Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko
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Krieg gegen die Ukraine ++ Klitschko wirft Selenskyj Fehler vor ++

Stand: 03.12.2023 23:53 Uhr

Kiews Bürgermeister Klitschko hat den ukrainischen Präsidenten Selenskyj ungewöhnlich deutlich kritisiert. Beide Kriegsparteien planen offenbar Besuche bei Gefangenen der anderen Seite. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen.

03.12.2023 • 23:51 Uhr

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In der Ukraine haben die seit zwei Monaten anhaltenden heftigen Kämpfe um die Stadt Awdijiwka nach Angaben des Bürgermeisters nachgelassen. Es habe in den vergangenen 24 Stunden weniger Angriffe durch russische Bodentruppen gegeben, sagte Bürgermeister Witali Barabasch dem ukrainischen Fernsehsender Freedom. Unterdessen wurden nach Behördenangaben in der südukrainischen Region Cherson mindestens zwei Menschen bei russischem Beschuss getötet.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Den aus seiner Sicht festzustellenden Rückgang des Kampfgeschehens rund um das ostukrainische Awdijiwka erklärte Bürgermeister Barabasch mit "großen Verlusten" seitens der russischen Truppen sowie mit widrigen Witterungsbedingungen. Diese Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden. Russlands Streitkräfte griffen zwar weiterhin "fast rund um die Uhr" die in der Stadt gelegene Kokerei an, den russischen Truppen gehe jedoch "die Puste aus", sagte Barabasch.

Das in der Region Donezk nur wenige Kilometer von der gleichnamigen Großstadt entfernte Awdijiwka ist einer der Schwerpunkte der Kämpfe an der Front zwischen ukrainischen und russischen Truppen geworden. Russische Einheiten haben Stellungen östlich, nördlich und südlich der weitgehend zerstörten Stadt bezogen, sie ist nur noch über eine asphaltierte Straße mit dem ukrainischen Umland verbunden. Die ukrainische Armee erklärt ihrerseits, den russischen Angriffen standzuhalten. Russische Streitkräfte und pro-russische Separatisten kontrollieren seit 2014 große Teile der Region Donezk. Es ist eines von vier Gebieten im Osten und Süden der Ukraine, die Moskau im vergangenen Jahr für annektiert erklärt hatte, ohne die vollständige militärische Kontrolle über diese Gebiete zu haben.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die jüngsten russischen Angriffe auf die südukrainische Stadt Cherson als "reine Terroranschläge" verurteilt. "Insgesamt gab es allein an diesem Tag mehr als 20 russische Angriffe in der Region Cherson", sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache. "Brutale Schläge, in der ganzen Stadt - Häuser, Straßen, Krankenhäuser." Bei den Artillerieangriffen auf Cherson wurden nach offizieller Darstellung mindestens zwei Menschen getötet und sieben weitere schwer verletzt. Kampfhandlungen seien auch von anderen Frontabschnitten gemeldet worden. "An Dutzenden von Orten entlang der gesamten Frontlinie wird weiterhin heftig gekämpft", sagte Selenskyj. "Am schwierigsten sind die Gebiete Marijinka, Awdijiwka und Bachmut." Details nannte er nicht.

Nach wochenlangen Blockaden durch polnische Lkw-Fahrer werden Polen und die Ukraine ab Montag einen Grenzübergang für leere Lastwagen öffnen. Die Öffnung des Übergangs Dolhobyczow-Uhryniw für aus der Ukraine nach Polen einfahrende Transporter ohne Ladung sei "die erste einer Reihe von Maßnahmen, die in Kraft gesetzt werden, um die Grenze freizugeben, Warteschlangen zu reduzieren und die Kapazitäten der ukrainisch-polnischen Grenze zu erhöhen", erklärte die ukrainische Grenzbehörde. 

Bei einem russischen Artillerieüberfall auf die südukrainische Stadt Cherson sind mindestens zwei Menschen getötet worden. Sieben weitere Bewohner eines getroffenen und schwer beschädigten Mehrfamilienhauses seien schwer verletzt worden, berichtete die Agentur Unian unter Berufung auf den Militärverwalter Roman Mrotschko. Der Angriff auf die Stadtmitte habe zwei Krankenhäusern gegolten, an denen lediglich leichte Schäden registriert wurden. Die Berichte konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.

Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas hat ein internationales Tribunal zur Bestrafung der Verantwortlichen für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gefordert. "Für Kriegsverbrechen gibt es den Internationalen Strafgerichtshof, der diese Taten verfolgt. Aber für das Verbrechen des Angriffskrieges muss es auch ein Tribunal geben", sagte Kallas in Hamburg bei der Entgegennahme des Marion-Dönhoff-Preises für internationale Verständigung und Versöhnung. Der Angriffskrieg sei "die Mutter aller Verbrechen". Die verantwortlichen Spitzenpolitiker müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Katja Kallas erhält den Marion-Dönhoff Preis am 3.12.2023

Kallas erhielt den Preis für ihren Beitrag zum Aufbau eines starken und demokratischen Europas, erklärte die Jury.

CSU-Chef Söder hat einen Stopp von Bürgergeld-Zahlungen an neu ankommende ukrainische Flüchtlinge gefordert. "Es wäre nicht rechtmäßig, etwas rückwirkend zu streichen. Aber für alle neuen Fälle müssen wir umsteuern", sagte der Söder dem Magazin "Stern". "Und für alle anderen, die neu zu uns kommen, sollte es Sozialleistungen erst nach fünf Jahren statt nach 18 Monaten geben."

Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, die Zahlung von Bürgergeld an neu angekommene Flüchtlinge aus der Ukraine zu beenden. "Dass die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine alle sofort Bürgergeld erhalten, war damals, als es beschlossen wurde, von allen Beteiligten gut gemeint gewesen", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete der Nachrichtenagentur dpa. Die Entscheidung habe sich aber, was die Bereitschaft zur Aufnahme einer Arbeit anbelangt, als kontraproduktiv erwiesen.

Die Ukraine wirft Russland vor, sich stellende ukrainische Soldaten erschossen und damit ein Kriegsverbrechen begangen zu haben. In sozialen Medien war ein Video aufgetaucht, das einen Soldaten zeigt, der mit erhobenen Händen aus einem Unterschlupf herauskommt und sich anschließend auf den Boden legt. Ihm folgt ein zweiter Soldat, der sich ebenfalls hinlegt. Die russischen Soldaten eröffnen anscheinend das Feuer und das Video bricht ab.

"Die Hinrichtung von sich Ergebenden ist ein Kriegsverbrechen!", schreibt der Ombudsmann der Ukraine für Menschenrechte, Dmytro Lubinets, auf Telegram. Das russische Verteidigungsministerium reagierte zunächst nicht auf eine Anfrage zur Stellungnahme. Russland hat in der Vergangenheit stets dementiert, Kriegsverbrechen zu begehen. Die Nachrichtenagentur Reuters konnte die Echtheit, das Datum und den Ort, an dem das Video aufgenommen wurde, nicht unabhängig überprüfen. Der ukrainischen Staatsanwaltschaft zufolge ereignete sich der Vorfall im Distrikt Pokrowsk, ein Teil der Oblast Donezk, in der Nähe des heftig umkämpften Awdijiwka.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ungewöhnlich deutlich "Fehler" vorgeworfen. "Die Leute fragen sich, wieso wir auf diesen Krieg nicht besser vorbereitet waren. Wieso Selenskyj bis zum Schluss verneinte, dass es dazu kommen werde", sagte Klitschko dem schweizerischen Nachrichtenportal "20 Minuten". "Es gab zu viele Informationen, die sich mit der Realität nicht deckten", sagt der Ex-Boxweltmeister, der um mehr Ehrlichkeit warb mit Blick auf die wahre Lage der Ukraine in ihrem Kampf gegen Russlands Angriffskrieg.

"Selenskyj zahlt für die Fehler, die er gemacht hat", so Klitschko. "Selbstverständlich können wir euphorisch unser Volk und unsere Partner anlügen. Aber das kann man nicht ewig machen", sagte Klitschko weiter in dem Interview, das mehrere ukrainische und russische Medien aufgriffen. Der 52-Jährige stellte sich auch demonstrativ auf die Seite des ukrainischen Oberkommandierenden der Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, der zur Verärgerung Selenskyjs unlängst von einer Pattsituation in dem Krieg gesprochen hatte.

Der frühere Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hat Europa zu Aufrüstung mit eigenen Atomwaffen aufgefordert. Die EU brauche "eine eigene atomare Abschreckung", sagte Fischer in einem Interview mit "Zeit Online". "Die Welt hat sich verändert", sagte Fischer, und Russlands Präsident Wladimir Putin arbeite "auch mit nuklearer Erpressung". Die Arsenale der westeuropäischen Atommächte Frankreichs und Großbritanniens seien "als Antwort auf die veränderte Lage" nicht ausreichend. Fischers Partei, die Grünen, ist seit ihrer Gründung eng verbunden mit dem Widerstand gegen atomare Aufrüstung.

Fischer forderte von der Bundesregierung Investitionen für eine Aufrüstung mit konventionellen Waffen. "Wir müssen unsere Abschreckungsfähigkeit wiederherstellen", sagte er. "Solange wir einen Nachbarn Russland haben, der der imperialen Ideologie Putins folgt, können wir nicht darauf verzichten, dieses Russland abzuschrecken." Dies sei allerdings "nicht mit Schuldenbremse und ausgeglichenen Haushalten" zu erreichen.

03.12.2023 • 10:15 Uhr

Lukaschenko in China erwartet

Der belarusische Machthaber Alexander Lukaschenko besucht nach Angaben seines Büros heute und morgen China. Am Montag werde Lukaschenko den chinesischen Staatschef Xi Jinping treffen, teilte sein Präsidialamt mit. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen demnach "Handel, Wirtschaft, Investitionen und internationale Zusammenarbeit". Ob Lukaschenko bereits in China eingetroffen ist, blieb offen. Der enge Verbündete Kreml-Chef Wladimir Putins war zuletzt Ende Februar nach Peking gereist.

Im Mittelpunkt seiner Gespräche mit dem chinesischen Staatschef stand damals die russische Offensive in der Ukraine. Dabei hatte Lukaschenko seine uneingeschränkte Unterstützung für die damaligen chinesischen Vermittlungsbemühungen deutlich gemacht. Diese waren im Westen auf Skepsis gestoßen. Ob es bei dem erneuten Treffen zwischen Lukaschenko und Xi auch um die Lage in der Ukraine gehen wird, ließ das Präsidialamt in Minsk offen. Trotz wiederholter Aufforderungen des Westens hat Peking die russische Offensive bis heute offiziell nicht verurteilt. Belarus grenzt sowohl an die Ukraine wie auch an Russland.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Marburg und Hannover haben zusammen mit ukrainischen Fotografinnen und Fotografen bereits 250 durch den russischen Angriffskrieg bedrohte oder beschädigte Baudenkmäler fotografisch dokumentiert. Seit dem Start des Projekts im Oktober 2022 hätten die Fotografinnen und Fotografen insgesamt rund 3.700 Außen- und Innenaufnahmen historisch und kulturell bedeutsamer Bauwerke in Städten wie Kiew, Odessa, Mykolajiw und Saporischja angefertigt, sagte Christian Bracht, Direktor des Deutschen Dokumentationszentrums Kunstgeschichte (DDK) - Bildarchiv Foto Marburg. Dazu gehört auch die Verklärungskathedrale in der Altstadt von Odessa, die im Sommer dieses Jahres bei russischen Angriffen beschädigt worden war.

Diese und andere Zerstörungen zeigten, wie brisant und wichtig die Arbeit sei. Im Rahmen des Projekts arbeitet das DDK seit gut einem Jahr mit einem Team des Leibniz-Informationszentrums Technik und Naturwissenschaften (TIB) sowie 17 ukrainischen Fotografinnen und Fotografen zusammen. Wie viele der erfassten Baudenkmäler bislang tatsächlich zerstört wurden, ist nicht bekannt. Doch sei absehbar, dass ihre Zahl zunimmt, da bisher kein Ende des Krieges in Sicht sei, so Bracht.

Zerstörungen an der Kathedrale in Odessa (Archiv)

Odessas orthodoxe Verklärungskathedrale soll im Sommer durch Raketenangriffe beschädigt worden sein.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Bedeutung der deutschen Militärhilfe für die Stärkung der ukrainischen Luftverteidigung hervorgehoben. Dies bedeute "die Rettung Tausender ukrainischer Leben", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Dank eines neuen deutschen Hilfspakets würden zudem dringend benötigte Artilleriegeschosse des Kalibers 155 Millimeter geliefert. Angaben der Bundesregierung zufolge übergab Deutschland in seiner jüngsten Lieferung 3.840 Geschosse dieser Artilleriemunition an die Ukraine. Zudem wurden fünf Drohnenerkennungssysteme, fünf Scharfschützengewehre, etliche Sattelschlepper, Lkws, Kleinbusse, Geländefahrzeuge und weiteres Militärmaterial geliefert.

Russland und die Ukraine planen einem Medienbericht zufolge Visiten bei Kriegsgefangenen der jeweils anderen Seite. "Russische Militärangehörige werden auf der ukrainischen Seite besucht. Ukrainische Militärangehörige werden auf der russischen Seite besucht", sagte die russische Menschenrechtskommissarin Tatjana Moskalkowa laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA. Es werde mehrere solcher Visiten geben. Zusammen mit dem ukrainischen Ombudsmann für Menschenrechte, Dmytro Lubinets, habe sie bereits einen Zeitplan dafür.

Laut der ukrainischen Luftwaffe hat es in der Nacht russische Drohnenangriffe auf den Nordwesten des Landes gegeben. Die meisten Drohnen hätten aber über dem Süden der Ukraine bei Mykolajiw abgeschossen werden können, wie das Militär weiter mitteilte. Insgesamt hat Russland demnach zwölf Drohnen gestartet, von denen zehn vor Erreichen ihrer Ziele zerstört werden konnten. Russland habe die Ukraine auch mit einem Marschflugkörper angegriffen, der sein Ziel aber ebenfalls verfehlt habe.

Was mit den zwei nicht zerstörten Drohnen und dem Marschflugkörper passiert ist, blieb unklar. Berichte über Schäden lagen nicht vor. Russland äußerte sich nicht zu der Darstellung. Bei den Drohnen handelte es sich laut der ukrainischen Luftwaffe um Flugkörper des Typs "Shahed" aus iranischer Produktion.

Karte Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Russland habt laut dem ukrainischen Militärsprecher Oleksandr Stupun seine Angriffe auf Awdijiwka in den vergangenen 24 Stunden halbiert. Stupun sagte dies im Staatsfernsehen. Die Entwicklung sei auf hohe Verluste zurückzuführen. Außerhalb des Stadtzentrums, in der sogenannten Industriezone, würde weiter heftig gekämpft. Russische Kriegsblogger berichten, das Gebiet sei inzwischen unter russischer Kontrolle. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Unklar bleibt weiterhin, wer die Stadt Marinka kontrolliert.

Im Osten der Ukraine haben nach Angaben des ukrainischen Militärs zuletzt die meisten Kämpfe zwischen ukrainischen und russischen Truppen stattgefunden. An der Front bei Awdijiwka wurden in den vergangenen 24 Stunden 20 russische Angriffe zurückgeschlagen. Um Bachmut sollen die Russen laut dem Frontbericht des ukrainischen Generalstabs 15 Mal angegriffen haben. In der umkämpften südukrainischen Region Cherson würden die ukrainischen Streitkräfte indes weiterhin ihre neuen Stellungen an der Südseite des Dnipros halten.

Das ukrainische Militär setzte sich eigenen Angaben zufolge vorvergangene Woche auf der größtenteils russisch kontrollierten Seite des Flusses fest. Die Frontlage im Süden und Osten des Landes sei indes weiterhin schwierig.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Russland will die Zahl seiner Soldaten auf rund 1,32 Millionen erhöhen. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat den Ausbau von Befestigungsanlagen und Schutzräumen an der Front angekündigt. Alle Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 01. Dezember 2023 um 21:45 Uhr.