Görtz-Filiale in Hamburg
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Insolvente Modeketten Wen die Pleitewelle besonders getroffen hat

Stand: 30.09.2023 07:11 Uhr

Dutzende Schuh- und Modehändler sind in diesem Jahr in die Pleite gerutscht. Die Kette Görtz versucht nach der Insolvenz den Neustart. Ihr Fall zeigt, welche Einzelhändler gerade besonders kämpfen müssen.

Von Anke Heinhaus, hr

Die Krisen der vergangenen Jahre haben viele Einzelhändler schwer getroffen. Corona-Pandemie und Inflation ließen die Konsumlaune und damit die Einnahmen sinken. In diesem Jahr meldeten mehr als 85 Modeunternehmen Insolvenz an, waren nicht mehr zahlungsfähig: zum Beispiel Galeria Karstadt Kaufhof, Hallhuber, Gerry Weber, JakoO oder Madeleine - das sind vor allem Unternehmen aus dem Mittelpreissegment.

Auf der Frankfurter Zeil, nach Umsatz immerhin Deutschlands Einkaufsstraße Nummer 4, ist das aktuell nicht zu übersehen. Reihenweise Geschäfte sind geschlossen, Türen abgeklebt, Schilder angebracht. Nicht bei jedem Geschäft wurden alle Spuren des vorherigen Mieters entfernt. So hängt beispielsweise über einem Laden für Dekoartikel noch das alte Schild des Schuhhändlers Görtz. Doch der ist von der Zeil verschwunden.

Sanierung in Eigenverantwortung

Görtz hatte im September 2022 ein Schutzschirmverfahren für die Dachgesellschaft Ludwig Görtz GmbH sowie ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung für die operativen Töchter Görtz Retail GmbH und Görtz Logistik GmbH beantragt. Als Gründe für die Zahlungsunfähigkeit nennt Görtz den Ukraine-Krieg, steigende Energiepreise und die hohe Inflation, die zu "enormer Kaufzurückhaltung in den Filialen und im Onlinegeschäft" geführt hätten.

Insolvenz ist aber nicht gleich Insolvenz. Vor allem größere Firmen wie Görtz versuchten, mit abgewandelten Formen wie Insolvenz in Eigenverwaltung ihre Unternehmen zu retten. Dagegen stehe die Regelinsolvenz eher für den Verkauf oder die Auflösung eines Unternehmens, erklärt Sebastian Knapp, Experte für Insolvenzrecht. Die Geschäftsführung bleibt hierbei im Amt und setzt die im Insolvenzplan vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen um. Sie kann auch im laufenden Insolvenzverfahren weiter über das Firmenvermögen verfügen. Den Ablauf muss allerdings ein sogenannter Sachwalter kontrollieren, damit alles mit rechten Dingen zugeht und das Unternehmen auf Kurs bleibt.

Voraussetzung für die Sanierung in Eigenverantwortung sei eine stimmige Planung, führt Knapp weiter aus. "Eine Eigenverwaltungsplanung besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten: erstens einem Finanzplan und zweitens einer Sanierungskonzeption. Im Rahmen des Finanzplans müssen die Verantwortlichen aufzeigen können, dass ein Unternehmen unter Insolvenzbedingungen mindestens sechs Monate durchfinanziert ist, im Rahmen der Sanierungskonzeption müssen konkrete Maßnahmen für die Umsetzung des Sanierungsplans vorgelegt werden."

Vage Aussagen über Zukunftspläne

Der Schuhhändler Görtz hat es geschafft, wagt jetzt einen Neustart. Die angemeldeten Schulden sind damit erlassen. Statt der Familie Görtz waltet bei dem 150 Jahre alten Traditionsunternehmen nun die Firma CK Technology Solutions GmbH über den Schuhhändler. Hinter dem Namen steckt der Polo-Spieler und Kaufmann Bolko Kissling.

Doch wie lautet sein Plan? Wie möchte er das Unternehmen weiterführen? Die Aussagen bleiben sehr vage und intransparent. Auf Nachfrage heißt es: "Die neuen Görtz Konzepte 'Görtz Lifestyle' und 'Görtz Boutique' bespielen klare und voneinander getrennte Segmente. Hier wird es neue Produktlinien und neue Produkte geben." So will Görtz künftig auch Textilien anbieten, auch Überlegungen zu einem Lieferdienst sind im Gange.

Mehr als hundert Görtz-Filialen geschlossen

Wie das neue Gesicht von Görtz aussieht, ob geschlossene Filialen wieder eröffnet werden, steht allerdings in den Sternen. Die Insolvenz hat beim Traditionshändler Spuren hinterlassen. Über einhundert Filialen mussten schließen, etliche Mitarbeiter wurden entlassen.

Damit steht Görtz beispielhaft für einen allgemeinen Trend. Gerade die Anbieter im mittleren Preissegment haben zu kämpfen. "Billig" funktioniert, das belegen die weiter geöffneten und gut besuchten Filialen der Konkurrenten Primark und Deichmann. Wer etwas teurer ist, hat zu kämpfen; so sind etwa auch Reno, Sidestep und Salamander verschwunden.

Wenn es richtig teuer wird, geht das Geschäftsmodell hingegen weiter auf. Die Filiale des Luxusschuhgeschäfts Ludwig Reiter bietet seit Jahrzehnten ihre Schuhe an - allerdings kosten die eben zwischen 379 und knapp 2.000 Euro.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste im Wirtschaftsmagazin "Plusminus" am 07. Juni 2023 um 21:45 Uhr.