Händlerin an der New York Stock Exchange
marktbericht

Wall Street ohne Schwung US-Anleger bleiben vorsichtig

Stand: 04.01.2024 22:19 Uhr

Die Wall Street hat auch heute keine klare Richtung gefunden. Anleger meiden derzeit neue Risiken, denn die Unsicherheit um die künftige Geldpolitik der Notenbank ist zu groß.

Die großen US-Börsen haben heute letztlich keine klare Richtung gefunden und uneinheitlich geschlossen. Erholungen im frühen Geschäft konnten nicht gehalten werden, allerdings stützten Finanzaktien die Indizes. Am besten hielt sich erneut der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte, der den Handel bei 37.440 Zählern beendete, ein Mini-Plus von 0,03 Prozent.

Die anderen Indizes schlossen moderat im Minus. Der marktbreite S&P-500-Index gab um 0,34 Prozent auf 4688 Stellen nach. An der technologielastigen Nasdaq-Börse gab der Composite-Index um 0,56, der Auswahlindex Nasdaq 100 um 0,53 Prozent nach.

Hintergrund für die lustlose Tendenz nach der euphorischen Rally des Vorquartals ist die aktuelle Unsicherheit um weitere Zinssenkungen durch die Notenbank Federal Reserve (Fed). Diese sind vom Markt bereits fest eingepreist. Allerdings relativierte die Fed zuletzt ihren Lockerungskurs, wie aus den gestern veröffentlichten Sitzungsprotokollen der Zinssitzung vom 13. Dezember hervorging. Insgesamt lecken die Anleger damit nach dem gestrigen Fed-Protokoll weiter ihre Wunden.

Robuste Arbeitsmarktdaten dämpften die Erwartungen der Investoren bezüglich rascher Zinssenkungen der US-Notenbank zusätzlich. Daten des privaten Anbieters ADP zufolge wurden in den USA im Dezember mehr Arbeitnehmer eingestellt als erwartet, was auf eine anhaltende Stärke des Arbeitsmarktes hindeutet. Im Vergleich zum Vormonat stieg die Beschäftigung um 164.000 Stellen, wie ADP in Washington mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt lediglich mit 125.000 neuen Arbeitsplätzen gerechnet.

Die Unternehmen würden weiter mit einem gesunden Tempo einstellen, teilte ADP weiter mit. Die Arbeitslosigkeit bleibe niedrig und die Beschäftigten würden Lohnerhöhungen erhalten, die über der Inflation lägen. Der robuste Arbeitsmarkt erschwert damit der US-Notenbank den Kampf gegen die Inflation. Nun warteten die Investoren nervös auf den offiziellen Arbeitsmarktbericht am morgigen Freitag.

Die Papiere von Börsenschwergewicht Apple standen unter den Einzelwerten derweil weiter unter Druck mit Minus 1,27 Prozent, nachdem die Investmentbank Piper Sandler sie von "Overweight" auf "Neutral" abgestuft hatte. Analyst Harsh Kumar ist besorgt über die iPhone-Lagerbestände, da die Wachstumsraten bei den Verkaufszahlen ihren Höhepunkt erreicht hätten. Zudem verwies er auf ein schwaches makroökonomisches Umfeld in China, das die iPhone-Nachfrage dämpfen dürfte.

Dow-Mitglied Walgreens Boots Alliance, eine Apotheken- und Drogeriekette verloren deutlich 5,1 Prozent. Die Aktie konnte allerdings anfangs noch höhere Verluste von über elf Prozent im Verlauf eingrenzen. Das Unternehmen spürt Gegenwind durch ein schwieriges Einzelhandelsumfeld in den USA. Den Aktionären kürzte das Unternehmen die Quartalsdividende. Die Jahresprognose bestätigte Walgreens jedoch.

Der DAX hat sich nach den Verlusten der vergangenen Tage und dem verpatzten Jahresauftakt heute stabilisiert. Am Nachmittag folgte der deutsche Leitindex dabei einer sich im Verlauf erholenden Wall Street noch etwas nach oben. Zu mehr reicht es aber nicht. Wer also mit einer stärkeren Gegenbewegung nach den deutlichen Verlusten des Vortages gerechnet hat, dürfte enttäuscht sein. Gestern hatte der deutsche Leitindex mit einem Kursrutsch von knapp 1,4 Prozent noch seinen größten Tagesverlust seit Oktober verbucht.

Am Ende schloss der DAX bei 16.617 Punkten um 0,48 Prozent höher und damit nahe seines Tageshochs bei 16.626 Punkten. Keine Entwarnung gab es hingegen beim MDAX, dem Index der mittelgroßen Werte, der erneut 0,54 Prozent auf 26.109 Punkte verlor. Dabei zogen vor allem hohe Verluste der Indexmitglieder Evotec und Puma den Index nach unten.

Zur vorsichtigen Haltung der Anleger trugen neben der weiterhin angespannten geostrategischen Lage insbesondere die ernüchternden Aussagen der Fed vom Vorabend bei. "Zwar war im letzten Sitzungsprotokoll der Fed im Jahr 2023 ein Ende des Zinserhöhungszyklus zu lesen, die erlösenden Worte hinsichtlich einer baldigen Zinswende waren es dagegen zum Leidwesen der Anleger nicht", so Analyst Christian Henke vom Broker IG Markets. "Erneut hat die Fed versucht, die sehr hohen Erwartungen der Marktteilnehmer zu dämpfen."

Experten rechnen nun erst einmal nicht mit großen Sprüngen nach oben. Die Ungewissheit, wann endlich das Zinsrad zurückgedreht werde, habe die Börsen zuletzt in die Knie gezwungen, so der Experte weiter. Nach der jüngsten Zinssitzung der Fed hatte Fed-Chef Jerome Powell Zinssenkungen in Aussicht gestellt und damit die Märkte in Extase versetzt. Dies wird nun relativiert.

Neue Inflationsdaten aus Deutschland bewegten die Börse kaum. Konkret sind die Verbraucherpreise im vergangenen Jahr im Schnitt um 5,9 Prozent gestiegen, vor allem Nahrungsmittel waren dabei deutlich teurer. Verglichen mit dem Jahr 2022 ging die Gesamtinflationsrate aber etwas zurück: Damals lag sie vor allem wegen der explodierenden Energiepreise bei 6,9 Prozent. Experten erwarten in diesem Jahr einen weiteren deutlichen Rückgang der Teuerungsrate. Morgen werden Preisdaten auf europäischer Ebene erwartet.

Im Dezember gab es allerdings einen Sondereffekt, der die Rate auf 3,7 Prozent steigen ließ nach 3,2 Prozent im November. Grund war vor allem ein sogenannter Basiseffekt: Der Bund hatte im Dezember 2022 den Monatsabschlag der privaten Haushalte für Gas und Wärme übernommen, entsprechend war die Teuerung in dem Monat vergleichsweise niedrig. "Einen derart großen Basiseffekt gibt es selten", sagte dazu der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding.

"Die Dezemberzahlen zur Inflation sind ernüchternd für Verbraucher und Zentralbanken. Baldige Zinssenkungen der EZB lassen sich daraus kaum ableiten. Auch in den kommenden Monaten dürfte sich die Situation nicht durchgreifend verbessern. Zahlreiche staatliche Maßnahmen – darunter vor allem steigende CO2-Abgaben, die Normalisierung der Mehrwertsteuer im Gastgewerbe sowie beim Gasverbrauch und höhere Netzentgelte beim Stromverbraucher - werden deutlich preissteigernd wirken."

Der Euro legt mit den steigenden Aktienmärkten am späten Nachmittag ebenfalls zu und notiere zuletzt im US-Handel bei 1,0947 Dollar moderat höher. Noch höhere Kurse vom Vormittag im europäischen Handel konnten aber nicht mehr erreicht werden, so dass die Marke von 1,10 Dollar erst einmal aus dem Auge gerät. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0953 (Mittwoch: 1,0919) US-Dollar fest

Die Ölpreise gegen Anfangsgewinne im Verlauf wieder ab und standen am ende moderat im Minus. Eine klare Tendenz ergibt sich damit weiterhin nicht. Vor allem die Uneinigkeit im Förderkartell OPEC beziehungsweise OPEC+ (mit Russland) über Förderquoten hatte zuletzt für eine Schwäche gesorgt. OPEC-Mitglied Angola war sogar aus dem Kartell ausgetreten, weil es geringere Quoten nicht akzeptieren wollte.

Aktuell haben Berichte über Proteste auf Libyens wichtigstem Ölfeld die Preise für Rohöl gestern aber um jeweils mehr als drei Prozent nach oben getrieben. Für Unruhe sorgt auch die Lage im Roten Meer, wo es seit Wochen zu Angriffen von Huthi-Rebellen auf Fracht-Schiffen kommt.

Tagessieger im DAX waren Commerzbank-Aktien, die fast vier Prozent zulegten. Auch Deutsche Bank gewannen über zwei Prozent. Die Aussichten auf längere Zeit höhere Zinsen kommt den Banken zugute, deren Zinsmarge von höheren Niveaus profitiert.

Am Ende standen erneut Zalando, die ihre Talfahrt aus dem Vorjahr nahtlos fortsetzen. Das Online-Modehaus wird in einem höheren Inflationsumfeld durch eine schleppende Nachfrage der Verbraucher belastet.

Bayer und seine Biotech-Tochter BlueRock Therapeutics machen Fortschritte bei der Entwicklung einer neuartigen Gentherapie zur Behandlung von Parkinson. In einer klinischen Studie der Phase-1b wurde die Gentherapie über einen Beobachtungszeitraum von 18 Monaten von allen elf Patienten gut vertragen, schwerwiegende unerwünschte Ereignisse seien nicht aufgetreten. Die detaillierten Daten sollen im zweiten Quartal veröffentlicht werden. Die Anleger honorierten den Fortschritt, Bayer-Papiere gewannen 2,5 Prozent.

Das Adidas-Papier gehörte im DAX zu den größten Verlierern. Auch Puma im MDAX gaben deutlich nach. Dies nach Aussagen des britische Sportmodehändlers JD Sports. Dieser hat die Konsumflaute zu spüren bekommen und daher sein Gewinnziel eingedampft.

Das Unternehmen, das unter anderem Produkte von Nike und Adidas vertreibt, erwartet für das im Februar endende Bilanzjahr einen bereinigten Vorsteuergewinn zwischen 915 und 935 Millionen Pfund (1,06 bis 1,08 Milliarden Euro) statt 1,04 Milliarden Pfund. Beim Umsatz wird ein Plus von acht Prozent angepeilt, wie JD Sports mitteilte. Die Aussagen belasten im DAX auch Adidas-Aktien, die deutlich verlieren.

Die Krebsmedizin-Sparte von Siemens Healthineers soll in den nächsten zehn Jahren die Onkologie in der kanadischen Provinz Nova Scotia auf Vordermann bringen. Varian habe mit der staatlichen Nova Scotia Health eine zehnjährige Partnerschaft geschlossen, die dem Erlanger Medizintechnik-Konzern bis zu 175 Millionen kanadische Dollar (120 Millionen Euro) bringen soll, wie Siemens Healthineers heute mitteilte. Es gehe darum, die Versorgung von Krebskranken "vom Screening bis zur Nachsorge zu beschleunigen und so zur Verbesserung des Gesundheitssystems von Nova Scotia beizutragen".

Der weltgrößte Reisekonzern TUI lässt seine Aktionäre über einen Rückzug von der Londoner Börse abstimmen. Bereits Anfang Dezember hatte das Management zur Vorlage von Geschäftszahlen in Aussicht gestellt, die Notierung der TUI-Aktie aus London wieder nach Frankfurt zu verlegen. Damit könnte die Aktie dann womöglich in den Index der mittelgroßen Werte, den MDAX, zurückkehren. Die Resonanz zu einem Delisting in London sei von Aktionärsseite her positiv gewesen, hieß es nun am Donnerstag in der Einladung zur Hauptversammlung am 13. Februar. Daher solle auf dem virtuellen Treffen darüber abgestimmt werden.

Anders als noch vor einigen Jahren seien inzwischen drei Viertel der TUI-Aktien in deutschem Besitz und würden in Deutschland gehandelt, hatte Finanzvorstand Mathias Kiep Anfang Dezember gesagt. Zuletzt hätten mehrere Investoren einen Wechsel der Börsennotierung angeregt. Tui hatte das Listing der Aktie nach der Fusion mit der früheren Veranstaltertochter Tui Travel vor rund neun Jahren nach London verlegt.

Die Aktienkurse europäischer Großreedereien haben weiter zugelegt, vor allem durch die deutlich steigenden Frachtraten im Zuge der Vermeidung von Fahrten durch das Rote Meer. Ursache für die neuen Routen sind fortgesetzte Attacken von Huthi-Rebellen im Jemen auf Schiffe. So zogen die Papiere von Hapag-Lloyd im frühen Handel bereits um fast zehn Prozent an auf den höchsten Stand seit Mitte Oktober. In Kopenhagen verteuerten sich Moeller Maersk um knapp zwei Prozent, seit Mitte Dezember beträgt der Aufschlag hier fast zwei Drittel. Auch die Aktien von MPC Container Ships stiegen um rund fünf Prozent.

Der Warenhausriese Galeria rechnet auch für das Geschäftsjahr 2023/24 mit einem Verlust. Die Kette erwarte "ein Jahresergebnis im unteren negativen zweistelligen Millionenbereich", heißt es im zum Jahreswechsel im Bundesanzeiger veröffentlichten Abschluss des Geschäftsjahres zum 30. September 2022. Beim operativen Ertrag (Ebitda) prognostiziert der Ausblick für das laufende Geschäftsjahr ein positives Ergebnis im "mittleren zweistelligen Millionenbereich".

Microsoft stellt am Donnerstag eine eigene Taste für seinen KI-Assistenten Copilot vor. Sie soll kommende Woche auf der Technik-Messe CES in Las Vegas bereits bei neuen Geräten verschiedener Hersteller zu sehen sein. Zu kaufen sein werden Modelle mit Copilot-Taste voraussichtlich ab Ende Februar. 2024 solle zum "Jahr des KI-PC" werden, schrieb Microsoft-Manager Yusuf Mehdi in einem Blogbeitrag.

Der Pharma-Wirkstoffforscher Evotec muss sich einen neuen Chef suchen. Der Vorstandsvorsitzende Werner Lanthaler tritt nach fast 15 Jahren aus persönlichen Gründen vor Ablauf seines Vertrags zurück, teilte das im MDAX gelistete Unternehmen überraschend am Mittwochabend mit. Vorläufig werde Aufsichtsratsmitglied Mario Polywka das Unternehmen leiten. Die Anleger waren geschockt, im MDAX verloren Evotec über 18 Prozent und standen damit deutlich am Indexende.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 04. Januar 2024 um 09:00 Uhr.