Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

Wechselhafter Handel Wall Street sucht Orientierung

Stand: 01.07.2022 22:16 Uhr

Die US-Börsen fanden heute lange keine klare Richtung. Am Ende gab es zwar Zugewinne, die Sorgen vor einer drohenden Rezession bleiben aber weiter das zentrale Problem für die Aktienmärkte.

An der Weltleitbörse in New York haben sich die großen Aktienindizes zum Start ins neue Halbjahr lange Zeit schwer getan, ehe der Tag dann doch noch versöhnlich endete. Über allem schwebt derzeit aber die Sorge, dass die US-Notenbank Federal Reserve bei der Bekämpfung der viel zu hohen Inflation zu stark an der Zinsschraube dreht und damit die Konjunktur abwürgt.

Erst in dieser Woche hatte deren Chef Jerome Powell erneut die Verpflichtung der Währungshüter unterstrichen, die Geldpolitik weiter zu straffen. Im Juli wird ein weiterer Zinsschritt von mindestens 50 Basispunkten erwartet.

Auch die zweite Jahreshälfte dürfte angesichts sich verschärfender Rezessionsrisiken volatil werden, sagte Investmentexperte Kunal Sawhney vom Research-Haus Kalkine. "Die Fed sagt, dass sie die Zinssätze erhöhen wird, und wenn sie die Inflation kontrollieren will, wird die Wirtschaft kurzfristig und in den nächsten mindestens sechs bis zwölf Monaten einige Schmerzen erleiden."

Am Ende des Tages legte der Leitindex Dow Jones 1,05 Prozent zu auf 31.097 Punkte. Gestern hatte der US-Leitindex 0,8 Prozent auf 30.775 Punkte eingebüßt. Die Halbjahres-Bilanz fiel derweil mit einem Minus von 15,3 Prozent verheerend aus. Zuletzt ging es für den Dow Jones in diesem Zeitraum im Jahr 1962 so stark bergab.

Die Technologiebörse Nasdaq schloss bei 11.127 Zählern um 0,9 Prozent höher, der Auswahlindex Nasdaq 100 ging bei 11.585 Punkten um 0,71 Prozent höher aus dem Handel. Der marktbreite S&P-500-Index rückte 1,06 Prozent vor auf 3825 Zähler.

Unter den Einzelwerten stand Halbleiterhersteller Micron im Fokus. Dieser bekommt inzwischen eine schwächere Nachfrage zu spüren. Der am Vorabend veröffentlichte Umsatzausblick für das letzte Geschäftsquartal habe enttäuscht, hieß es von Börsianern. Die Aktie rutschte an der Nasdaq um 2,95 Prozent ab. Der schwache Ausblick machte heute auch den europäischen Wettbewerbern zu schaffen, der Branchenindex gab deutlich nach.

Der DAX hat zu Beginn des neuen Halbjahres anfängliche Verluste wettgemacht, konnte die Marke von 13.000 Punkten aber nicht zurückerobern. Nach dem volatilen und wechselhaften Handelsverlauf zuletzt ging es heute insgesamt ruhiger zu. Am Ende schloss der deutsche Leitindex bei 12.813 Punkten um 0,23 Prozent leicht höher, aber in der Nähe seines Tageshochs bei 12.860 Punkten.

Das Tagestief lag am Morgen bei 12.623 Punkten. Schnäppchenjäger sorgten im Verlauf aber dafür, dass der DAX nicht weiter zurückfiel. Tags zuvor hatte der deutsche Leitindex bei 12.619 Zählern den tiefsten Stand seit März markiert. Mit einem Minus von rund elf Prozent im Juni fuhr er zudem die schlechteste Juni-Performance seiner Geschichte ein.

Fundamental kann trotz der heutigen Stabilisierung weiter keine Entwarnung gegeben werden. Die Aussichten bleiben auch für das zweite Halbjahr angespannt, zumal Experten damit rechnen, dass sich die zahlreichen Belastungen nun verstärkt in den Büchern der Unternehmen finden werden. Mit so mancher Gewinnwarnung wird gerechnet.

Dazu passt, dass die Analysten der Deutschen Bank ein düsteres Makro-Szenario zeichnen. Demnach droht Deutschland angesichts des Rückgangs der russischen Gaslieferungen nicht nur eine Rezession, sondern eine noch weiter ausufernde Teuerung, ein "Inflationsschock". Anleger fürchten schon länger, die Notenbanken könnten mit ihrem Kampf gegen die Inflation die Konjunktur zu stark belasten und eine wirtschaftliche Talfahrt auslösen.

Immer mehr Investoren fürchteten, dass der Mix aus hoher Inflation und Angebotsverknappungen auf der Energieseite die USA ebenso wie die Eurozone in die Rezession zwingen dürften, meint auch Helaba-Strategin Claudia Windt.

Unterdessen hat die Inflationsrate in der Eurozone immer noch nicht ihren Höhepunkt erreicht. Im Juni kletterte sie auf einen neuen Rekordwert von 8,6 Prozent. Im Vormonat hatte der Preisanstieg bei 8,1 Prozent gelegen. "Die heutigen Preisdaten erhöhen den Druck auf die EZB, die Zinsen im Juli um mehr als die angekündigten 25 Basispunkte anzuheben", unterstreicht Commerzbank-Ökonom Christoph Weil.

Unter den Einzelwerten im DAX erholten sich die Versorger RWE und Eon, auch die zuletzt stark gefallene Zalando-Aktie legte zu. Airbus profitierten von einem Großauftrag aus China. Chiphersteller Infineon gehörte im Zug einer schwachen Branchenstimmung ebenso zu den größten Verlierern wie das Papier der Deutschen Bank.

Die Flucht aus risikoreichen Assets in sichere Anlagehäfen hat derweil auch die Devisenmärkte erfasst. Der US-Dollar konnte zuletzt auf breiter Front zulegen. Im Gegenzug steht die europäische Gemeinschaftswährung unter Druck. Am Nachmittag kostete ein Euro bei volatilem Handel nur noch 1,0374 Dollar, ehe es im US-Handel wieder etwas bergauf und über die Marke von 1,04 Dollar geht. Schon tags zuvor wurden im Tief für einen Euro nur noch 1,0383 Dollar gezahlt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0425 (Donnerstag: 1,0387) Dollar fest

Auch Staatsanleihen werden derzeit als sicherer Hafen wieder gekauft. Im Gegenzug fiel die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen auf 1,22 Prozent von zuvor 1,367 Prozent. Auch US-Treasurys mit der gleichen Laufzeit legten weiter zu, die Rendite fiel schon gestern unter drei Prozent.

Derweil kommt von den deutschen Maschinenbauern ein kleiner fundamentaler Lichtblick, der aber der Gemeinschaftswährung nicht hilft: Nach zwei Monaten mit schrumpfenden Bestellungen verzeichneten sie im Mai wieder ein Plus von 13 Prozent bei den Auftragseingängen. Die Zuwächse zeigten, dass die Kunden trotz zahlreicher Belastungen ihre Investitionspläne nicht begraben, sagte der Konjunkturexperte des Branchenverbandes VDMA, Olaf Wortmann.

Die US-Industrie hat ihr Wachstumstempo im Juni unerwartet deutlich gedrosselt. Der Einkaufsmanagerindex sank auf 53,0 Zähler von 56,1 Punkten im Mai und damit auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren, wie aus der heute veröffentlichten Firmenumfrage des Institute for Supply Management (ISM) hervorgeht. Das Barometer liegt damit aber immer noch über der Wachstumsschwelle von 50 Zählern. Experten hatten nur mit einem Rückgang auf 54,9 Zähler gerechnet. Der Teilindex für das Neugeschäft sank erstmals seit Mai 2020 unter die 50-Punkte-Marke.

"Der Einkaufsmanagerindex der US-Industrie liegt trotz des größer als erwartet ausgefallenen Rückgangs noch klar im Wachstumsbereich", erklärte Helaba-Ökonom Ralf Umlauf. Deshalb dürfte die US-Notenbank Fed zunächst an ihrem Ziel festhalten, die Zinsen deutlich und zügig zu erhöhen. "Allerdings nimmt die konjunkturelle Dynamik ab." Die längerfristigen Zinserwartungen dürften daher tendenziell gedämpft werden, betonte Umlauf.

Der steigende Dollar und die Aussicht auf weitere deutliche Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed drückt derweil die Nachfrage nach Gold. Im späten Handel erholte sich der Preis aber und übersprang wieder die Marke von 1800 Dollar je Feinunze. Diese wichtige Marke ist derzeit umkämpft.

Die Ölpreise haben heute wweiter zugelegt. Am späten Nachmittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 110,98 US-Dollar. Das waren 2,00 Dollar mehr als am Vortag. Der Preis für ein Fass der US-amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 2,14 Dollar auf 107,90 Dollar.

Unterstützung erhielten die Ölpreise auch durch Nachrichten aus Libyen und Indien. In Libyen ruhen derzeit in zwei wichtigen Häfen des Landes die Öl-Verschiffungen. Grund sind neuerliche politische Unruhen. Unterdessen hat die Regierung Indiens die Exportabgaben auf Benzin und Diesel erhöht. An den vergangenen Tagen waren die Ölpreise noch wegen gestiegener Rezessionssorgen gestiegen.

Die Erdölpreise sind in den vergangenen Monaten kräftig gestiegen. Seit Jahresbeginn steht ein Plus von etwa 40 Prozent zu Buche. Hauptgründe sind der Krieg Russlands gegen die Ukraine, zahlreiche Angebotsengpässe und eine deutliche Erholung der Nachfrage im Zuge einer entspannteren Corona-Lage.

Airbus-Aktien waren heute gefragt. Denn der weltgrößte Flugzeugbauer hat in China an einem Tag fast 300 Passagierjets verkauft. Der Hersteller und die Fluggesellschaften China Southern, China Eastern, Air China und Shenzhen Airlines gaben am Freitag Großbestellungen für insgesamt 292 Mittelstreckenmaschinen aus der Modellfamilie A320neo bekannt. Damit punktete der DAX-Konzern erneut gegenüber seinem Konkurrenten Boeing aus den USA, dessen Konkurrenzmodell 737 Max in China nach zwei tödlichen Abstürzen noch länger nicht abheben durfte als in anderen wichtigen Weltregionen.

Der DAX-Konzern BMW hat heute die Serienproduktion seiner neuen Topmodelle gestartet: Die ersten vollelektrischen i7-Luxuslimousinen und neuen 7er mit Verbrennermotoren rollten im Werk Dingolfing in Niederbayern vom Band. Nach Versorgung der Händler mit Vorführfahrzeugen sollen die Autos ab Herbst auch an Kunden ausgeliefert werden. Marktführer bei Oberklasse-Limousinen ist bisher die S-Klasse von Mercedes-Benz.

Der Autobauer hat derweil im zweiten Quartal in den USA einen deutlichen Verkaufsrückgang eingefahren. Mit 78.905 Autos der Stammmarke BMW wurde der Konzern 18,3 Prozent weniger Fahrzeuge los als im Vorjahreszeitraum, wie es am Abend am US-Sitz in Woodcliff Lake (New Jersey) hieß. Lieferprobleme hätten die Bestände der Händler belastet, hieß es. Vor allem Limousinen wurden dabei in Mitleidenschaft gezogen. Bei den in den USA sehr beliebten Stadtgeländewagen (SUV) konnte BMW hingegen etwas zulegen. Diese fertigt das Unternehmen ohnehin größtenteils vor Ort in den Staaten. Bei der Kleinwagenmarke Mini betrug der Verkaufsrückgang fast die Hälfte.

Der weltgrößte Chemiekonzern BASF will sich bei der Energieerzeugung breiter aufstellen und Emissionen einsparen. Ziel sei es, zusammen mit dem zu Volkswagen gehörenden Großmotorenhersteller MAN Energy Solutions eine industrielle Großwärmepumpe zur Elektrifizierung der Dampferzeugung am BASF-Standort in Ludwigshafen zu errichten, teilten beide Unternehmen heute mit.

Barclays hat die Einstufung für Uniper nach dem kassierten Jahresausblick und der Aufnahme von Gesprächen mit der Bundesregierung auf "Underweight" mit einem Kursziel von 30 Euro belassen. Die britische Investmentbank rechnet damit, dass letztlich in Deutschland die nächste Stufe des Gasnotfallplans ausgerufen werden dürfte - was den Wendepunkt für Unipers russische Verträge markieren würde.

Die jüngsten Kursverluste von Siemens Energy schlagen beim Großaktionär Siemens teuer zu Buche. Eine Sonderabschreibung werde das Ergebnis nach Steuern im dritten Geschäftsquartal bis Ende Juni mit etwa 2,8 Milliarden Euro belasten, teilte Siemens überraschend gestern mit. Der DAX-Konzern ist mit 35 Prozent an Siemens Energy beteiligt.

Laut dem Agrarkonzern Baywa dürfte die Weizenernte in der Ukraine in diesem Jahr rund 17 Prozent schwächer ausfallen als im Durchschnitt der vergangenen vier Jahre. Eine Auswertung von Satellitendaten zeige, dass eine unterdurchschnittliche Ernte nicht mehr zu vermeiden sei, sagte Baywa-Chef Klaus Josef Lutz. "Es fehlen rund 20 Millionen Tonnen Weizen am Weltmarkt."

Der ostdeutsche Technologiekonzern Jenoptik trennt sich von seiner kompletten Militärtechniksparte mit rund 700 Beschäftigten. Der Verkauf, der im November 2021 angekündigt worden war, sei perfekt, teilte die Jenoptik AG gestern mit. Die Sparte geht an einen Fonds des britischen Finanzinvestors Star Capital Partnership. Jenoptik will sich auf sein Kerngeschäft mit optischen Komponenten, Lasern und Industrieausrüstungen konzentrieren.

Ein negativer Analystenkommentar macht den Aktien des Fondsanbieters DWS zu schaffen. Die Experten der Citigroup stuften die Titel der Deutsche Bank-Tochter auf "Neutral" von "Buy" herunter und senkten das Kursziel auf 26,50 von 36,50 Euro. Die DWS sorgte zuletzt mit einem Greenwashing-Skandal für negative Schlagzeilen.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat die Hersteller von Corona-Impfstoffen darum gebeten, ihre bereits auf Omikron angepassten Vakzine auch in Hinblick auf die Sublinien BA.4 und BA.5 zu modifizieren. Man hoffe darauf, dass diese Impfstoffe dann im Herbst als Booster einsatzbereit seien. Vor wenigen Tagen hatten Hersteller aus ihrer Sicht positive klinische Daten zu veränderten Impfstoffen vorgelegt - die allerdings an die Omikron-Sublinie BA.1 angepasst sind.

Der weltweit größte Ziegelproduzent Wienerberger bleibt auf Rekordkurs: Nach hohen Auftragseingängen und einem Gewinnsprung im ersten Halbjahr hob Firmenchef Heimo Scheuch eine Prognose für 2022 an. Er erwartet nun einen Anstieg des operativen Ergebnisses (Ebitda) auf 900 Millionen Euro, wie der österreichische Konzern mitteilte. Zuvor hatte er noch 750 bis 770 Millionen Euro angepeilt.

Der US-Autobauer General Motors (GM) hat im zweiten Quartal deutlich weniger Fahrzeuge auf dem Heimatmarkt verkauft. Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum fiel der US-Absatz um 15 Prozent auf 582.401 Neuwagen. Das teilte GM in Detroit mit.

Der Konzern kämpft weiter mit Lieferkettenproblemen und einem hartnäckigen Mangel an Computerchips. Rund 95.000 Fahrzeuge konnten laut GM zuletzt nicht ausgeliefert werden, weil Bauteile fehlten. Der Autohersteller arbeite eng mit Zulieferern zusammen, um die Probleme so schnell wie möglich zu beheben. GM rechnet mit einem Quartalsgewinn zwischen 1,6 Milliarden und 1,9 Milliarden Dollar - das ist deutlich weniger als von Analysten im Schnitt erwartet.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 01. Juli 2022 um 12:13 Uhr.