Skyline von Los Angeles.

Schutz vor Erdbeben in Kalifornien Hochhäuser schwingen wie Schilfgras

Stand: 17.06.2018 13:27 Uhr

Leben auf zwei tektonischen Platten, die ein schweres Erdbeben auslösen können: Kalifornien verbessert daher ständig Schutzmaßnahmen. Dazu gehört nicht nur der erdbebensichere Bau von Hochhäusern.

Die Menschen in Kalifornien wissen, was sie bei einem stärkeren Erdbeben zu tun haben. Auch die beiden Nachrichtenmoderatoren im Studio von Sky News. "Wir haben ein Beben", sagt der Moderator und verschwindet mit seiner Kollegin unter dem Tisch, um sich vor eventuell herunterfallenden Dingen zu schützen, zum Beispiel kiloschweren Studioscheinwerfern.

Das Beben dauerte etwas mehr als fünf Sekunden. Es war nicht "The Big One" - das Extrembeben, vor dem Experten seit Jahrzehnten warnen. Wann es kommt, weiß niemand. Dass es kommt, gilt als sicher. Damit Wolkenkratzer wie der 335 Meter hohe Wilshire Grand Tower so ein Beben überstehen können, werden sie besonders stabil gebaut. Stabil, nicht starr, erklärt Bauingenieur Christopher Martin: "Wie ein Schilfgras im Wind, so schwingt das Haus bei einem Beben. Die Bewegung wird gleichzeitig durch riesengroße Stoßdämpfer gebremst und verzögert."

Sensoren messen Bewegungen des Gebäudes

Die Energie des Bebens verteilt sich praktisch über das ganze Haus. So ist die Gefahr niedriger, dass einzelne Bereiche überlastet werden. Um sicher zu gehen, sind in den Hochhäusern in Los Angeles Tausende von Beschleunigungssensoren eingebaut. Sie messen und speichern rund um die Uhr Bewegungen der Gebäude. Nach einem Beben sollen diese Daten dann den Statikern helfen, schnell zu entscheiden, ob Häuser weiter genutzt werden können oder nicht.

San Andreas Verwerfung

Die San-Andreas-Verwerfung erstreckt sich über gut 1300 Kilometer Länge und teilt Kalifornien in zwei Hälften auf.

Die meisten Wohnhäuser sind Holzkonstruktionen, normalerweise nicht unterkellert. Sie sind von Haus aus in Grenzen elastisch. Man könnte sie relativ leicht auch vor starken Beben schützen - mit Gleitern an der Unterseite. Durch die Massenträgheit bleiben Häuser dann bei einem Beben fast auf der Stelle stehen, während der Boden unter ihnen hin- und hergleitet. So ähnlich wie eine Münze, unter der man ein Blatt Papier schnell hin- und herbewegt.

Aber bei den irrsinnigen Immobilienpreisen in Los Angeles investieren Privatleute kaum in erdbebensicheres Bauen, sagt Professorin Lucy Jones vom Institut für Geologische Überwachung: "Es ist wie bei allen Naturkatastrophen: Die wirklich schlimmen passieren sehr unregelmäßig. Die Leute handeln aber nach dem, was wir erleben, nicht nach Statistik. Und deswegen passiert lange Zeit nichts."

Wasserrohre besonders kurz

Die größte Gefahr seien heute aber nicht einstürzende Gebäude, sagt Jones. Die schlimmsten Konsequenzen hätten Schäden an der Infrastruktur: gebrochene Wasserleitungen, unterbrochene Strom- und Gasleitungen. Und: Feuer, die wegen der schieren Zahl des fehlenden Wassers kaum zu bekämpfen sind. Wenn "The Big One" kommt, rechnen die Experten mit 3000 Bränden.

Für die Wasserversorgung hat Los Angeles Pilotprojekte mit speziellen Wasserrohren gestartet. Es sind relativ kurze Rohre, die über Gelenke miteinander verbunden sind, erklärt Dr. Craig Davis, der als Ingenieur der Stadtwerke für Erdbebenschutz zuständig ist: "Dass diese Gelenke sich einerseits nicht lösen und andererseits verhindern, dass sich Spannungen aufbauen, die die Rohre brechen lassen, ist ein riesiger Fortschritt."

Los Angeles hat mehrere Studien anfertigen lassen, um besondere Schwachstellen in der Stadt zu ermitteln. Ergebnis: Die Wasserversorgung ist einer der zentralen Punkte - denn was hilft es, wenn die Gebäude zwar stehen bleiben, dann aber von Bränden vernichtet werden. Stabilität im Angesicht von "The Big One" ist mehr als sichere Wolkenkratzer.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 15. Juni 2018 um 15:20 Uhr.