Zwei Geflüchtete blicken in Rettungsdecken gehüllt auf das Meer.

Flüchtlingsgipfel in Brüssel Eine Belastungsprobe für die EU

Stand: 17.12.2015 14:45 Uhr

Wieder ein EU-Flüchtlingsgipfel - und wieder ist Streit programmiert. Dabei hat die schon lange beschlossene Umverteilung von Flüchtlingen noch nicht mal richtig begonnen. Das Thema wird zunehmend zur Belastungsprobe für die EU. Einigkeit gab es nur beim Thema Grenzschutz.

"Wir brauchen mehr Gemeinsamkeit und weniger nationalen Partikularismus", forderte Parlamentschef Martin Schulz vor dem EU-Gipfel. Wenn man unter gut 500 Millionen EU-Bürgern ein bis zwei Millionen Flüchtlinge gerecht verteilen würde, wäre das kein Problem, meint Schulz. "Wenn aber nur ganz wenige Staaten sich beteiligen an der Aufnahme von Flüchtlingen, dann ist es ein Problem."

Das bedeutet: Es gibt derzeit ein massives Problem. Denn von den vereinbarten 120.000 Flüchtlingen, die innerhalb der EU umverteilt werden sollen, sind bislang erst gut 200 tatsächlich umgesiedelt worden. "Nicht akzeptabel", findet das Parlamentspräsident Schulz.

Osteuropäer sperren sich

Dass die Umverteilung nicht läuft, liegt daran, dass viele EU-Länder noch immer keine Asylsuchenden bei sich aufgenommen haben. Vor allem osteuropäische Staaten wie Ungarn und die Tschechien sperren sich. Sie wollen sich keine Flüchtlingsquote aufdrücken lassen, sagte der ungarische Regierungschef Viktor Orban: "Niemand kann den Ungarn oder anderen Nationen in Europa vorschreiben, mit wem sie gemeinsam leben sollen. Brüssel darf nicht die Macht haben, uns Menschen zuzuweisen, mit denen wir nicht zusammen leben wollen. Zwang von außen werden wir nicht akzeptieren."

Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Umverteilung von Flüchtlingen in der EU als "dickes Brett", das es zu bohren gilt - mit viel Geduld, langem Atem und Überzeugungskraft. "Aber die Geschichte Europas lehrt, dass sich Zähigkeit am Ende eines langen Weges noch immer ausgezahlt hat", so Merkel.

Faymann: Quotengegnern die Unterstützung streichen

Weniger geduldig äußerte sich der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann. Er forderte, wer bei der Flüchtlingsverteilung nicht mitmache, solle in Zukunft weniger Geld aus EU-Töpfen bekommen: "Dann muss jeder daran erinnert werden, dass in einer Europäischen Union, wo es Nettozahler und Nettoempfänger gibt, nur eine Verteilung die Möglichkeit bietet, sowohl Ordnung zu schaffen als auch das Asylrecht als Menschenrecht ernst zu nehmen."

Und es war Faymann, der als Verbündeter von Bundeskanzlerin Merkel vor dem EU-Gipfel zu einem Mini-Gipfel der "Kooperationswilligen" geladen hatte. Faymann hatte vorgeschlagen, der Türkei direkt bis zu 50.000 Flüchtlinge abnehmen. Diese Zahl könnte dann von den insgesamt 160.000 zu verteilenden Flüchtlingen abgezogen werden.

"Willige" gegen "Unwillige"

Bei diesem Vortreffen seien elf Staats- und Regierungschef dabei gewesen, sagte Kommissionschef Juncker. Damit wären es 11 "Willige" gegen 17 "Unwillige". Droht der Europäischen Union in der Frage um die Flüchtlingsverteilung deshalb die Spaltung? Nein, sagte Juncker, seiner Ansicht nach sei das kein Zeichen dafür.

Mehr Einigkeit gibt es beim Schutz der Außengrenzen. Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass es in Zukunft einen gemeinsamen Außengrenz- und Küstenschutz geben soll. Hier könnte es heute oder morgen eine grundsätzliche Zustimmung geben.

Karin Bensch, K. Bensch, ARD Brüssel, 17.12.2015 14:04 Uhr