Oliver Varhelyi

Fördermittel Deutschland und EU stoppen Palästinenser-Hilfen

Stand: 09.10.2023 16:49 Uhr

Als Konsequenz aus den Angriffen auf Israel setzt die EU vorerst alle Zahlungen an die palästinensische Seite aus. Alle Hilfen kämen auf den Prüfstand, hieß es. Auch Deutschland stellt vorerst alle Zahlungen ein.

Nach dem Großangriff der Hamas auf Israel haben sowohl die EU als auch die Deutschland ihre Hilfszahlungen für Palästinenser gestoppt. Hilfsgelder in Höhe von 700 Millionen Euro würden geprüft. "Alle Zahlungen werden sofort ausgesetzt. Alle Projekte werden überprüft", teilte EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi im Onlinedienst X, ehemals Twitter, mit. Alle neuen Ausgaben, auch noch für das laufende Jahr, würden "bis auf Weiteres" zurückgestellt.

Es könne jetzt kein "Business as Usual" geben, so Varhelyi weiter. Das Ausmaß des Terrors und der Brutalität gegen Israel markierten einen Wendepunkt, schrieb er.

Eine Sprecherin der Kommission hatte ursprünglich gesagt, schon heute sei sehr klar, dass die EU weder direkt noch indirekt die Aktivitäten der Hamas oder anderer Terrororganisationen finanziere. Die EU habe sehr strenge Regeln zur Überprüfung der Empfänger. Alle müssten versichern, dass diese weder direkt noch indirekt an Unternehmen, Organisationen oder Personen mit Verbindung zur Hamas gingen.

Die EU ist laut eigenen Angaben der größte Geldgeber für die palästinensische Autonomiebehörde. Von 2021 bis 2024 wurden insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro für die Finanzierung von Projekten eingeplant, insbesondere im Bildungs- und Gesundheitsbereich.

Krisensitzung der EU-Außenminister

Angesichts der schweren Kämpfe in Israel sollen die EU-Außenminister in Brüssel zu einer Krisensitzung zusammenkommen. "Ich berufe für morgen eine Dringlichkeitssitzung der EU-Außenminister ein, die sich mit der Lage in Israel und in der Region befasst", teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Online-Netzwerken mit.

Entwicklungsministerium: Kein endgültiger Stopp

Auch eine Sprecherin des Entwicklungshilfeministeriums erklärte in Berlin, die Programme würden nun umfassend überprüft. Das bedeute aber keinen endgültigen Stopp der Finanzierung, da der Ausgang der Prüfungen noch offen sei. Nach Angaben des Ministeriums waren für dieses und kommendes Jahr rund 125 Millionen Euro an bilateraler Entwicklungzusammenarbeit zugesagt.

Dabei gehe es um längerfristige Projekte. Die Sprecherin nannte Wasserversorgung und -entsorgung, eine Entsalzungsanlage, berufliche Bildung, die Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Leute und Ernährungssicherung als Beispiele. Zuvor hatte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) bekräftigt, dass die Bundesregierung ihr gesamtes Engagement für die palästinensischen Gebiete auf den Prüfstand stellen werde. Sie teilte mit, nach dem "Schock" über die fürchterliche Gewalt würden alle Projekte gründlich angeschaut.

Schritte wie diese hatte der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, bereits vorgeschlagen. "Nach dem Angriff der Hamas auf Israel gehören alle deutschen und internationalen Hilfsgelder für den Gazastreifen und das Westjordanland auf den Prüfstand", sagte er der "Bild"-Zeitung.

Ähnlich äußerte sich der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. "Die finanzielle Unterstützung der Palästinenser muss sofort beendet werden. Der palästinensische Terror, den wir sehen, wurde auch mit deutschen Steuermitteln finanziert."

Auch Wien stoppt Hilfen

Auch Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg kündigte an, die Entwicklungszusammenarbeit mit den Palästinensern zu stoppen. Alle Zahlungen würden vorerst auf Eis gelegt, sagte Schallenberg in einem Sender des öffentlich-rechtlichen ORF.

"Gaza ist überfüllt"

Ein Großteil der rund zwei Millionen Menschen im weitgehend abgeriegelten Gazastreifen lebt laut Angaben der Nachrichtenagentur epd in Armut und ist auf Hilfe angewiesen. Das UN-Hilfswerk für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) befürchtet, dass sich die Lage vor Ort ohne finanzielle Hilfen weiter verschärfen wird. Ein UNRWA-Sprecher in Gaza sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Gaza ist überfüllt. Die Lage der Menschen ist sehr schwer."

Andreas Meyer-Feist, ARD Brüssel, tagesschau, 09.10.2023 16:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. Oktober 2023 um 16:00 Uhr.