Kunden der Deutschen Postbank werden in einer Filiale in Köln bedient.

Übertragung von Kontodaten Hat die Postbank ihre IT-Probleme nicht im Griff?

Stand: 30.06.2023 08:16 Uhr

Millionen Kontodaten der Postbank werden zu Computersystemen des Mutterkonzerns Deutsche Bank übertragen. Das läuft alles andere als glatt: Bei Verbraucherzentralen häufen sich Beschwerden über Ausfälle und Probleme mit dem Konto.

Von Christoph Deuschle, NDR

Am Wochenende müssen Kundinnen und Kunden der Postbank noch einmal Geduld beweisen. Zum vierten Mal werden dann Konten und Verträge von der Postbank zur Deutschen Bank "migriert", wie es im Fachjargon heißt - also übertragen.

Ab heute bis zum kommenden Montag, teilte die Postbank mit, seien Dienste der Bank nur sehr eingeschränkt zu erreichen. Online-Bankgeschäfte etwa per App oder am Computer und auch das Telefon-Banking seien dann nicht möglich. Manche Kundinnen und Kunden indes befürchten, dass der Service-Ausfall bei ihnen auch dieses Mal deutlich länger dauern könnte.   

Peinliche Momente im Restaurant

Zwei Monate - so lange musste etwa Klaus Finke (Name von der Redaktion geändert) aus Nordrhein-Westfalen Mails schreiben und mit wachsamen Augen auf sein Konto bei der Postbank blicken. Denn vor zwei Monaten wanderte sein Konto von den Servern der Postbank auf die der Deutschen Bank, zu der das Institut gehört. Eigentlich sollte er davon gar nichts mitbekommen, außer ein paar Tagen Wartungsarbeiten.

Tatsächlich ging nach der Übertragung offenbar nichts mehr. Weder konnte Finke Zahlungen empfangen oder senden noch Geld abheben oder mit Karte zahlen - sein Konto sei zu einem "Zombie" geworden, sagt er. Das Geld war nicht weg, aber er und seine Frau hätten keinen Zugriff mehr gehabt. "Wir saßen im Restaurant, hatten gut gegessen und wollten dann mit Karte zahlen. Abgelehnt. Auch Bargeld abheben ging nicht. Am Ende mussten wir das Geld von zuhause holen." 

Überweisung klappt nicht, Gebühren sind doppelt erhoben

Mit seinem Problem ist er nicht allein, wie Kerstin Föller von der Verbraucherzentrale Hamburg weiß. Seit Jahresbeginn stehen dort auffallend häufig Menschen mit vergleichbaren Schwierigkeiten vor dem Beratungstresen und suchen Hilfe. "Mal gehen die Überweisungen nicht durch, mal funktioniert die Einzahlung oder das Abheben von Bargeld nicht, mal werden Gebühren doppelt erhoben. Und alle Betroffenen berichten von Problemen dabei, die Postbank überhaupt zeitnah zu erreichen, um ihre Fälle zu lösen", so Föller.

Die Postbank hält dagegen: Man habe die Kapazitäten im Kundenservice erheblich aufgestockt, um allen Kundinnen und Kunden zeitnah Hilfe anzubieten. Wem durch umstellungsbedingte Fehler ein finanzieller Schaden entstanden sei, der solle sich für eine Erstattung an die Bank wenden.  

Die Hamburger Verbraucherschützerin sieht die Bank in der Pflicht. Ein funktionierendes Girokonto sei essenziell für das tägliche Leben und die eigene Existenz. Mietzahlungen, Mobilfunkvertrag, Versicherungen - wenn das Konto streikt, wird es schnell unangenehm für Betroffene.  

"Mehrfach Mietzahlungen nicht ausgeführt"

"Wir haben erst diese Woche einen besonders krassen Fall gehabt, bei dem der Person tatsächlich die Wohnung gekündigt wurde", berichtet David Riechmann von der Verbraucherzentrale in Düsseldorf. "Da sind über Wochen mehrfach die Mietzahlungen über die Postbank angewiesen und trotz Kontodeckung nicht ausgeführt worden."

Aus tagesschau.de vorliegenden Unterlagen geht hervor: Über vier Wochen wurde in diesem Fall insgesamt fünf Mal die Miete für Mai und später auch für Juni angewiesen, doch immer wurden die Zahlungen sofort ohne ersichtlichen Grund vom System storniert. Die Hausverwaltung sprach der Mieterin daraufhin eine fristlose Kündigung aus - Ausgang bisher ungewiss. "Ein Gericht wird in diesem Fall wahrscheinlich die Bank in die Verantwortung nehmen", so der Verbraucherschützer. 

Die Hilfesuchenden kämen seit Jahresbeginn in Wellen, heißt es von den Verbraucherzentralen. Zuletzt war es laut Riechmann in Nordrhein-Westfalen zwar ruhig. Seit kurzem stapeln sich die Hilfegesuche von Kundinnen und Kunden der Postbank aber wieder auf dem Tisch. "Die Postbank macht das ja in Schwüngen, überträgt immer nur einen Teil der Konten", sagt Riechmann. Auch nach einem halben Jahr scheinen die Probleme bei der Übertragung der Konten zumindest für einen Teil der Kundschaft also weiter zu bestehen. 

Bankenaufsicht ist aktiv

Auch bei der Bankenaufsicht BaFin ist die Postbank offensichtlich Thema. Auf Anfrage teilt die Behörde mit, man habe "zahlreiche Beschwerden von betroffenen Bankkunden erhalten" und stehe dazu mit der Bank in engem Kontakt. Hauptprobleme seien die Einwahl in das Mobile- und Online-Banking, Schwierigkeiten bei Pfändungs- und Nachlassangelegenheiten sowie hohe Wartezeiten beim Kundenservice. 

Von denen kann auch Klaus Finke berichten. "Ich war mit meinen Problemen in der Filiale, keiner konnte helfen. Die haben mich dann zur Hotline geschickt, aber da konnte auch niemand das Konto wieder in Gang bringen. Das ging hin und her." Nach Wochen der "Nicht-Zuständigkeiten", wie Finke es nennt, ging ihm die Geduld aus. Er wandte sich direkt an den Vorstand der Postbank - mit Erfolg. Doch selbst der daraufhin eingesetzte Spezialist für die "ganz harten Fälle" kam laut Finke erstmal nicht weiter. 

Die Verbraucherzentrale Hamburg kennt laut Kerstin Föller bisher zwar nur wenige ähnlich schwierige Fälle. Aber die Häufigkeit der Beschwerden an sich sei schon auffällig. "Das sind keineswegs Einzelfälle oder Seltenheiten." 

Postbank sieht nur "kurzzeitige Einschränkungen"

Mit den Schwierigkeiten konfrontiert, teilt die Pressestelle der Postbank schriftlich mit, man habe die "Kundinnen und Kunden frühzeitig auf allen zur Verfügung stehenden Kanälen über Einschränkungen informiert". Es sei lediglich direkt nach den jeweiligen Migrationsschritten, durch hohe gleichzeitige Nutzerzahlen, "zu kurzzeitigen Einschränkungen im Online- und Mobile-Banking" gekommen.  

Zu konkreten Zahlen, wie viele Beschwerden während der Umstellung bei der Postbank eingegangen sind, äußert sich das Geldinstitut nicht. Es sei aber nicht "zu zentralen Störungen oder Ausfällen" gekommen. 

Für das individuelle Kundenvertrauen der Betroffenen dürften die anhaltenden Probleme der Postbank nicht förderlich sein. Bereits jetzt rangiert das Geldinstitut, zusammen mit dem Mutterkonzern Deutsche Bank, laut einer Branchenumfrage des Marktforschers Kantar bei der Kundschaft auf den hinteren Plätzen in puncto Vertrauenswürdigkeit. 

Klaus Finke hat indessen eine klare Meinung, auch wenn sein Konto mittlerweile wieder normal funktioniert. "Wenn die wochenlang, selbst mit extra dafür eingesetzten Problemlösern, ein Konto nicht wieder zum Laufen kriegen, dann wirkt das auf mich hilflos. Als hätten die ihre eigenen Systeme nicht im Griff."