns nur Flickenteppiche geliefert. 27 Einzellösungen in 27 Mitgliedstaaten."

Jetzt, so ihr Appell, soll es endlich in die Umsetzung gehen: "Um mit den USA und China mithalten zu können, brauchen wir europäische KI-Champions, und wir müssen Sie langfristig weniger in einzelnen Ländern denken und stärker europäisch handeln."

KI-Modelle trainieren und testen

Eine Linie, die auch Kommissionschefin von der Leyen vorgibt: KI-Startups und Mittelständler sollen nun Zugang zu Supercomputern der EU bekommen, also zu den nötigen Kapazitäten, um ihre KI-Modell zu trainieren, zu entwickeln und testen zu können:

"Dies ähnelt dem, was Microsoft für Chat-GPT tut, indem es sie auf seine eigenen Supercomputern lässt. Wir werden auch gemeinsame europäische Datenräume in den Dienst von Start-ups stellen und riesige Datenmengen in allen EU-Sprachen zur Verfügung stellen, damit die KI auch für Nicht-Englisch-Sprecher funktioniert."

All das sind nächste konkrete Schritte zur Weiterentwicklung einer europäisch geprägten KI. Und die Ambition, Dinge zu greifen, die man sich in Teilen noch gar nicht so recht vorstellen kann.

Kathrin Schmid, ARD Brüssel, tagesschau, 02.02.2024 08:04 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 02. Februar 2024 um 08:38 Uhr.