Deutscher Arbeitsmarkt Ukraine-Flüchtlinge stoßen auf Probleme
Fünfzehn Monate nach Kriegsbeginn sieht die Bundesagentur für Arbeit Fortschritte bei der Integration ukrainischer Geflüchteter in den Arbeitsmarkt. Hindernisse gibt es aber noch immer - sogar für qualifizierte Bewerber, die schon Deutsch sprechen.
Noch darf Kateryna Sikorska nur unter Aufsicht in der Nürnberger Apotheke arbeiten. Gemeinsam mit dem Filialleiter steht die Ukrainerin an einem der Verkaufstresen und bedient eine Kundin.
Im Juni vergangenen Jahres wurde die 37-Jährige als Apothekenhelferin in Teilzeit eingestellt - obwohl sie in der Ukraine Pharmazie studiert und bereits jahrelang als Apothekerin gearbeitet hat. Als sie nach Kriegsausbruch mit Tochter und Mutter hierher geflohen ist, sprach sie kein Deutsch.
Fachkräftemangel auch in Apotheken
Im Mai 2022, erzählt Sikorska, habe sie sich auf der Webseite der Arbeitsagentur registriert und sofort Stellenangebote bekommen. Sie habe ihren Lebenslauf an einen Apotheker geschickt und wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Die Apotheke hat sie umgehend eingestellt, auch ohne Deutschkenntnisse. Am Anfang habe man eben Englisch gesprochen, sagt Kai Früh, Filialleiter der Medicon-Apotheke in Nürnberg.
Er begründet die schnelle Entscheidung für die ukrainische Bewerberin damit, dass die Apotheke schon zuvor Erfahrungen mit Anerkennungsprozessen gemacht habe. Es sei zwar ein langer Weg, aber man habe am Ende eben eine erfahrene Apothekerin, die sofort voll einsetzbar sei. Zudem bringe sie auch noch Sprachkenntnisse mit - Russisch und Ukrainisch - und könne bei Bedarf für Kunden übersetzen.
Voraussetzungen für ausländische Fachkräfte
Um in Deutschland als Apotheker oder Apothekerin arbeiten zu können, sind Deutschkenntnisse erforderlich - sowie zusätzlich berufsbezogene Sprachkenntnisse. Auch müssen die im Ausland erworbenen Abschlüsse geprüft und anerkannt werden. In Bayern ist für Apothekerinnen und Apotheker die Regierung von Oberbayern zuständig. Für Ärzte wiederum die Bayerische Landesärztekammer.
Im Jobcenter der Stadt Nürnberg gibt es derzeit 350 gut ausgebildete Ukrainerinnen, die ergänzende, berufsbezogene Sprachkurse machen, um ihrer Ausbildung gemäß beschäftigt zu werden. Das Problem: Die Anerkennung der Abschlüsse dauert.
Schleppende Anerkennung ausländischer Abschlüsse
Den Erfahrungen des Nürnberger Jobcenters zufolge verläuft die Anerkennung ausländischer Abschlüsse schleppend. Die wenigen ukrainischen Übersetzer hätten alle Hände voll zu tun, so Renata Häublein, die Geschäftsführerin des Jobcenters Nürnberg-Stadt.
Eigentlich lägen die gesetzlich vorgeschriebenen Fristen bei drei Monaten, die ein Anerkennungsverfahren dauern sollte, sagt Häublein, aber sie mache die Erfahrung, dass es gerade in den reglementierten Berufen im Moment bis zu einem halben Jahr oder sogar sieben Monate dauern könne.
So lange bekommt Kateryna Sikorska vom Jobcenter "aufstockendes" Bürgergeld. Dabei wird ihr Verdienst als Apothekenhelferin angerechnet. Sie bleibt aber dennoch im Leistungsbezug, weil sie zu wenig verdient, um davon leben zu können. Auch Kranken- und Pflegeversicherung, Miete und Heizkosten werden übernommen.
Bundesagentur zieht Vermittlungsbilanz
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges sind nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Million Menschen nach Deutschland gekommen. Aktuell betreuen Agenturen und Jobcenter 480.000 erwerbsfähige Ukraine-Flüchtlinge.
Nach Auffassung des BA-Vorstands Daniel Terzenbach wird man nicht alle aus der Ukraine geflohenen Menschen schnell in den Arbeitsmarkt integrieren können. Fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, geringe Deutschkenntnisse oder auch traumatisierende Erlebnisse bei der Flucht ließen Erwerbstätigkeit häufig nicht direkt zu, so Terzenbach.
Dennoch hatten laut Bundesagentur im März dieses Jahres mehr als 100.000 ukrainische Geflüchtete einen Arbeitsplatz: 80.000 als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, 25.000 als Minijobber. Um die Wartezeit auf die Anerkennung ausländischer Qualifikationen zu verkürzen, hält Terzenbach es für sinnvoll, einige zentrale Anerkennungsstellen mit der Aufgabe zu betrauen. Momentan seien zu viele unterschiedliche Stellen in unterschiedlicher Intensität damit befasst, so der BA-Vorstand. Das verzögere den Prozess.
Warten auf das "Okay"
Noch immer wartet die ukrainische Apothekerin Kateryna Sikorska auf die Anerkennung ihrer Qualifikation. Solange ihr diese fehlt, kann die Apotheke sie nur als Apothekenhelferin beschäftigen. Im Moment arbeitet sie in Teilzeit, vier Tage pro Woche für fünf Stunden. Im Anschluss an die Arbeit besucht sie einen mehrstündigen Deutschkurs.
Die 37-jährige ist sehr motiviert. Sie hat sich schnell in die deutsche Sprache eingearbeitet. Inzwischen spricht sie bereits recht gut Deutsch und macht im September ihre B2-Abschlussprüfung. Danach muss sie einen weiteren, berufsbezogenen Sprachkurs absolvieren.
Zum Jahresende hofft Kateryna Sikorska auf die Anerkennung ihres ukrainischen Universitätsabschlusses und ihrer Berufsjahre als Apothekerin in der Ukraine durch die Regierung von Oberbayern. Sie möchte sobald wie möglich ihrer Qualifikation entsprechend arbeiten und bezahlt werden. Denn natürlich hat sich ihre finanzielle Situation durch die Flucht nach Deutschland gravierend verschlechtert. Bis es soweit ist, muss sie ihren Teilzeitjob mit Bürgergeld aufstocken.