Auto-Rückscheibe mit der Aufschrift "Königreich Deutschland"

Betriebe im "Königreich Deutschland" "Reichsbürger" wollen Parallelwirtschaft

Stand: 05.04.2023 08:16 Uhr

Sie sind Maler, Masseure oder Bestatter, verkaufen Solaranlagen oder vegane Lebensmittel. Dutzende Firmen sehen sich als Teil eines fiktiven "Königreichs Deutschland". Der Verfassungsschutz rechnet sie der "Reichsbürger"-Szene zu.

Die Magnolienbäume stehen in voller Blüte in dem ruhigen Karlsruher Stadtteil. Nichts lässt hier auf revolutionäre Umtriebe schließen. Und doch: Auf einem Klingelschild eines unauffälligen Wohnhauses deuten drei Buchstaben auf ebensolche Gedanken hin, denn hier soll ein "Betrieb im KRD" zu finden sein. Ein Betrieb also, der sich zum fiktiven "Königreich Deutschland" bekennt, der vermutlich größten Gruppierung sogenannter "Reichsbürger".

Fiktiver Staat, fiktive Orte

Der Karlsruher Betrieb bietet Massagen an. Nicht nur auf dem Klingelschild, sondern auch auf seiner Webseite ist der Hinweis zu finden, man sei ein "Unternehmen im KRD" und der "Hauptsitz" sei "Petersplatz 6 zu Lutherstadt Wittenberg, Königreich Deutschland". Allerdings gibt es in der Stadt in Sachsen-Anhalt keinen Platz mit diesem Namen.

Aber es gibt Peter Fitzek, den Erfinder des "Königreichs". Seit Jahren narrt der gelernte Koch und Esoteriker die Behörden. Und findet trotzdem immer mehr Anhänger. Seine fantasievolle Karriere hat ihm offenbar viel Geld und zwei Schlösser eingebracht, aber auch die Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden. Über all dies aber will die Inhaberin der Karlsruher Massagepraxis nicht reden, nicht an der Tür und nicht am Telefon.

Surreale "Reichsgründung" mit Zepter und Krone

Vor rund elf Jahren erfand Fitzek sein Fantasiereich, nahm in einer surreal anmutenden Szene Zepter, Reichsapfel und Krone entgegen und ließ die "Staatsgründung" aufwändig filmen. Seitdem - und vor allem seit der Corona-Pandemie - ist seine Anhängerschaft stets gewachsen: Heute sollen es nach eigenen Angaben bundesweit 5000 Anhänger sein, und auch der Verfassungsschutz hält diese Zahl nur für mäßig übertrieben. In einem Werbevideo, veröffentlicht auf der eigenen Internetplattform "KRDtube", ist zu sehen, wie Fitzeks Anhänger derzeit mehrere Schlösser in Sachsen sanieren. Sogenannte "Gemeinwohldörfer" sollen folgen, ein ganzes Reich entstehen.

Manche Aussteiger und auch selbstständige Unternehmer scheinen sein Angebot für attraktiv zu halten. In einem "Systemausstieg-Seminar" in Wittenberg sollen sie die Vorzüge des "Reichs" schätzen lernen: "Freiheit für Unternehmer im KRD" verspricht ein Einladungsschreiben. Wörtlich heißt es da: "Das KRD ermöglicht seinen Unternehmer vollständige Steuerbefreiung. Das Finanzamt der BRD ist nicht mehr zuständig. Die Strukturen sind seit neun Jahren alltagserprobt."

Internetseite spricht von "Einzelbetrieb im Königreich"

Ein Malermeister im Landkreis Ludwigsburg hielt diese Behauptungen offenbar für überzeugend. Laut Webseite ist er ein "Einzelbetrieb im Königreich Deutschland (KRD)". Ein Interview lehnt der Mann ab, doch seine Webseite verrät einiges über seine Motive: "Als Betrieb im KRD fördern wir aktiv ein vollkommen neues Gemeinwohlwirtschaftssystem zum Wohle von Mensch, Tier und Natur."

Ziele, die sich natürlich auch im Rechtsrahmen der Bundesrepublik Deutschland verwirklichen lassen. Der Malermeister fährt einen Lieferwagen mit amtlichem deutschen Kennzeichen. Aber Aufschriften auf dem Wagen machen für jedermann klar, man arbeite "Für An- und Zugehörige im KRD".

Bei der zuständigen Handwerkskammer Stuttgart ist der Betrieb seit 2021 gelöscht. Sollte er weiter seine Dienstleistungen anbieten, wäre dies eine "unerlaubte Handwerksausübung" und "Schwarzarbeit", betont Hauptgeschäftsführer Peter Friedrich. Selbst die Kunden begingen unter Umständen Ordnungswidrigkeiten und hätten keinen Anspruch auf Gewährleistung.

Flyer wirbt für "Pioniere"

Ob der Malermeister tatsächlich gegen geltendes Recht verstößt, müssen Kammer und Behörden noch klären. Klar ist aber jetzt schon: Er bietet seine Dienste aktiv auf dem Markt an. Und zwar auf einer Art Branchenverzeichnis des angeblichen "Königreichs Deutschland" namens "KadaRi". Die Abkürzung steht für "Kauf das Richtige" und verzeichnet nach eigenen Angaben rund 350 "Anbieter". Allerdings ist die Zahl wohl durch Doppelnennungen aufgebläht. In einem Flyer aus dem vergangenen Sommer mit dem Titel "Freiheit für Unternehmer im KRD" ist mal die Rede von 200, dann von 300 Unternehmern, die "als Pioniere vorangegangen" seien.

Eine Überprüfung durch den SWR ergab, dass rund 100 Webseiten derzeit aktiv sind, auf eine Geschäftstätigkeit schließen lassen und im Impressum die Zugehörigkeit zum "KRD" angeben. Schwerpunkte sind Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Nur in zwei Bundesländern fand sich kein solcher Anbieter.

Verbraucherschützer klagen

In Frankfurt gehen jetzt Verbraucherschützer gegen einen solchen Betrieb vor: Der lokal bekannte Influencer und selbsternannte Ernährungsberater "Mr. Raw" behauptet auf einer seiner Webseiten, dass Kunden "für die Dauer der Geschäftsbeziehung eine temporäre Zugehörigkeit zum Königreich Deutschland (KRD)" besäßen.

Im Februar hat die Verbraucherzentrale Hessen wohl als erste bundesweit dagegen eine Unterlassungsklage eingereicht. "Wenn in Deutschland deutschen Verbrauchern Vertragsabschlüsse angeboten werden, sind ausschließlich die Regelungen deutschen Rechts zugrunde zu legen, wovon nicht abgewichen werden darf", heißt es darin. Sollte das Frankfurter Landgericht dem stattgeben, müsste von der Seite "DrRaw.de" jeder Hinweis auf die Fantasiemonarchie aus dem Impressum verschwinden.

"Mr. Raw" antwortete mit einer 134 Seiten langen Stellungnahme, die dem SWR vorliegt. Darin wird behauptet, die Verbraucherzentrale erkenne mit ihrem Vorgehen an, "dass es sich beim Königreich Deutschland um einen eigenständigen Staat handelt". Philipp Wendt, Vorstand der Verbraucherzentrale Hessen, lässt sich davon nicht beirren: "Sollte unsere Klage erfolgreich sein, dann werden wir auch andere Betriebe im KRD abmahnen", bekräftigte er gegenüber dem SWR.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete "Zur Sache Baden-Württemberg" im SWR Fernsehen BW am 30. März 2023 um 20:15 Uhr.