Eine Illustration ist auf dem Display eines Mobiltelefons zu sehen.

Momo macht anonym Ein rosa Dino mischt das chinesische Internet auf

Stand: 13.10.2023 16:47 Uhr

Das chinesische Internet unterliegt einer strikten Zensur, kritische Beiträge werden schnell gelöscht. Doch ein kleiner rosa Dino macht den Menschen jetzt Mut. Was es damit auf sich hat.

Ein rosa Dino mischt das chinesische Internet auf. Zehntausende Accounts in den chinesischen Online-Netzwerken Xiaohongshu und Douban haben denselben Namen: Momo. Und sie kommentieren, was das Zeug hält. Ihre Profilbilder zeigen einen rosa Dino mit kleinen runden Knopfaugen, geröteten Wangen und meist einem Lächeln. Mal hat er eine Wassermelone oder Blumen in der Hand, mal trägt er eine Brille oder Kopfhörer. Es ist ein Emoji, das es im chinesischen Netz bereits seit 2014 gibt und jetzt neue Verwendung findet.

Momo ist süß, finden die User. Dabei hat es der kleine Dino alias Momo für chinesische Verhältnisse faustdick hinter den Ohren: Er sagt seine Meinung.

"Ich kann sagen, was ich will"

Einer, der Momo als Identität im Netz nutzt, spricht darüber mit dem ARD-Studio Shanghai - anonym. Denn das ist der Grund, warum er überhaupt einen Momo-Account hat: um anonym zu bleiben. "Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Anonymität für mich sehr bequem ist", sagt er: "Ich kann so meine Meinung äußern. Das gefällt mir. Ich kann sagen, was ich will und dabei eine gewisse Persönlichkeit bewahren."

Der Name Momo war ursprünglich der Standard-Benutzername für neue Accounts sowohl auf Douban und als auch Xiaohongshu. Jetzt steht er für Anonymität im Internet. In den Kommentarspalten, unter anderem auch zu politischen Themen wie der hohen Jugendarbeitslosigkeit in China, tummeln sich viele Momos. Das Gleiche gilt etwa für Feminismus oder Tratsch über Stars von der demokratisch regierten Insel Taiwan, die China für sich beansprucht. Viele trauen sich, unter dem Decknamen Momo ihre Meinung zu sagen. Auch vor Arbeitgebern bleiben die Aktivitäten der Mitarbeiter im Netz so verborgen.

Schülerinnen laufen mit ihren Handys durch eine Mall in Peking (Archivbild)

Schülerinnen laufen mit ihren Handys durch eine Mall in Peking. Über die Handynummer können Zensurbehörden die Identität der "Momo-User" herausfinden.

Wie anonym macht Momo wirklich?

Komplett anonym kann man sich im chinesischen Internet allerdings nicht bewegen. In China muss jeder Social-Media-Account verifiziert werden. Und zwar mit der Handynummer, die in China jeweils mit dem Ausweis registriert werden muss. Zensurbehörden können die Nutzer dadurch identifizieren.

Viele sehen sich jedoch im Schein der Anonymität vor allem vor Angriffen und der Kritik anderer Internetnutzer besser geschützt. Denn was im Netz zuerst sichtbar ist, sind der Name Momo und der rosa Dino im Bild. So gebe es weniger persönliche Angriffsfläche. "Ich habe einen Momo-Account, weil ich in Zukunft einfachere Diskussionen im Internet führen möchte. Es wird die Leute davon abhalten, eine bestimmte Person aufgrund bestimmter Merkmale anzugreifen oder sie sogar persönlich anzugreifen", sagt dem ARD-Studio Shanghai einer der Momos: "Ich möchte ein besseres Umfeld für Diskussionen schaffen."

Zusammenhalt in der Momo-Community

Zudem schützten sich Momos in den Kommentaren auch gegenseitig vor Belästigungen und persönlichen Anfeindungen anderer, erklärt ein anderer chinesischer Internetnutzer: "Es ist eine Armee von Momos. Sie sind sehr loyal. Auch wenn ein Momo einen Fehler macht, dann werden alle Momos dafür die Verantwortung übernehmen und sich gegenseitig verteidigen. Sie sind überall."

Es ist eine Versammlung zu Tausenden im Internet, die es auf offener Straße in China so nicht geben könnte. Zumindest ein bisschen anonym, wenn auch nicht ganz.

Eva Lamby-Schmitt, ARD Shanghai, tagesschau, 16.10.2023 06:52 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR2 am Samstagnachmittag am 14. Oktober 2023 um 14:05 Uhr.