Venezuelas Ölminister El Aissami und der Präsident des amerikanischen Ölkonzerns Chevron in Venezuela, La Rosa, schütteln sich die Hände.

USA und Venezuela Krieg und Krise fördern die Annäherung

Stand: 14.12.2022 18:02 Uhr

In kleinen Schritten nähern sich die USA und Venezuela wieder an. Das ermöglicht ein Abkommen zur Ölförderung und zum Ölverkauf. Der neue Pragmatismus hat wenig mit Venezuela selbst zu tun - und steht unter Vorbehalt.

Venezuelas Ölminister Tareck El Aissami und der Präsident des amerikanischen Ölkonzerns Chevron in Venezuela, Javier La Rosa, schütteln sich die Hände - ein symbolträchtiges Bild auf einer Pressekonferenz Anfang Dezember. Chevron darf nach den Lockerungen der US-Sanktionen wieder die Förderung von Öl in Venezuela und dessen Verkauf aufnehmen.

Der venezolanische Wirtschaftswissenschaftler Asdrúbal Olivero führt das auf einen geänderten "internationalen Kontext" zurück. Die russische Invasion der Ukraine habe "das ganze Panorama verändert - sowohl für die Europäer als auch für die USA". 

Washington setze darauf, dass Venezuela sich mit diesem Schritt vom Einflussbereich Russlands entferne. Das sei auch wegen der geographischen Nähe beider Länder wichtig - und wegen des Ölreichtums.

Ölreich - und doch marode

Venezuela gehört zwar zu den ölreichsten Ländern der Welt. Doch viele der Produktionsstätten liegen brach. Die Technik ist marode. Ausreichende Geldreserven für die nötige Wartung der Anlagen hat das südamerikanische Land nie angelegt.

Allerdings habe Chevron trotz der Sanktionen auch während der letzten Jahre Arbeiten durchgeführt, sagt Víctor Alvarez von der Zentralen Universität in Caracas.

Chevron habe sich über die wiederholten Drohungen des früheren Präsidenten Donald Trump hinweggesetzt, dass die USA sich endgültig aus dem Land zurückziehen würden. Das Unternehmen habe so eine ganze Reihe von Lizenzen für Wartungen bekommen, die es Chevron ermöglicht hätten, die eigenen Investitionen im Land zu schützen.

Der Ölkonzern werde dadurch in der Lage sein, seine derzeitige Betriebskapazität von rund 110.000 Barrel kurz- und mittelfristig auf insgesamt rund 235.000 Barrel zu erhöhen - zur Versorgung des US-Markts.

Eine Abmachung, die zeitlich begrenzt ist

Die Lizenz, die Chevron aktuell erteilt wurde, gilt zunächst nur für ein halbes Jahr und kann jederzeit widerrufen werden. Das hänge von den Fortschritten ab, die bei den Gesprächen zwischen der venezolanischen Regierung von Nicolás Maduro und der Opposition gemacht werden, heißt es aus Washington.

Mit dem autoritär regierenden venezolanischen Präsidenten hatten die USA die diplomatischen Beziehungen nach seiner umstrittenen Wiederwahl 2018 abgebrochen. Die Vereinigten Staaten verschärften die Sanktionen gegen ihn immer wieder und erkannten den Oppositionsführer Juan Guaidó als Interimspräsidenten an.

Damit mussten die Vereinigten Staaten mehr Öl aus Russland importieren.

Was der Krieg in der Ukraine bewirkt

Angesichts der Energiekrise, die der Krieg in der Ukraine ausgelöst hat, mache die Regierung von US-Präsident Biden nun einen beachtlichen Schritt auf Maduro zu, so Álvarez.

Die Biden-Administration habe ein Interesse daran, dass der Konflikt in Venezuela möglichst bald durch ordentliche Wahlen gelöst wird, da die Republikaner im US-Kongress nicht zulassen würden, Geschäfte mit einer Regierung zu machen, die die USA nicht anerkennen, erklärt Álvarez:

Die US-Regierung muss die diplomatischen und kommerziellen Beziehungen zu Venezuela normalisieren, was nur mit einer Regierung möglich ist, die transparent und internationalen Standards entsprechend gewählt wurde.

Nur ein erster Schritt?

Gespräche zwischen der Opposition und der Regierung von Nicolás Maduro finden derzeit in Mexiko statt. Die Lockerungen der Sanktionen seien ein erster Schritt und könnten zu weiteren Erfolgen führen, so Asdrúbal Olivero.

Dazu gehöre mehr Wirtschaftswachstum, eine Verbesserung der Menschenrechtssituation und mehr politischer Freiheiten. Von all dem könne in Venezuela derzeit nicht die Rede sein.

Zudem bringe der Regierungsstil Maduros Risiken mit sich - und auch die zeitliche Begrenzung der Konzessionen. Aber die, so Olivero, müssten vielleicht eingegangen werden.

Fest steht: Mit der weltweiten Energiekrise hat Maduro an Verhandlungsspielraum gewonnen.

Anne Demmer, Anne Demmer, ARD Mexiko, 15.12.2022 06:59 Uhr