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Grenzwerte von Euro 7 Warum die neue Abgasnorm für Streit sorgt

Stand: 14.02.2023 15:16 Uhr

Vertreter der Autoindustrie laufen Sturm gegen Vorschläge der EU-Kommission für eine neue Abgasnorm Euro 7. Umweltschützern geht sie nicht weit genug. Was ist geplant? Welche Folgen hat das für Autofahrer? Antworten auf einige Fragen.

Warum ist eine neue Abgasnorm geplant?

Aktuell wird über die Abgasnorm Euro 7 verhandelt, die sauberere Fahrzeuge und eine bessere Luftqualität gewährleisten soll. Der EU-Kommission zufolge ist der Straßenverkehr die größte Quelle für Luftverschmutzung in Städten. Schätzungen zufolge verursachte die Feinstaub- und Stickoxid-Verschmutzung durch den Straßenverkehr 2018 in den EU-Staaten und Großbritannien etwa 70.000 vorzeitige Todesfälle. Seit Einführung der Abgasnorm Euro 1 im Jahr 1992 hat die EU die Regeln nach und nach verschärft. Das Ziel der neuen Abgasnorm Euro 7 ist es, den Ausstoß von Stickoxiden (NOx) durch Autos bis 2035 um 35 Prozent zu drücken, bei Bussen und Lkw um über 50 Prozent. 

Was besagt die Norm Euro 7?

Konkret sollen mit der neuen Abgasnorm etwa Dieselautos künftig 60 statt 80 Milligramm Stickoxide pro Kilometer ausstoßen dürfen. Für Benziner ändert sich an diesem Grenzwert nichts. Die Abgasnorm Euro 7 gilt dabei nicht nur für Schadstoffe aus dem Auspuff, sondern auch für andere Emissionen wie Feinstaub. Dieser entsteht etwa beim Bremsen oder durch Reifenabrieb. Demnach würden die neuen Regeln auch für Elektrofahrzeuge gelten. 

Der Vorschlag der Brüsseler Kommission sieht auch ein sogenanntes Onboard-Monitoring-System (OBM) vor, das die Überschreitung von Emissionen erkennen soll. Zudem sollen die erfassten Fahrbedingungen ausgeweitet werden - etwa auf extreme Temperaturen und kurze tägliche Fahrten. Außerdem wird der Zeitraum, in dem die Grenzwerte einzuhalten sind, auf 200.000 Kilometer oder zehn Jahre verdoppelt.

Wann soll die neue Abgasnorm kommen?

Die EU-Kommission hatte ihre Vorschläge im vergangenen November gemacht. Als nächstes müssen sich EU-Länder und das Parlament einigen, bevor die Regeln in Kraft treten können. Derzeit ist vorgesehen, dass die Regeln ab Juli 2025 für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge gelten, ab Juli 2027 für schwere Nutzfahrzeuge.

Doch es gibt Zweifel am Zeitplan. So sagte Mercedes-Betriebsratschef Ergun Lümali der Nachrichtenagentur dpa, der Einführungstermin sei unrealistisch. Auch der größte deutsche Autobauer Volkswagen sprach von "völlig unrealistischen zeitlichen Zielvorgaben". Hersteller und Behörden könnten diese kaum so rasch umsetzen.

Werden Autos durch Euro 7 teurer?

Die Fahrzeugpreise dürften mit der neuen Abgasnorm steigen. Unklar ist, wie stark. In ihrem Vorschlag hatte die EU-Kommission die Mehrkosten für Pkw zwischen 90 und 150 Euro veranschlagt. Für schwere Nutzfahrzeuge sollen sich die Kosten um 2700 Euro erhöhen. Den Plänen zufolge sollen die Kosten je Fahrzeug bei keinem Fahrzeugsegment mehr als zwei bis drei Prozent des durchschnittlichen Fahrzeugpreises ausmachen.

Der ADAC befürchtet, dass die neuen Regeln gerade kleinere Autos "überproportional verteuern" könnten. Der Automobilclub kritisiert: "Die Verschärfung der Grenzwerte und des Messverfahrens dürfen nicht dazu führen, dass kleine und günstige Fahrzeugmodelle überhaupt nicht mehr für Verbraucher bezahlbar angeboten werden können". Der europäische Autobranchenverband ACEA geht von einer Kostensteigerung für Fahrzeuge zwischen sieben und zehn Prozent aus.

Verkehrsstau in Hamburg

Besonders kleine Autos könnten sich durch die Abgasnorm Euro 7 laut ADAC "überproportional" verteuern.

Auch das Bundesverkehrsministerium geht davon aus, dass die Kosten durch die neue Abgasnorm Euro 7 deutlich höher sein werden als von der EU-Kommission angegeben. Für einen Wagen der Mittel- oder Oberklasse seien bis zu 400 Euro zu veranschlagen. Leichte, mit Diesel betriebene Nutzfahrzeuge kosteten als Folge pro Stück bis zu 900 Euro mehr, so ein Ministeriumssprecher. Bei schweren Nutzfahrzeuge sei mit Mehrkosten zwischen 2500 und 4000 Euro zu rechnen.

Was sagt die Industrie?

Vertreter der Autoindustrie sprechen von einem "Verbrennerverbot durch die Hintertür" und sehen viele Jobs bedroht. Der EU-Branchenverband ACEA warnt, es könnten bis zu 300.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Von Volkswagen heißt es: "Wir teilen die Einschätzung, dass Euro 7 in der jetzt vorliegenden Form negative Beschäftigungseffekte für die europäische Automobilindustrie hätte." Bundesumweltministerin Steffi Lemke stärkt der Industrie den Rücken. Die "extrem kurzen Einführungsfristen" sehe die Bundesregierung kritisch, sagte die Grünen-Politikerin der "Stuttgarter Zeitung". Die Einführung der neuen Abgasnorm müsse für die Industrie realisierbar sein, damit Arbeitsplätze erhalten werden könnten.

Welche weiteren Kritikpunkte gibt es?

Der Autoverband VDA warnt vor Produktionsausfällen und Angebotsengpässen. In der kurzen Zeit könnten nicht genügend Fahrzeuge mit den Voraussetzungen entwickelt und genehmigt werden. Die Autobranche moniert überdies, dass die Kriterien für Abgastests nach den neuen Vorgaben zu speziell seien. "Der Luftqualität ist nicht geholfen, wenn wir die Abgasemissionen eines neuen Verbrenners mit Vollgas und Pferdeanhänger im ersten Gang auf einem Bergpass in den Alpen zum Maß der Dinge machen", hieß es bei VW.

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass für die Umrüstung der Modelle Geld und Kapazitäten gebunden werden, die dann für den Ausbau in die E-Mobilität fehlen könnten. So forderte Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall: "Wir müssen alle Ressourcen in die Transformation zum elektrischen Antriebsstrang bündeln." Eine Fehlsteuerung von Investitionen und Fachkräften dürfe es nicht geben.

Wo sind die politischen Gegner?

Die Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen haben die Bundesregierung aufgefordert, die aktuellen Pläne zu Euro 7 nicht zu akzeptieren. Zu befürchten seien erhebliche Nachteile für die deutsche Autoindustrie, heißt es in einem Brief der Ministerpräsidenten an Kanzler Olaf Scholz. Die neue Abgasnorm und die Testbedingungen müssten technisch und wirtschaftlich erreichbar sein, so das Schreiben der Länderchefs Markus Söder (CSU), Winfried Kretschmann (Grüne) und Stephan Weil (SPD). "Zudem bedarf es angemessener Umsetzungsfristen, die auch die Entwicklungszyklen der Automobilhersteller berücksichtigen." Auch Bundesverkehrsminister Wissing (FDP) warnt vor einer zu scharfen Regulierung und einem Jobabbau: "Regulierung muss Mobilität fördern, nicht verhindern."

Was sagen Umweltschützer?

Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte die Intervention der Autoländer. Die Behauptung, die Technikentwicklung sei zu teuer und lohne sich mit Blick auf den geplanten Verbrennerausstieg 2035 nicht, sei "faktisch falsch und fadenscheinig argumentiert". Die drei Regierungschefs machten "Lobbyarbeit für BMW, Mercedes und VW auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger, die unter den gesundheitsschädlichen Abgasen leiden", sagte DUH-Chef Jürgen Resch.

Greenpeace rief die Autobauer dazu auf, in den kommenden Jahren emissionsfreien Antrieben zum Durchbruch zu verhelfen. "Wenn Wissing für langfristig sichere Arbeitsplätze in der Branche sorgen will, dann sollte er alles daran setzen, die deutsche Autoindustrie an die Spitze der Mobilitätswende zu setzen", erklärte Verkehrsexperte Benjamin Stephan.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. Februar 2023 um 07:35 Uhr.