Der Schauspieler Gabriel Basso in einer Szene aus der US-amerikanischen Actionserie "The Night Agent".

Netflix veröffentlicht erstmals Zahlen 812 Millionen Stunden "The Night Agent"

Stand: 13.12.2023 18:45 Uhr

Erstmals veröffentlicht der Streamingdienst Netflix genaue Zahlen dazu, welche Filme und Serien bei den Nutzern besonders beliebt sind. Doch besonders aussagekräftig sind die Daten nicht.

Von Lilli-Marie Hiltscher, ARD-Finanzredaktion

Es ist eine Premiere: Erstmals hat der US-Streaming-Gigant Netflix genauere Daten zu den Zuschauerzahlen offengelegt. Das Unternehmen veröffentlichte heute den Bericht "Was wir schauten", in dem 18.000 Serien und Filme nach der Anzahl der geschauten Stunden aufgelistet sind. Diese 18.000 Produktionen machen laut Netflix 99 Prozent der weltweit auf der Plattform gestreamten Stunden aus.

"Es ist ein großer Schritt für Netflix und unsere Branche", erklärte das Unternehmen. Co-Chef Ted Sarandos sagte vor Journalisten, Netflix habe bislang keine Daten veröffentlicht, "um künftigen Konkurrenten keine Blaupause zu geben". Dies habe aber im Laufe der Zeit "eine Atmosphäre des Misstrauens" geschaffen, darum wolle man nun "transparenter" werden - künftig soll der Bericht, der die Zuschauerzahlen von Januar bis Juni auflistet, alle sechs Monate erscheinen.

Vorwurf der mangelnden Transparenz

Dass Netflix nun erstmals Daten zum Nutzungsverhalten veröffentliche, hält Thorsten Hennig-Thurau, der an der Universität in Münster den Lehrstuhl Marketing und Medien leitet, für einen ersten Schritt in die richtige Richtung: "Gerade für Kreative ist es enorm wichtig, dass sie wissen, wie viele Zuschauer ein Film, eine Serie oder ein Comedy-Programm hat, an denen sie mitgewirkt haben. Nur so können sie erfolgreiche Verhandlungen über Erfolgsbeteiligungen bei ihren Gagen führen. Dasselbe gilt für diejenigen, die Programme produzieren und deren Geschäftsmodell oft darauf ausgerichtet ist, einzelne große Hits zu schaffen, deren Erfolg dann andere Flops ausgleicht."

Immer wieder war dem Streaming-Riesen mangelnde Transparenz vorgeworfen worden. Zuletzt hatte etwa der deutsche Comedian Felix Lobrecht in seinem Podcast "Gemischtes Hack" Netflix kritisiert. Er hatte in den Verhandlungen zur Veröffentlichung seines neuen Programms "All you can eat" keine Informationen darüber erhalten, wie gut sein vorheriges Programm "Hype" auf der Streaming-Plattform gelaufen sei.

Auch in Hollywood stieß die Verschwiegenheit von Netflix zunehmend auf Unmut: Denn bislang hatten auch Drehbuchautoren und Schauspieler keinen Zugriff auf die Zuschauerzahlen. Sie erhielten für Produktionen bisher stets ein Festgehalt von den Streamern wie Netflix - unabhängig davon, wie hoch die Zuschauerzahl war, erklärt Hennig-Thurau im Gespräch mit tagesschau.de. Diese fehlende Transparenz war einer der Gründe, warum in Hollywood Drehbuchautoren und Schauspieler monatelang gestreikt hatten.

Bessere Verhandlungsbasis für Künstler

Nun wird die Verhandlungsbasis der Kreativen gestärkt - anhand der veröffentlichten Liste könnten sie höhere Gagen aushandeln. Und gleichzeitig setzt es die Konkurrenten von Netflix im Streaming-Geschäft unter Druck, sagt Hennig-Thurau gegenüber tagesschau.de: "Konkurrenten wie Disney oder HBO werden über kurz oder lang ebenfalls Zahlen veröffentlichen müssen." Würden sie es nicht tun, so Hennig-Thurau, würden Künstler künftig Netflix als Paradebeispiel für Transparenz anführen - und Filme und Serien bei Netflix denen der weniger transparenten Streaming-Konkurrenz vorziehen.

Auch wenn die heute veröffentlichten Daten nur bedingt aussagekräftig seien, urteilt Hennig-Thurau. Denn Netflix hat heute nur Zahlen dazu veröffentlicht, wie viele Stunden eine einzelne Serie oder ein Film weltweit gestreamt wurde: "Die Daten sagen nichts darüber aus, in welcher Region der Welt eine Produktion besonders beliebt war, wie erfolgreich sie im Verhältnis zu den Kosten war oder wie hoch die Abbruchquote war."

Globale Streaming-Stunden veröffentlicht

Dass derzeit nur veröffentlicht wird, wie viele Stunden eine Produktion global gestreamt wurde, hat aus Sicht des Experten auch Gründe: "Beginnen die anderen Streaming-Anbieter damit, ihre Daten ebenfalls zu veröffentlichen, können sie im Vergleich mit Netflix eigentlich nur verlieren. Denn kein anderer Streaming-Dienst ist aktuell global so mächtig wie Netflix."

Beispiel HBO: Das 1972 gegründete Unternehmen, das unter anderem die Serie " The Last of Us" produziert, kann derzeit nur in den USA gestreamt werden. Logisch, dass dort die Streaming-Stunden deutlich unter denen von Netflix liegen dürften.

Meistgestreamter Film: "The Mother"

Und dennoch: Schauspieler wie Gabriel Basso, der die Hauptrolle in "The Night Agent" spielt, haben künftig eine bessere Verhandlungsbasis. Denn "The Night Agent" ist die Nummer eins der meistgesehenen Filme und Serien im ersten Halbjahr 2023 mit 812 Millionen Stunden. Die Serie ist eine Adaption des 2019 erschienen gleichnamigen Romans von Matthew Quirk. Bereits wenige Tage nach dem Start der ersten Staffel kündigte Netflix an, dass es eine zweite Staffel geben werde.

Auf vorderen Plätzen der heute veröffentlichten Liste finden sich außerdem die Serien "Wednesday", "You" oder "Queen Charlotte: Eine Bridgerton-Geschichte". Damit setzt "Wednesday", das im November veröffentlichte Spin-off der Addams Family, das die Teenagerin Wednesday Addams beim Lösen einer Grusel-Mord-Serie begleitet, seinen Erfolg fort. Denn bereits in den ersten vier Wochen wurde sie Netflix zufolge in fast 176 Millionen Haushalten gestreamt.

Filme finden sich unter den Top Ten allerdings nicht - aus gutem Grund, erklärt Experte Hennig-Thurau im Gespräch mit tagesschau.de: "'The Night Agent' ist eine Serie, die in der ersten Staffel aus zehn Folgen mit je rund 45 Minuten Länge besteht. Einen Film, der etwa zwei Stunden dauert, müssten sie mindestens vier Mal schauen, um auf die gleiche Länge zu kommen." Vergleichbar sei das also nicht. Der meistgestreamte Film - "The Mother" - schaffte es mit fast 250 Millionen geschauten Stunden gerade einmal auf Platz 14 der Liste. Der Film von Niki Caro, der im Mai dieses Jahres veröffentlicht wurde, ist eine Eigenproduktion von Netflix, mit Jennifer Lopez in der Hauptrolle.

Top Ten der Netflix-Streams, Januar bis Juni 2023
Titel Angesehene Stunden (in Millionen)
The Night Agent: Staffel 1 812
Ginny & Georgia: Staffel 2 665
The Glory: Staffel 1 623
Wednesday: Staffel 1 508
Queen Charlotte: A Bridgerton Story 503
You: Staffel 4 441
La Reina del Sur: Staffel 3 430
Outer Banks: Staffel 3 403
Ginny & Georgia: Staffel 1 302
FUBAR: Staffel 1 266