Rettungskräfte an der Absturzstelle des China Eastern-Fluges im Kreis Tengxian.

Absturz in China 2022 Wer löst das Rätsel um Flug MU5735?

Stand: 21.03.2024 11:39 Uhr

Heute jährt sich zum zweiten Mal einer der verheerendsten Flugzeugabstürze in der Geschichte Chinas. 132 Menschen kamen ums Leben. Die Hintergründe sind noch immer nicht geklärt. Peking hält wichtige Informationen unter Verschluss.

Von Christoph Kober, ARD Peking

Der Schock damals geht rund um die Welt. Am 21. März 2022 ist die Boeing 737 mit der Flugnummer MU5735 der Linie China Eastern unterwegs von Kunming im Süden Chinas ins zwei Stunden entfernte Guangzhou. Doch rund 150 Kilometer vor ihrem Ziel fällt sie quasi aus dem Himmel.

Joe Hattley, Experte für Flugunfalluntersuchungen an der Universität von New South Wales in Sydney, erinnert sich: "Bevor die Maschine ihre vorgesehene Flughöhe verlassen hat, war alles unauffällig. Auch die Fluglotsen waren in Kontakt mit der Besatzung." Auf einmal habe sich die Maschine in einen Sinkflug begeben, die Lotsen hätten versucht, die Crew zu kontaktieren, eine Antwort hätten sie aber nicht bekommen.

Das Flugzeug stürzt mit der Nase voran senkrecht ab, in ein Waldstück. Alle 123 Passagiere und neun Crewmitglieder sterben. Chinas Behörden schicken Rettungskräfte zur Absturzstelle und Notfallbetreuer zu Familien und Freunden der Opfer.

Technischer Fehler als Ursache ausgeschlossen

Willy Lam, Politikwissenschaftler beim Thinktank Jamestown Foundation in Washington, sieht darin noch andere Absichten. "Natürlich waren Trauer und Wut groß. Deshalb hat die Staats- und Parteiführung zu jedem Hinterbliebenen drei Personen geschickt, die sichergestellt haben, dass es keinen öffentlichen Aufschrei gibt, der beschämend für die Führung sein würde", so Lam.

Gemäß internationaler Regeln beginnt eine Untersuchung. Geleitet wird sie von Chinas Luftfahrtbehörde. Experten vom Hersteller Boeing und der US-Behörde für Transportsicherheit unterstützen bei den Ermittlungen. Technisches Versagen, ein Feuer oder eine Bombe an Bord schließen die Fachleute schnell aus.

Berichte über Suizid des Co-Piloten

Stattdessen zitiert das Wall Street Journal einen Informanten aus der Untersuchung. Von ihm heißt es, der Absturz sei von jemandem im Cockpit verursacht worden. Im Fokus steht der Co-Pilot, einer der erfahrensten Flieger Chinas. Unbestätigten Meldungen zufolge wurde er kurz vor dem Crash degradiert. Die Theorie eines Suizids steht im Raum.

Abschließend lässt sich der Grund für den Flugzeugabsturz laut Unfallexperte Hattley allerdings nicht feststellen, denn es gibt keine Daten aus dem Flugschreiber und dem Stimmenrekorder aus dem Cockpit.

Diese Informationen bleiben geheim, solange es die federführende Nation der Untersuchung will. Das ist in diesem Fall China. Und Hinweise auf einen absichtlich herbeigeführten Absturz passen offenbar nicht ins propagierte Image, dass unter der Führung der Kommunistische Partei alles reibungslos läuft.

Staatsführung hält Informationen geheim

"Die Wirtschaft schwächelt, viele Menschen haben Geld im Immobiliensektor verloren - die Menschen haben viele Sorgen. Dann noch schlechte Nachrichten zu veröffentlichen, sieht Staats- und Parteichef Xi Jinping als sehr gefährlich an. Denn sie könnten die Legitimität und den Machtanspruch der Partei infrage stellen", so die Einschätzung von Politikwissenschaftler Lam.

Zum zweiten Jahrestag des Absturzes wiederholt Chinas Luftfahrtbehörde in einem weiteren Zwischenbericht das, was schon bekannt ist. Keine personellen, technischen oder Wetterprobleme, kein Feuer an Bord oder eine Bombe. Die Untersuchung gehe weiter.

Beobachter rechnen nicht mit Aufklärung

Und auch wenn Experten sagen, eine solche Untersuchung könne sich Jahre hinziehen, Politikwissenschaftler Lam erwartet, dass entscheidende Informationen unter Verschluss bleiben. "Ähnliche Fälle aus der Vergangenheit zeigen, dass es nahezu null Chance gibt, dass die Behörden alles, all ihre Untersuchungsergebnisse veröffentlichen."

Offizielle Hinweise darauf, ob der Co-Pilot in einer solchen Verfassung war, dass er den Absturz absichtlich herbeigeführt hat, werden Lams Einschätzung zufolge niemals an die Öffentlichkeit gelangen.

Freunde und Familien der Opfer hätten damit niemals Gewissheit, was genau der Grund für den Absturz war.

Christoph Kober, ARD Peking, tagesschau, 21.03.2024 12:17 Uhr