Rieslingtrauben

Klimawandel Der Riesling mag mehr Kohlendioxid

Stand: 30.09.2023 06:29 Uhr

Der Riesling ist der typische Wein im Rheingau, doch die klimatischen Veränderungen machen den Winzern zu schaffen. Sie probieren bereits andere Rebsorten aus, doch der Riesling zeigt sich resistenter als gedacht.

Von Aylin Dülger und Moritz Zimmermann, hr

Der Riesling ist tot. Es lebe der Riesling. So oder so ähnlich sieht es Winzer Sandro Mohr. Er führt das Weingut im hessischen Rheingau in der sechsten Generation - und der Riesling, das ist hier der Wein, um den es schon immer geht und weiter gehen wird. Für Mohr ist es sogar eine Art Lebensgefühl, weshalb er den elterlichen Betrieb auch weiterführt. "Ideale Bedingungen", sagt der Winzer, seien der Grund dafür, warum sein Weingut zu gut 70 Prozent Riesling anbaut. Doch was sind ideale Bedingungen?

Zur Wahrheit eines Winzers gehört, dass die Natur eine große Rolle spielt. Mal ist es sehr nass, mal sehr trocken, jedes Jahr verläuft anders. Das sind die Winzer gewohnt. Doch seit einigen Jahren ist es grundsätzlicher geworden. "Über das ganze Jahr betrachtet haben wir mehr Sonnenstunden", analysiert Mohr, "was dazu führt, dass der Riesling reifer wird, als er es früher wurde. Wenn es im Sommer heißer wird als 35 Grad, dann leiden die Trauben. Sie können eintrocknen oder eine Art Sonnenbrand entwickeln. Auch Spätfröste sind durch mildere Winter möglich, genauso Starkregenereignisse. Für den Winzer bedeutet das jeweils das Gleiche: Ertragsausfall.

Der Riesling der Zukunft

An der Hochschule Geisenheim werden Gefühl und Wahrnehmung des Winzers mit Daten bestätigt. Der Klimawandel nimmt in den Forschungen der Wissenschaftler eine immer größere Rolle ein. Und dass es mehr Sonnenstunden gibt, stimmt. So liegt der Mittelwert im August eines Jahres in Geisenheim bei 213 Sonnenstunden. Doch bereits seit 1985 wird dieser Wert wesentlich häufiger über- als unterschritten. Eine Tendenz ist klar erkennbar. 2022 gab es in dieser Hinsicht sogar ein Rekordjahr mit 313 Sonnenstunden.

Was das genau mit dem Riesling macht, erforschen Susanne Tittmann und Yvette Wohlfahrt. Beide arbeiten am Institut für allgemeinen und ökologischen Weinbau der Hochschule Geisenheim. Ihre Forschung beschäftigt sich damit, wie es wird, wenn es so weiter geht wie zuletzt. Kurz gesagt, mit der Zukunft des Rieslings. "Wenn wir so hohe Temperaturen haben, kann es schwierig werden", konstatiert Tittmann. Doch ihr Experiment zeigt auch Überraschendes.

Das sogenannte FACE-Experiment simuliert die zukünftige Atmosphäre rund um einige Riesling-Reben. Mit einer Apparatur wird hier mehr CO2 zugeführt, um die errechnete Kohlendioxid-Konzentration des Jahres 2050 zu simulieren. Dann testen die Forscherinnen, wie die Reben darauf reagieren, wie Anbau, Physiologie, Schaderregerbefall und Produktqualität ausfallen. Erstes Fazit: "Die meisten Pflanzen sind happy, wenn sie mehr CO2 bekommen, weil das der Grundbaustein für Photosynthese ist. Und wenn ich viel Photosynthese machen kann als Pflanze, dann kann ich auch viel wachsen", sagt Susanne Tittmann. Die Wissenschaftlerinnen haben dabei explizit die Landbewirtschaftung im Klimawandel im Blick.

Mehr Schatten, mehr Bodenfeuchte

Dabei haben sie bereits jetzt "erhebliche Auswirkungen auf die Produktionssicherheit und die Produktionsbedingungen" festgestellt. Aus ihrer wissenschaftlichen Arbeit leiten die Forscherinnen dann auch jeweils sehr konkrete Handlungsanweisungen und Strategien ab. Da ein Forschungsschwerpunkt auf dem Weinbau in Steillagen liegt, konnten auch die Rheingauer Winzer schon davon profitieren.

Die Weinberge von Sandro Mohr und seinen Kollegen werden bewusst kühl gehalten, indem mehr Schatten und eine erhöhte Bodenfeuchte erzeugt werden. Dafür wurden beispielsweise Flächen zwischen den Weinreben begrünt, so bleibt mehr Feuchtigkeit im Boden. Zudem hilft die Hochschule Geisenheim Winzern dabei kleinere Terrassen in Hanglagen einzuziehen, das soll gegen Erosion helfen.

Wohlfahrt fasst die Arbeit so zusammen: "Langfristig verfolgen wir natürlich das Ziel, dass wir dem Winzer mögliche Anpassungsstrategien vorweisen können, die er dann im Prinzip im Weinberg steuern kann, um natürlich dem Klimawandel so ein bisschen zu trotzen." Sie und ihre Kolleginnen glauben an den Erfolg der Maßnahmen, der Riesling werde nicht aussterben, sondern weiter existieren. Auch Winzer Sandro Mohr ist sich da ziemlich sicher.

Die aktuelle Weinlese ist in vollem Gange. Und sie fällt ausgesprochen gut aus. Mohr meint damit nicht nur die Menge an Weintrauben, er schaut besonders auf die Qualität. "Wir haben eine super Ernte, wir haben reife Trauben und wir haben schöne aromatische Trauben." Da diese reifer werden als früher, verändert sich am Ende auch der Geschmack des Rieslings. Doch Winzer Mohr freut sich darüber, denn jüngere Kunden bevorzugen den "neuen Geschmack" ohnehin. Der Riesling scheint gerettet, vorerst zumindest.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 01. September 2023 um 18:40 Uhr.