Ermittler des National Transportation Safety Board untersucht den Türrahmen einer Boeing 737-9 MAX

Unterlagen fehlen Die nächste Volte im Boeing-Skandal

Stand: 14.03.2024 09:18 Uhr

Ein toter Whistleblower, überschriebene Videos und nun auch noch angeblich unauffindbare Unterlagen: Der Flugzeugbauer Boeing stürzt immer tiefer in die Krise. Die Unfallermittlungsbehörde NTSB ist alarmiert.

Ist der Ruf erst ruiniert: Kaum ein Tag vergeht derzeit ohne eine neue Hiobsbotschaft aus dem Hause Boeing. Nach dem Beinahe-Unglück einer Boeing 737 MAX 9 der Fluggesellschaft Alaska Airlines wegen eines herausgerissenen Rumpfteils im Januar zieht die Krise bei dem US-Flugzeugbauer immer weitere Kreise.

Fehlende Dokumentation bei Boeing

Nun wurde bekannt, dass der Flugzeugbauer keine Unterlagen zu den Arbeiten an dem Fragment hat. Die Unfallermittlungsbehörde NTSB betonte gestern, sie wisse bis heute nicht, wer im Boeing-Werk Renton das Rumpfteil abgenommen und wieder angebracht habe. Der Konzern könne keine Dokumentation dazu finden. Auch Boeing-Chef Dave Calhoun habe gesagt, der Flugzeugbauer habe keine Unterlagen darüber, schrieb NTSB-Chefin Jennifer Homendy in einem Brief an den Verkehrsausschuss des US-Senats.

Homendy war vor wenigen Tagen in einer Anhörung im US-Senat auferlegt worden, schriftlich zu berichten, ob Boeing Unterlagen zu den Arbeiten am Rumpfteil liefere. Im Flugzeugbau ist es eigentlich üblich, Arbeitsschritte ausführlich zu dokumentieren. Die NTSB geht nach ersten Untersuchungen davon aus, dass vier Befestigungsbolzen an dem Rumpfteil gänzlich fehlten. Es gebe Hinweise darauf, dass das Fragment immer weiter hochgerutscht sei, bis es dann beim 154. Flug der Maschine herausbrach, erklärte NTSB-Chefin Homendy.

Video zu Unglücks-737-MAX-9 überschrieben

Die NTSB hatte auch gehofft, über Aufzeichnungen von Sicherheitskameras mehr über die Arbeiten an dem Rumpfteil zu erfahren. Homendy betonte, man habe die Aufnahmen der Sicherheitskameras zum Zeitpunkt der Arbeiten im September angefordert. Boeing habe daraufhin mitgeteilt, diese seien überschrieben worden. Es sei daher weiter unklar, wer an der fehlerhaften Kabinenwand gearbeitet habe, so Homendy. "Das Fehlen dieser Aufzeichnungen wird die weiteren Ermittlungen des NTSB erschweren."

Der Konzern verwies gestern darauf, dass die Aufzeichnungen nach 30 Tagen automatisch von neuen Mitschnitten überspielt würden - und die Maschine sei im September im Werk gewesen und im Oktober ausgeliefert worden.

Maschine sollte am selben Tag noch zur Inspektion

Zuletzt waren immer neue Details zu der Unglücksmaschine ans Licht gekommen. So berichtete die "New York Times" in dieser Woche, dass die Maschine noch am Abend desselben Tages zu einer Sicherheitsüberprüfung sollte. Hintergrund waren Probleme mit dem Kabinendrucksystem; Ingenieure und Techniker der Airline wollten das Flugzeug daher aus dem Verkehr nehmen und umfangreich durchchecken.

Bereits zu Wochenbeginn hatte die "New York Times" über dutzendweise Produktionsprobleme bei der Boeing 737 MAX berichtet. Bei umfangreichen Sicherheitsprüfungen der US-Luftfahrtbehörde FAA an der 737 MAX sei Boeing bei mehr als einem Drittel der Tests durchgefallen.

Boeing fiel bei 33 von 89 Tests durch

Bei der Untersuchung des Produktionsprozesses, die nach dem Abriss einer Kabinenwand während eines Fluges eingeleitet worden war, habe der Airbus-Rivale 33 von 89 Tests nicht bestanden, berichtete die Zeitung. Bei der umfassenden Überprüfung sei Boeing auch bei dem Test durchgefallen, bei dem es um die Türpfropfen des geborstenen Bauteils ging.

Bei dem Zwischenfall mit einer so gut wie neuen Boeing 737 MAX 9 der US-Fluggesellschaft Alaska Airlines war kurz nach dem Start im Steigflug ein Rumpf-Fragment an der Reihe 26 herausgebrochen. Die mehr als 170 Menschen an Bord kamen weitgehend mit einem Schrecken davon. Experten verwiesen aber auch darauf, dass durch einen glücklichen Zufall die beiden Sitze in der Nähe des Lochs im Rumpf leer geblieben waren und das Flugzeug noch in relativ geringer Höhe war.

Boeing-Whistleblower tot

Die Produktionsqualität bei Boeing wird von Experten bereits seit Jahren in Frage gestellt. Zu den Kritikern gehörte auch der John Barnett, der bei Boeing als Qualitätsmanager arbeitete, bevor er das Unternehmen 2017 verließ. Seitdem teilte er seine Sorgen über aus seiner Sicht mangelhafte Zustände in der Produktion der Boeing-Maschinen mit Journalisten.

Am Dienstag war der ehemalige Boeing-Manager tot aufgefunden worden. Der 62-jährige Barnett habe sich vor einem Hotel im Bundesstaat South Carolina vermutlich selbst getötet, teilte die Polizei in Charleston mit und verwies auf "die weltweite Aufmerksamkeit", die der Whistleblower erregt habe.