"Haß-Mann" Schibu

Ex-Chef der Metallgesellschaft Heinz Schimmelbusch ist zurück

Stand: 31.03.2023 16:53 Uhr

Die Metallgesellschaft war einer der größten deutschen Konzerne, bis er vor drei Jahrzehnten in die Krise rutschte und zerschlagen wurde. An der Spitze damals: Heinz Schimmelbusch, zuvor noch "Manager des Jahres". Was macht er heute?

Sogar zwei Herren von der Deutschen Bank sind zum "Capital Markets Day" der Firma AMG nach Frankfurt am Main gekommen. AMG-Vorstandsvorsitzender Heinz Schimmelbusch hat geladen; fünfzig Leute aus der Investorenwelt sind erschienen.

Hals über Kopf geflohen

Vor dreißig Jahren war Schimmelbusch Hals über Kopf aus Frankfurt geflohen, verfolgt von Schadenersatzforderungen und Untreuevorwürfen der Deutschen Bank, die Großaktionärin und Hausbank der Metallgesellschaft war und den Aufsichtsratsvorsitzenden stellte.

Bis dahin war "Schibu", wie er auch genannt wurde, als Chef der Metallgesellschaft einer der Häupter der deutschen Industrie gewesen. Als die wegen ungesicherter Termingeschäfte kurz vor der Pleite stand, wurde die Verantwortung Schimmelbusch und seinem Finanzchef angelastet. Beide bestritten stets eine Schuld.

So berichtete die "Bild"-Zeitung 1994 über Schimmelbusch.

So berichtete die "Bild"-Zeitung 1994 über Heinz Schimmelbusch.

Unterschlupf bei der Mutter

Zunächst setzte sich Schimmelbusch nach New York ab. Die "Bild"-Zeitung fotografierte ihn auf der Straße und titelte: "Er ruinierte Frankfurts Metallgesellschaft: Der Hass-Mann". Wochen später war Schimmelbusch in seiner Heimatstadt Wien, wo er bei der Mutter wohnte.

Seinerzeit berichtete er, er habe zunächst ohne Kontozugang und Kreditkarte dagestanden, sei von Freunden unterstützt worden. Am Rande des "Capital Markets Day" seines Privatunternehmens AMG sagt er nun, seinen Wohnsitz in Frankfurt nie aufgegeben zu haben. Doch ließ er sich Jahre und Jahrzehnte nicht blicken.

"Wir wollen nicht von Flucht reden"

Ab 1994 wurde das Milliarden-Fiasko der Metallgesellschaft unter dem Sanierer Kajo Neukirchen aufgearbeitet. Am Ende stand die Zerschlagung eines der bedeutendsten Industriekonzerne des Landes. Vom traditionsreichen Gebäude aus der Gründerzeit ist nur noch die denkmalgeschützte Fassade geblieben.

Drei Jahre nach Schimmelbuschs Abgang ("Wir wollen nicht von Flucht reden. Es war eine rationale Überlegung") wurde ein Vergleich geschlossen. Beide Seiten zogen ihre zahlreichen Klagen und Widerklagen zurück. Der erst Tage vor der Pleite verlängerte Vorstandsvertrag endete vorzeitig, und Schimmelbusch bekam noch anderthalb Millionen Mark. Ein weiteres Jahr später zahlten er und sein Finanzvorstand 900.000 Mark, damit ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen geringer Schuld eingestellt werden konnte.

Schimmelbusch siedelte sich mit Familie im US-amerikanischen Bundesstaat Pennsylvania an. Über seinen Fonds "Safeguard" sammelte er Geld und begann, kleine und mittlere Unternehmen zu kaufen. Die wurden in der Holding AMG zusammengefasst, die in Amsterdam an die Börse kam. Heute gehören vierzehn Unternehmen zum Konzern, der vergangenes Jahr 1,6 Milliarden Dollar umsetzte und vor Steuern 275 Millionen verdiente.  

Pläne für das Rohstoff-Geschäft

Zum "Capital Markets Day" lädt Schimmelbusch unter den strengen Blick eines bronzenen Arbeiterstandbilds in den prunkvollen Peter-Behrens- Bau. Dort saß einst die Verwaltung der Hoechst AG, eine andere Perle der deutschen Industrie, die fünf Jahre nach der Metallgesellschaft verschwinden sollte.

Heinz Schimmelbusch zeigt sich "grün". Mit einer Lithium-Mine in Brasilien und einer Lithium-Raffinerie in Sachsen-Anhalt will die AMG in großem Stil dringend benötigte Rohstoffe für die europäische Batterieproduktion bereitstellen. Andere Tochtergesellschaften bieten Industrieunternehmen ausgefuchste Anlagen zur Stromspeicherung an, mit denen wechselhafter Solarstrom endlich in industriellem Maßstab nutzbar werde.

Die Krawatte ist abgeschafft

Schimmelbusch spricht Deutsch mit leicht und Englisch mit stark österreichischer Färbung. Seine Ausführungen sind noch weitführender als zu alten Zeiten und bieten nicht immer Überraschendes. Nach wie vor ist Schimmelbusch gerne Chef, was seine Leute zu spüren bekommen, wenn sie unaufmerksam werden, während er spricht. Zwar trägt das AMG-Management keine Krawatten mehr. Das andernorts längst gängige "Du" unter Vorstandskollegen aber gibt es nicht; man spricht sich mit Titeln an, allen voran "Dr. Schimmelbusch".

Der "Chairman" und "Chief Executive Officer" von AMG Schimmelbusch arbeitet mit seinen Kenntnissen der Rohstoffbranche aus Metallgesellschaftszeiten. Eine Raffinerie für Lithium, die in Bitterfeld gebaut wird, soll so vielseitig werden wie früher die Norddeutsche Affinerie (heute Aurubis), die zum Metallgesellschaftskonzern gehörte. Von der "Chemetall", einer anderen früheren Konzerngesellschaft, wurde ein zwanzigköpfiges Spezialistenteam abgeworben. Besonders stolz ist Schimmelbusch auf eine Tochtergesellschaft mit 400 Ingenieuren. Zur Metallgesellschaft gehörte einst das Ingenieurinternehmen Lurgi. 

Heinz Schimmelbusch wird bald 79. Gefragt, wie seine AMG mit dem Altersrisiko von Vorstandsvorsitzendem, Großaktionär und Know-How-Träger Schimmelbusch umgeht, sagt er flapsig: "Ich bin Frühstücksdirektor." Schnell fügt er hinzu, an einer neuen Managementstruktur zu arbeiten. Die AMG - Schimmelbuschs kleiner Konzern, den nur ein Buchstabe von der Abkürzung der alten MG unterscheidet - soll ihn überleben.