Der Schriftzug "frankfurt hahn airport" leuchtet auf einem Flughafengebäude.
FAQ

Regionalflughafen Frankfurt-Hahn Widerstand gegen Verkauf an Oligarchen

Stand: 07.02.2023 17:58 Uhr

Gläubiger haben sich vorerst gegen einen Verkauf des Regionalflughafens Frankfurt-Hahn an einen russischen Investor entschieden. Endgültig geplatzt ist das Geschäft noch nicht. Nun ist die Bundesregierung am Zug.

Für den Regionalflughafen Frankfurt-Hahn im Hunsrück einen Eigentümer zu finden, gestaltet sich schwierig. Eine Gläubigerversammlung entschied sich heute vorerst gegen einen Verkauf des Flughafens an den russischen Investor Viktor Charitonin. An dem geplanten Geschäft hatte es zuvor viel Kritik gegeben. Betroffen sind davon eine Belegschaft von etwa 450 Menschen und Dienstleister wie Hoteliers oder Flugzeugtechniker, die im Umfeld des Flughafens Geld verdienen.

Widerstand gegen Verkauf von Flughafen Hahn an russischen Oligarchen

Lucretia Gather, SWR, tagesschau 17:00 Uhr

Was hat die Gläubigerversammlung entschieden?

Einen Kaufvertrag mit dem russischen Oligarchen Charitonin hat die Gläubigerversammlung von vier Hahn-Tochtergesellschaften am Amtsgericht Bad Kreuznach vorerst abgelehnt. Wer den Zuschlag erhalten solle, sei nicht entschieden worden, sagte Insolvenzverwalter Jan Markus Plathner. Es gebe allerdings neben der Mainzer Firmengruppe Richter noch zwei weitere Interessenten, die als Käufer in Betracht kämen.

Aus dem Rennen ist Charitonin damit noch nicht. Sollte das Bundeswirtschaftsministerium keine Einwände gegen den Verkauf an ihn haben, könnte die Gläubigerversammlung neu entscheiden.

Wer ist Viktor Charitonin?

Denn bei dem potenziellen Hahn-Käufer "NR Holding" handelt es sich um ein Unternehmen im Besitz des Haupteigentümers der Rennstrecke Nürburgring, dem Milliardär Charitonin. Dem 50 Jahre alten Russen werden beste Kontakte in den Kreml nachgesagt, was zahlreiche Staatsaufträge für unterschiedliche Arzneimittel untermauern. So soll Charitonins Unternehmen auch der größte Hersteller des russischen Covid-Impfstoffes Sputnik V sein.

Gegen Charitonin gelten keine EU-Sanktionen in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Das US-Finanzministerium führt Charitonin allerdings auf seiner sogenannten Putin-Liste, die führende Mitglieder der russischen Regierung und russische Oligarchen listet.

Was macht Hahn attraktiv?

Ein Flughafen mitten in Deutschland, in Europa - in der Hand eines Putin-Getreuen? 20 Millionen Euro soll der Deal dem Pharmamogul wert sein. Die Nachrichtenagentur dpa berichtet, Charitonin habe die Summe bereits auf einem sogenannten Notaranderkonto hinterlegt.

Bekannt ist Charitonins Leidenschaft für Oldtimer und seine Scheu vor der Öffentlichkeit. Der Flughafen Frankfurt-Hahn liegt der Rennstrecke Nürburgring am nächsten, lässt sich mit Hubschrauber schnell erreichen, ohne wie in Frankfurt selbst oder Köln/Bonn große Aufmerksamkeit befürchten zu müssen. Der amerikanische Unternehmer Elon Musk nutzte diese Vorzüge bereits.

Das größte Plus von Hahn: Der Flughafen hält eine uneingeschränkte Betriebsgenehmigung und damit auch eine Nachtflugerlaubnis. Das ermöglicht mehr Flexibilität - für Charitonin allein oder auch für den Passagier- und Frachtflugverkehr.

Von Franzosen begonnen, von den Amerikanern fortgeführt, war der Flughafen wegen seiner geografisch und topografisch günstigen Lage bis in die 1990er-Jahre ein Militärflughafen mit seinen üblichen Bauten. Dazu verfügt er auch über ein Allwetter-Landesystem sowie eine Start- und Landebahn von fast vier Kilometern Länge. Das macht auch Besuche der russischen Antonov An-124 möglich - ein Transportflugzeug für Güter, aber auch für Streitkräfte.

Welche Rolle spielt das Bundeswirtschaftsministerium?

Nach der Außenwirtschaftsverordnung kann das Bundeswirtschaftsministerium Investitionen von außerhalb der EU in deutsche Unternehmen prüfen und diese untersagen, wenn sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden - muss es aber nicht.

Auf tagesschau.de-Anfrage verwies ein Sprecher des Ministeriums auf das Geheimhaltungsgebot bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - und auf den potenziellen Käufer. Dessen Aufsichtsratsvorsitzender wiederum gibt an, einen Antrag auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gestellt zu haben. Der liege dem Ministerium bereits seit mehr als drei Wochen vor. Bemerkenswert: Von sich aus werde das Ministerium nicht aktiv, erklärt der Sprecher, "nur nach Hinweisen von außen".

Die Regierungspressekonferenz am Montag erweckte den Eindruck, die Prüfung des Hahn-Verkaufs sei eine "heiße Kartoffel", die von einem Ministeriumssprecher zum nächsten geworfen wird: Flughäfen seien nicht grundlegend kritische Infrastruktur, hieß es dort; die europäische CER-Richtlinie, die Flughäfen als kritische Infrastruktur vorschlägt, werde erst im Laufe des Jahres in einem Bundesgesetz ausgearbeitet. Das Auswärtige Amt habe wie kürzlich in Zusammenhang mit dem Hamburger Hafen und einem chinesischen Investor zwar eine Meinung auch zum Verkauf eines Flughafens an einen russischen Investor, "aber keine, die berichtet werden kann". Auch wenn Flughäfen mitten in Deutschland liegen, sei die Aufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes für sie zuständig, nicht der Bund.

Wie reagieren die betroffenen Länder?

Von den beiden betroffenen Bundesländern fallen die Reaktionen unterschiedlich aus: Rheinland-Pfalz zieht sich darauf zurück, es sei am Ausschreibungsverfahren nicht beteiligt. Hessen allerdings, das 17,5 Prozent der Anteile am Flughafen Hahn hält, sieht den möglichen Verkauf auf Anfrage von tagesschau.de "äußert kritisch", wie ein Sprecher mitteilt: "Wir bitten die Bundesregierung, die gemäß des Außenwirtschaftsgesetzes mit der Prüfung des Vorgangs betraut ist, all ihre Möglichkeiten auszuloten, diesen Verkauf zu verhindern." Es sei ein entsprechendes Schreiben des Landesfinanzministers an den Bund "in Vorbereitung". Damit wären jene Hinweise, die das Bundeswirtschaftsministerium zur Investitionsprüfung veranlassen müssten, offensichtlich gegeben.

Noch bevor jenes Schreiben fertig aufgesetzt ist, erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck während seiner USA-Reise: "Wir screenen das gerade." Dies werde immer getan, wenn es Sorge gebe, kritische Infrastruktur könnte potenziell berührt werden, so Habeck. Im Detail könne er noch nicht darüber reden, sagte der Grünen-Politiker. Aber: "Das dauert jetzt ein paar Wochen. Es gibt keine Tendenz."

Warum floppte Frankfurt-Hahn bisher?

Hellhörig sollte dabei die Historie des Flughafens machen. Statt Top-Immobilie erschien der Flughafen bisher eher als Ladenhüter: 2007 nannten die Betreiber ein Ziel von zehn Millionen Passagieren im Jahr, über vier Millionen kamen sie nie hinaus - bis zur Corona-Pandemie befand sich das Passagier- und Frachtaufkommen meist im Sinkflug. Dafür hoben die Schulden ab. Die eigene Geschäftsführung attestierte 2013 ihrem Unternehmen ein "nicht zukunftsfähiges Geschäftsmodell".

Jahrelang versuchte deshalb das Land Rheinland-Pfalz, seinen Mehrheitsanteil loszuwerden. Pläne, die Infrastruktur an den landeseigenen Mobilitätsbetrieb zu verkaufen und anschließend zurückzuleasen, untersagte die EU. Für die Landesregierung eine peinliche Luftnummer, in Zusammenhang mit Hahn aber nicht die peinlichste: 2016 ging der damalige Landesinnenminister das Geschäft mit chinesischen Investoren ein, die sich später als Betrüger herausstellten.

Ein Jahr später zahlte der chinesische Mischkonzern HNA mit vermuteten Anteilseignern in den Kadern der Kommunistischen Partei zwar 15 Millionen Euro. Doch vor zwei Jahren meldete auch dieser Hoffnungsträger Insolvenz an, ein halbes Jahr darauf der Flughafen Hahn selbst. Der nächste Käufer - die Frankfurter Swift Conjoy - zahlte erst gar nicht den vereinbarten Kaufpreis.

Gibt es eine Alternative?

Sollte das Bundeswirtschaftsministerium bei der Prüfung nach der Außenwirtschaftsverordnung den Deal nicht genehmigen, hat der Hahn-Insolvenzverwalter offensichtlich einen zweiten Kaufvertrag in petto. Das ist bei solchen Geschäften nicht unüblich: Wenn der Deal mit Bieter A platzt, hat man zwar einen weniger hohen Kaufpreis, aber schon einen Vertrag mit Bieter B sicher.

Hier könnte der Mainzer Geschäftsmann Wolfram Richter mit seinem Immobilienentwickler WR Holding zum Zuge kommen. Das Unternehmen baut Wohnungen und Geschäftsräume. Zu den bekanntesten Projekten zählt die Entwicklung des "Rhein-Selz-Parks", einer ehemaligen US-Kaserne. Das Geld sei bereits überwiesen, heißt es von der WR Holding.

Sabine Geipel, SWR, 07.02.2023 19:10 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR 1 am 07.02.2023 um 9.00 Uhr