Außenansicht des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag.

25 Jahre Römisches Statut "IStGH muss sich am Krieg gegen die Ukraine beweisen"

Stand: 17.07.2023 17:01 Uhr

Vor 25 Jahren wurde der Grundstein für den Internationalen Strafgerichtshof gelegt - mit dem Ziel, schwere Menschenrechtsverletzungen bestrafen zu können. Die Arbeit des Gerichts ist nicht unumstritten, aber auch wichtiger denn je.

Von Alena Lagmöller, SWR

Auch heute noch gehen die Meinungen über Rolle und Verdienst des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) auseinander. Zum 25. Mal jährt sich die Annahme des Römischen Statuts, mit dem die vertragliche Grundlage für den IStGH geschaffen wurde.

Das Jubiläum wird mit einem feierlichen Akt in den Räumen der UN in New York begangen - ausgerechnet in den USA, die dem Statut nie beigetreten sind. Auch andere mächtige und bevölkerungsreiche Staaten wie Russland, China und Indien sind keine Vertragsstaaten.

Das Weltstrafgericht in Den Haag

Seit 2002 ist der Gerichtshof mit Sitz in Den Haag dafür zuständig, Einzelpersonen wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zur Verantwortung zu ziehen. 2010 wurde der Tatbestand der "Verbrechen der Aggression" aufgenommen, durch den die Führung eines Angriffskrieges verboten wird.

Das sogenannte Weltstrafgericht soll Strafbarkeitslücken schließen, die entstehen, wenn Nationalstaaten nicht willens oder nicht in der Lage sind, Verbrechen zu verfolgen.

Der erste Angeklagte in der Geschichte des IStGH war Thomas Lubanga, ein kongolesischer Rebellenführer. Ihm wurde vorgeworfen, Kindersoldaten ausgebildet und sie zum Dienst an der Waffe gezwungen zu haben. Nach einer zwischenzeitigen Aussetzung des Verfahrens wurde Lubanga 2012 schuldig gesprochen und zu 14 Jahren Haft verurteilt.

Einseitiger Fokus auf Afrika?

31 Verfahren wurden bislang vor dem Gerichtshof verhandelt. Jeder einzelne Angeklagte stammte aus einem afrikanischen Staat. Dies brachte dem Gericht erhebliche Kritik ein.

Taten, für die man vor dem IStGH angeklagt werden kann, sind so gravierend, dass sie auf der ganzen Welt als Unrecht gelten. Und doch sind es immer nur Warlords, Staatschefs und Milizionäre afrikanischer Staaten, die sich dort verantworten. Die Völkerrechtlerin Paulina Starski von der Universität Freiburg möchte den Vorwurf der Einseitigkeit völkerstrafrechtlicher Justiz so nicht stehen lassen.

"Die postkoloniale Kritik ist absolut berechtigt, und es ist wichtig, dass diese auf einer systemisch-globalen Ebene benannt wird", sagt Starski, fügt aber hinzu: "Aus der Perspektive der Opfer der zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent passierten Verbrechen ist es gleichwohl ganz bedeutend, dass zumindest diese Prozesse geführt werden konnten."

Haftbefehl gegen Putin

Zuletzt erregte der Haftbefehl gegen den russischen Präsident Wladimir Putin Aufsehen. Dass der IStGH Ermittlungen auf dem Staatsgebiet der Ukraine aufgenommen hat, war möglich, weil die Ukraine bereits 2014 und 2015 nach der Annexion der Krim jeweils eine sogenannte ad hoc-Anerkennung ausgesprochen und damit Ermittlungen bis heute zugestimmt hat.

Auch wenn es derzeit unwahrscheinlich ist, dass Putin festgenommen wird - ein Erfolg sei der Haftbefehl dennoch, sagt der Direktor der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien, Christoph Safferling von der Universität Erlangen-Nürnberg.

"Allein die Klarstellung, dass es den Verdacht gibt, dass Präsident Putin Straftaten begangen hat und dass weitere Untersuchungen stattfinden werden, ist von großer Bedeutung" Und zudem ziehe der Haftbefehl auch eine Einschränkung von Putins Bewegungsfreiheit nach sich. Nach Europa etwa könne Putin nicht mehr reisen.

In den 1990er-Jahren rechnete auch kaum jemand damit, dass sich der ehemalige serbische und später jugoslawische Präsident Slobodan Milošević wenig später vor einem UN-Kriegsverbrechertribunal verantworten muss.

Hoffnung für die Zukunft

Aus völkerrechtlicher Perspektive stellte die Errichtung des Römischen Statuts einen wichtigen Meilenstein dar. "Der Internationale Strafgerichtshof hat als Institution eine zentrale Bedeutung, weil er die Wichtigkeit des Völkerstrafrechts anerkennt und auf internationaler Ebene den Schutz von Individuen realisiert", erklärt Starski.

Im Völkerstrafrecht gibt es dank des Römischen Statuts im Hinblick auf Begriffe wie Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nun Maßstäbe, die nicht mehr wegverhandelt werden können, sondern verbindlich sind.

Safferling hat entsprechend hohe Erwartungen an die Zukunft: "Ich hoffe, dass sich dieses Völkerstrafrecht in Zukunft weiter etabliert und härter in der Durchsetzung wird." Der Angriffskrieg auf die Ukraine sei ein Fall, an dem sich der IStGH wirklich beweisen könne - und beweisen müsse.