Russlands Präsident Wladimir Putin

Haftbefehl des IStGH Ungarn würde Putin nicht festnehmen

Stand: 23.03.2023 17:08 Uhr

Russlands Präsident Putin hätte bei einem Besuch in Budapest wohl keinen Haftbefehl zu befürchten. Laut der Regierung in Budapest gibt es für die Vollstreckung keine rechtliche Grundlage. Derweil pocht Außenministerin Baerbock auf die Umsetzung.

Ungarn will den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin offenbar ignorieren.

Putin würde nicht verhaftet, wenn er nach Ungarn käme, sagte der Stabschef von Ministerpräsident Viktor Orban, Gergely Gulyas, auf einer Pressekonferenz in Budapest. Für eine Vollstreckung des Haftbefehls gebe es keine rechtliche Grundlage. Ungarn habe zwar das Römische Statut als vertragliche Grundlage des Internationalen IStGH unterzeichnet und ratifiziert. Es sei aber nicht in das ungarische Rechtssystem integriert worden, sagte Gulyas. Auf Basis des ungarischen Rechts könne Putin nicht verhaftet werden.

Auf Nachfrage sagte Gulyas, die Regierung in Budapest habe sich zu dem Haftbefehl gegen Putin keine Meinung gebildet. Seine persönliche Meinung sei aber, dass diese Entscheidungen nicht sehr glücklich seien, da sie die Dinge in Richtung einer weiteren Eskalation und nicht in Richtung Frieden führten.

Ratifizierungsgesetz wurde nie gegengezeichnet

1999 hatte Ungarn das Römische Statut des IStGH unterzeichnet, 2001 wurde es ratifiziert, und im selben Jahr wurden die diesbezüglichen Dokumente am Sitz des Gerichts deponiert. Zugleich versäumten es wechselnde konservative Staatspräsidenten, das Ratifizierungsgesetz gegenzuzeichnen. Sie beriefen sich auf angebliche Unvereinbarkeiten mit der ungarischen Verfassung. Der IStGH betrachtet Ungarn als Signatarstaat und damit an das Statut gebunden. Unter ungarischen Juristen ist die Angelegenheit umstritten.

Am Freitag hatte der IStGH Haftbefehl gegen Putin und dessen Kinderrechtsbeauftragte, Maria Alexejewna Lwowa-Belowa, wegen der mutmaßlichen Verschleppung Tausender ukrainischer Kinder nach Russland erlassen. Während die Ukraine den Haftbefehl begrüßte, wies Russland die Vorwürfe zurück - und drohte den Vertragsstaaten des IStGH.

IStGH-Vertragsstaaten beklagen Drohungen aus Russland

Gestern erklärte der Vorsitz der Versammlung der IStGH-Vertragsstaaten, das Gremium bedauere "Versuche, die internationalen Bemühungen um eine strafrechtliche Haftung für Handlungen, die nach allgemeinem Völkerrecht verboten sind, zu behindern." Es habe "Drohungen" sowohl gegen das Gericht als auch die "Androhung von Maßnahmen gegen Ermittler und Richter" gegeben, so der Vorsitz. Die Versammlung, in der alle 123 Vertragsstaaten des IStGH vertreten sind, bekräftigte ihre "unerschütterliche Unterstützung" für den Strafgerichtshof.

Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedjew warnte, eine Festnahme von Putin im Ausland infolge des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs sei eine Kriegserklärung an sein Land. "Ein amtierender Präsident einer Atommacht kommt zum Beispiel nach Deutschland und wird verhaftet. Was ist das? Eine Kriegserklärung an die Russische Föderation", sagte Medwedjew der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. Sollte eine Festnahme etwa in Deutschland erfolgen, "werden alle unsere Mittel, Raketen und andere, auf den Bundestag, das Kanzleramt und so weiter fliegen", erklärte Medwedjew.

"Niemand steht über der Charta der Vereinten Nationen"

Ungeachtet der russischen Drohungen stellte sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erneut hinter den internationalen Haftbefehl. "Niemand steht über der Charta der Vereinten Nationen, niemand steht über dem humanitären Völkerrecht, niemand kann Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ungesühnt begehen", sagte die Grünen-Politikerin nach einem Treffen mit ihrem mazedonischen Kollegen Bujar Osmani in der Hauptstadt Skopje.

Deutschland verteidige die Charta der Vereinten Nationen, unterstrich die deutsche Außenministerin. Deswegen stehe man voll und ganz hinter dem Internationalen Strafgerichtshof, der dafür geschaffen worden sei, dass Kriegsverbrechen nicht ungesühnt blieben. "Manchmal dauert das Zeit, manchmal dauert das Jahrzehnte", sagte Baerbock. Aber aus diesem Grund habe Deutschland den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag in den vergangenen Jahren uneingeschränkt unterstützt.

Putin ist nach Omar al-Baschir aus dem Sudan und Muammar al-Gaddafi aus Libyen der dritte Staatschef, gegen den in seiner Amtszeit ein IStGH-Haftbefehl ausgestellt wurde. Der Strafgerichtshof wird von 123 Staaten getragen, Russland ist nicht darunter. Er verfügt über keine eigenen Polizeikräfte und ist darauf angewiesen, dass seine Mitgliedsstaaten Verdächtige festnehmen und überstellen.