Auf einer Baustelle werden Rohre für eine Nawärmenetz verlegt.

Heizen ohne fossile Energie Wie die Wärmewende funktionieren kann

Stand: 19.10.2023 08:22 Uhr

Überall in Deutschland arbeiten Kommunen und Stadtwerke an kommunalen Wärmeplänen. Doch bis zum flächendeckenden CO2-neutralen Heizen ist es noch ein weiter Weg. 

Im Neubaugebiet Troisdorf-Sieglar haben sie es schon geschafft: Die Häuser, die dort stehen, heizen komplett CO2-neutral. "Kalte Nahwärme" heißt das System, an das das Neubaugebiet angeschlossen ist. Ein Brunnen pumpt Grundwasser nach oben, über Rohre wird es zu den Häusern im Wohngebiet geführt, wo Wärmepumpen dem Wasser Wärme entziehen - zum Heizen und für Warmwasser. Anschließend wird das Grundwasser, das nun etwas kälter ist, zurück in den Boden geführt. Ein Ressourcen schonender Kreislauf.

Seit 2013 setzen sie im nordrhein-westfälischen Troisdorf im Neubau auf dieses Nahwärme-Konzept. Möglich machen das die Gegebenheiten vor Ort, erklärt Johannes Grede, der bei den Stadtwerken Troisdorf für Wärme- und Quartierentwicklung zuständig ist: "Troisdorf ist umgeben von mehreren Flüssen, der mächtige Grundwasserleiter liegt knapp unter der Erdoberfläche und das Wasser ist sehr sauber. Nur deshalb konnten wir das hier so umsetzen."  

Kein Einheitsrezept

In Troisdorfs Bestandswohngebieten sieht die Lage noch anders aus, hier wird überwiegend mit Gas und Öl geheizt. Damit sich das langfristig ändert, arbeitet die Kommune an einem Wärmeplan. Dafür schauen Kommune und Stadtwerke gemeinsam, welche Potenziale für CO2-neutrale Wärmekonzepte es in den verschiedenen Stadtteilen gibt und wie diese sich umsetzen lassen. Detektivarbeit im Kleinen sei das, sagt Grede.

In Kommunen überall in Deutschland laufen diese Planungen - bis 2026 sollen sie damit fertig sein, so will es die Bundesregierung. Anders sei die angepeilte Wärmewende, weg vom fossilen Heizen, nicht zu schaffen.

Technologieoffenheit bleibt wichtig

Dass es bald überall kommunale Wärmepläne geben soll, finden sie beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) richtig. Denn die Ausgangsbedingungen für die Wärmewende seien von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich. "Genau genommen sogar von Stadtteil zu Stadtteil, von Straße zu Straße. Die Wärmewende in Köln wird anders laufen als die Wärmewende in Kiel oder Kulmbach", heißt es vom VKU.

Deshalb habe sich der Verband auch für die Technologie-Offenheit eingesetzt: "Damit sowohl Wärmepumpen, Fernwärme als auch grüne Gase wie Wasserstoff erlaubt sind."

Servicestelle für Wärme

Doch der Weg zum fertigen Wärmeplan ist komplex, kostspielig und er braucht Zeit. Das erleben sie auch im Kreis Steinfurt, der als Vorreiterkreis in Sachen Wärmewende und Wärmeplanung gilt. Um die Einspar- und Effizienzziele im Wärmesektor für das politische Ziel Klimaneutralität 2040 zu erreichen, hat dieser bereits 2022 die Servicestelle Wärme, Effizienz und Wohnen geschaffen. Sie unterstützt fünf der insgesamt 24 zum Kreis gehörenden Kommunen bei der kommunalen Wärmeplanung.

Daniel Göcking ist Projektkoordinator der Servicestelle: "Kommunen können vom Bund derzeit eine finanzielle Förderung in Höhe von 90 Prozent erhalten, für die Erstellung des Wärmeplans. Aber um diese zu bekommen, müssen sie im Vorfeld Anträge stellen, Richtpreise einholen und externe Dienstleister beauftragen", sagt Göcking. Es folgten Abstimmungen mit dem Fördermittelgeber, was viele Kommunen personell nicht stemmen könnten. Hier komme dann die Servicestelle ins Spiel.

Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger gefragt

Eine weitere Herausforderung sei es, alle betroffenen Akteure einzubinden und bei der Wärmewende mitzunehmen, sagt Claudia Franca Machado, Sachgebietsleiterin Klimaschutz im Kreis Steinfurt - also die Bürgerinnen und Bürger, die Energieversorger, die Industrie, das Handwerk und auch die Wohnungswirtschaft. Schließlich müssten die Wärmepläne anschließend oder sogar parallel zur Erstellung auch umgesetzt werden.

Das sehen sie auch in Troisdorf so. Um irgendwann etwa Nahwärmenetze in Bestandssiedlungen bauen zu können, brauchen sie die Mitarbeit der Hausbesitzer, sagt Johannes Grede von den Troisdorfer Stadtwerken: "Allein einen Stadtteil in Troisdorf mit 4000 Einwohnern mit neuer Infrastruktur zu versorgen, kostet schnell 30 Millionen Euro. Das können wir als Stadtwerke nur bauen, wenn die Menschen sich auch an das Netz anschließen." 

 

Große Zustimmung in Troisdorf

In Troisdorf haben sie dazu bereits in einzelnen Stadtteilen Befragungen durchgeführt. 50 Prozent hätten angegeben, sich an ein neues, nicht-fossiles Netz anschließen zu wollen. "Das zeigt uns, dass die Leute CO2-neutral heizen wollen", schlussfolgert Johannes Grede.

Jetzt liege es an den Kommunen, an den Stadtwerken - und am Bund. Denn ohne weitere Fördermittel könnte sich der großflächige Infrastruktur-Umbau als schwierig erweisen.