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Krieg gegen die Ukraine ++ Scholz reist wohl noch im Juni nach Kiew ++

Stand: 11.06.2022 23:53 Uhr

Bundeskanzler Scholz will laut einem Medienbericht noch in diesem Monat nach Kiew reisen. Russland stellt in der besetzten Stadt Cherson offenbar an mehrere Bewohner Pässe aus. Die Entwicklungen von Samstag zum Nachlesen.

11.06.2022 • 23:53 Uhr

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Bundeskanzler Olaf Scholz könnte schon bald in die ukrainische Hauptstadt Kiew reisen. Wie die "Bild am Sonntag" unter Berufung auf ukrainische und französische Regierungskreise berichtet, plant Scholz noch vor dem G7-Gipfel Ende Juni einen gemeinsamen Besuch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Italiens Ministerpräsident Mario Draghi.

Wie das Blatt weiter berichtet, sollen Paris und Berlin schon länger über einen gemeinsamen Kiew-Besuch verhandelt haben. Nach Informationen der Zeitung wollte Macron aber erst nach den französischen Parlamentswahlen fahren. Als Dritten im Bunde den italienischen Regierungschef mitzunehmen, soll eine Idee aus Frankreich gewesen sein. Scholz, Macron und Draghi wollen mit ihrer Reise ein Zeichen der europäischen Einigkeit setzen.

Ein Regierungssprecher wollte den Bericht nicht bestätigen. "Es gibt in dieser Sache keinen neuen Stand", sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio.

Die Kämpfe um die Großstadt Sjewjerodonezk in der Ostukraine halten nach Angaben des ukrainischen Militärs weiter an. Die russische Armee habe die zivile Infrastruktur in der Stadt sowie im benachbarten Lyssytschansk und drei weiteren Orten beschossen, teilte der Generalstab der ukrainischen Armee am Samstag mit.

Die ukrainischen Soldaten widersetzten sich weiterhin den russischen Angriffen. Im Vorort Metelkino sei ein Angriff erfolgreich abgewehrt worden, die russische Armee habe sich zurückgezogen, hieß es in dem Lagebericht. In einem weiteren Vorort hielten die Kämpfe an.

Unabhängig sind die Angaben nicht zu überprüfen. Die strategisch wichtige Industriestadt Sjewjerodonezk ist die letzte Großstadt im Gebiet Luhansk, die sich noch nicht vollständig unter russischer und prorussischer Kontrolle befindet. Gekämpft wird um sie bereits seit Wochen.

Russland will sich nicht mehr an Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte halten. Ein entsprechendes Gesetz unterzeichnete Präsident Wladimir Putin, wie die Agentur Tass meldete. Demnach werden Urteile, die nach dem 15. März ergangen sind, nicht mehr ausgeführt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat. Gemeinsam setzen sich die von der Europäischen Union unabhängigen Organe für den Schutz der Menschenrechte in den 47 Mitgliedstaaten ein. Russland und die Ukraine waren ursprünglich beide Mitglieder des Europarats. Das Gremium hatte Russlands Mitgliedschaft am 25. Februar in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine zunächst suspendiert. Nachdem der Kreml am 15. März seinen Austritt erklärt hatte, wurde Russland endgültig aus dem Europarat ausgeschlossen.

Vertreter der von Russland eingesetzten prorussischen provisorischen Verwaltung in der ukrainischen Region Saporischschja haben eine Firma für den Handel mit ukrainischem Getreide im Namen Moskaus gegründet. Mit dem Unternehmen solle lokales Getreide aufgekauft und weiterverkauft werden, sagte der von Russland eingesetzte Verwaltungschef Jewgeni Balizky der Nachrichtenagentur Interfax. Balizky sagte, das neue staatliche Getreideunternehmen habe die Kontrolle über mehrere Einrichtungen übernommen. Er sagte, "das Getreide wird russisch sein" und "es ist uns egal, wer der Käufer sein wird".

Die Ukraine und westliche Länder haben Russland vorgeworfen, ukrainisches Getreide zu stehlen und eine globale Nahrungsmittelkrise zu verursachen, die Millionen Hungertote zur Folge haben könnte. Es war unklar, ob die Bauern, deren Getreide von Russland verkauft wird, dafür bezahlt werden. Balizky sagte, seine Verwaltung werde sich Getreide nicht gewaltsam aneignen oder die Produzenten unter Druck setzen, es zu verkaufen.

Die Ukraine hat nach eigenen Angaben eine Internetverbindung zwischen dem russisch besetzten Atomkraftwerk Saporischschja und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) wieder hergestellt. Damit könne die IAEO die Beobachtung der Kraftwerksdaten wieder aufnehmen, teilt der ukrainische Staatskonzern Energoatom mit. Die Verbindung sei vom 30. Mai bis zum 10. Juni unterbrochen gewesen. Die Anlage in Saporischschja ist nach Kapazität das größte Kernkraftwerk in Europa.

Russland hat in der besetzten ukrainischen Stadt Cherson erste russische Pässe an Einwohner ausgehändigt. 23 Bewohner der Stadt im Süden der Ukraine erhielten während einer Zeremonie ihre Ausweispapiere, wie die amtliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtete. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Ende Mai einen Erlass unterzeichnet, der die Passvergabe im "vereinfachten Verfahren" ermöglicht.

Dieser gilt auch für die Region Saporischschja, die ebenfalls teilweise von Russland kontrolliert wird.  "Alle unsere Einwohner in Cherson wollen so schnell wie möglich einen Pass und die (russische) Staatsbürgerschaft erhalten", sagte der pro-russische Regional-Verwaltungschef Wladimir Saldo laut Tass. "Damit beginnt für uns eine neue Epoche", zitierte ihn die Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Die Region Cherson war zu Beginn der russischen Offensive in der Ukraine fast vollständig von der russischen Armee erobert worden. 

Die EU-Kommission will bis Ende nächster Woche die Analyse des EU-Beitrittsantrags der Ukraine abschließen. Das kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Rande von Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew an. Ob ihre Behörde den 27 Mitgliedstaaten auf Grundlage der Analyse empfehlen wird, der Ukraine uneingeschränkt den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu geben, ließ die deutsche Politikerin offen.

Von der Leyen lobte in Kiew die parlamentarisch-präsidentielle Demokratie des Landes und die gut funktionierende Verwaltung, zugleich mahnte sie Reformen für den Kampf gegen Korruption und die Modernisierung der Verwaltung an.

Vassili Golod, WDR, zzt. Kiew, mit Informationen zum Besuch von der Leyens

tagesschau 17:00 Uhr

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich bei einem Besuch der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Kiew für eine weitere EU-Sanktionsrunde gegen Russland ausgesprochen. Der 44-Jährige machte deutlich, dass diese "noch stärker" ausfallen müsse und auf mehr Vertreter des russischen Staats, etwa auf Richter, abzielen solle.

Zudem sollten die Aktivitäten aller russischen Banken einschließlich der Gazprombank sowie aller russischen Unternehmen behindert werden, die Moskau "in irgendeiner Weise" unterstützten, forderte er bei einem kurzen gemeinsamen Pressetermin auf dem schwer bewachten Gelände des Präsidialbüros.

In der Ukraine sind seit Kriegsbeginn nach Justizangaben knapp 800 Kinder getötet oder verletzt worden. Mindestens 287 Kinder seien als Folge von Militäraktionen ums Leben gekommen, mindestens 492 weitere hätten Verletzungen erlitten, teilte die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft mit.

Die meisten Fälle habe es in der Provinz Donezk gegeben, aus der 217 Kinder getötete oder verletzte Kinder gemeldet worden seien. In der Region Charkiw habe es 132 Fälle gegeben, im Gebiet um die Hauptstadt Kiew 116. Die Generalstaatsanwaltschaft betonte, die Zahlen seien nicht endgültig. Sie beruhten auf Ermittlungen von Jugendstaatsanwälten.

Kuscheltiere liegen auf dem Boden eines zerstörten Gebäudes. (Archivbild)

Ein völlig zerstörtes Haus in Borodianka in der Nähe von Kiew. Allein in diesem Gebiet wurden 116 Kinder verletzt oder getötet.

Bei einem russischen Angriff auf Anlagen im Schwarzmeerhafen Mykolajiw am vergangenen Wochenende sind nach ukrainischen Angaben erhebliche Mengen Getreide vernichtet worden. In den am 5. Juni zerstörten Lagerhäusern seien bei Kriegsbeginn am 24. Februar 250.000 bis 300.000 Tonnen Getreide gelagert gewesen, sagt Vizeagrarminister Taras Wysozkyj im Fernsehen.

Es habe sich vor allem um Weizen und Mais gehandelt. Die Anlagen der Firmengruppe DF am Nika-Tera-Hafen von Mykolajiw hatten zu den größten für den Getreideexport der Ukraine gezählt.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht ein hohes Risiko für einen Cholera-Ausbruch in der von russischen Angreifern schwer zerstörten ukrainischen Stadt Mariupol. "Die WHO hat aber bislang keine Meldung von Verdachtsfällen oder bestätigten Fällen erhalten", sagte eine Sprecherin in Genf. Die WHO sei selbst nicht in Mariupol, aber in engem Kontakt mit Partnern vor Ort.

Cholera ist eine lebensgefährliche Durchfallerkrankung, die meist durch das Trinken von etwa durch Fäkalien verschmutztem Wasser übertragen wird. Das britische Verteidigungsministerium und der vom russischen Militär aus Mariupol vertriebene Bürgermeister Wadym Boitschenko hatten bereits von einzelnen Cholerafällen in der Stadt gesprochen.

Die Lage in der Ost-Ukraine

Jens Eberl, WDR, tagesschau 17:00 Uhr

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat die Entscheidung über eine EU-Mitgliedschaft seines Landes als wegweisend für ganz Europa bezeichnet. "Eine positive Antwort der Europäischen Union auf den ukrainischen Antrag zur EU-Mitgliedschaft kann eine positive Antwort auf die Frage sein, ob es überhaupt eine Zukunft des europäischen Projekts gibt", sagte der ukrainische Staatschef bei einem Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Kiew. Bei der Abwehr des seit Ende Februar andauernden russischen Angriffskriegs habe das ukrainische Volk "bereits einen riesigen Beitrag zur Verteidigung der gemeinsamen Freiheit geleistet", sagte Selenskyj.

Kiew sei dankbar für das kürzlich verabschiedete sechste Sanktionspaket gegen Russland, sagte er. "Doch der Krieg geht leider weiter, daher ist ein siebtes Sanktionspaket erforderlich, das noch stärker sein sollte."

Das russische Militär setzt nach Angaben des Gouverneurs der Region Luhansk auch Flammenwerfer ein. Mit diesen Waffen sei das Dorf Wrubiwka attackiert worden, schrieb Serhij Hajdaj am Samstag auf Telegram. Viele Häuser seien niedergebrannt. Die Zahl der Opfer in dem Ort in der Region Popasnjanska werde noch ermittelt. Der Einsatz von Flammenwerfern auf dem Schlachtfeld ist legal, doch Hajdaj warf den russischen Truppen vor, mit dieser Waffe gegen zivile Anlagen vorzugehen.

Wrubiwka liegt südwestlich der heftig umkämpften Großstädte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk. Dort hätten die Russen Industriebetriebe und wichtige Infrastruktur angegriffen, berichtete Hajdaj, darunter Eisenbahndepots, eine Ziegelei und eine Glasfabrik. "(Die Russen) zerstören weltbekannte Fabriken", schrieb er. Tausende Einwohner von Sjewjerodonezk wollten gern zurückkehren, "aber der Feind zerstört sowohl die Stadt selbst als auch die chemische Industrie", fügte er hinzu. Hajdajs Angaben konnten nicht von unabhängiger Seite überprüft werden.

Der CDU-Außenpolitiker Röttgen erhebt schwere Vorwürfe gegen Bundeskanzler Scholz wegen dessen Verhalten in Bezug auf den Ukraine-Krieg. Scholz ' Handlungen zielten insgesamt darauf ab, "dass er nichts tut, was seine Gesprächsfähigkeit mit Putin ernsthaft beschädigt. Und das halte ich für einen schweren Fehler", sagte Röttgen der "Neuen Osnabrücker Zeitung".  "Dass jetzt, in den schwersten und verlustreichsten Wochen für die Ukraine, von der Bundesregierung nichts zu erwarten ist an Waffen, die sie gerade braucht, ist tragisch", sagte Röttgen weiter. "Die Ukraine wird einen hohen Blutzoll entrichten, weil ihr ausgerechnet jetzt Artillerie-Waffen fehlen."

Scharf verurteilte der CDU-Politiker auch, dass Scholz immer wieder mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin telefoniert. "Nach der andauernden und eindeutigen Kriegsabsicht von Putin sind solche Telefonate nicht nur überflüssig, sondern schädlich", sagte er. Die Gespräche vermittelten "immer wieder den falschen Eindruck, als gäbe es eine Basis, dass man mit Putin derzeit zu einer Verständigung kommen könnte".

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor weltweiten Hungerrevolten als Folge des russischen Angriffskrieges gegen sein Land gewarnt. "Wenn wir unsere Lebensmittel nicht exportieren können, dann wird die Welt mit einer schweren Lebensmittelkrise und Hunger in vielen Ländern Asiens und Afrikas konfrontiert werden", sagte der 44-Jährige vor Besuchern des Sicherheitsforums "Shangri La Dialogue" in Singapur, dem er per Video zugeschaltet war. Der Lebensmittelmangel könne zu politischem Chaos und dem Sturz von Regierungen vieler Länder führen.

Faktisch blockiert die russische Marine seit Beginn des Angriffskriegs vor mehr als drei Monaten die ukrainischen Schwarzmeer-Häfen und hat die Häfen in Mariupol oder Cherson besetzt. Die Ukraine, weltweit der viertgrößte Getreideexporteur, sitzt deshalb auf den eigenen Vorräten.

Polen hat der Bundesregierung mangelndes Engagement bei der versprochenen Lieferung von Panzern vorgeworfen. "Die Gespräche sind ins Stocken geraten. Man sieht keinen guten Willen. Hoffen wir, dass sich das ändert", sagte der Chef des Nationalen Sicherheitsbüros beim Präsidenten, Pawel Soloch, dem Sender Radio Rmf.fm. Die Verteidigungsministerien seien dazu im Kontakt.

Man habe in Berlin darum gebeten, Panzer zu erhalten, mit denen Panzer ersetzt werden sollen, die Polen an die Ukraine abgegeben hat, sagte Soloch. "Die deutsche Militärhilfe - sei es für die Ukraine oder sei es die Unterstützung von Ländern, die diese Hilfe leisten - bleibt hinter den Erwartungen zurück."

Polen unterstützt sein Nachbarland mit Panzern des sowjetischen Typs T-72. Warschau hat bereits deutlich gemacht, dass es dafür Ausgleich von NATO-Partnern erwartet, auch von Deutschland. Ein großer Teil des Panzerarsenals in den polnischen Streitkräften bestehe aus deutschen Panzern vom Typ Leopard.

Wegen des Krieges in der Ukraine haben Russlands Behörden die Flugverbote im Süden des Landes bis zum 18. Juni verlängert. Insgesamt elf Flughäfen blieben weiterhin gesperrt, teilte die Luftfahrtbehörde Rosawiazija mit. Unter den betroffenen Airports sind der im Schwarzmeer-Kurort Anapa, in Rostow am Don und in der Großstadt Krasnodar. Auch für die Flughäfen von Gelendschik, Woronesch sowie in Simferopol auf der 2014 annektierten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim gelten die Luftraumbeschränkungen demnach weiter. In der bei Touristen beliebten Stadt Sotschi am Schwarzen Meer läuft der Flugbetrieb aber weiter.

In den ostukrainischen Separatistengebieten haben laut russischer Nachrichtenagentur Tass in den vergangenen drei Jahren mehr als 800.000 Menschen die russische Staatsbürgerschaft auf vereinfachtem Weg erhalten. Nur knapp ein Prozent der Anträge von Bewohnern der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk sei abgelehnt worden, meldete Tass unter Berufung auf das Innenministerium in Moskau. Kremlchef Wladimir Putin hatte im April 2019 ein Dekret erlassen, dem zufolge Ukrainer im Donbass leichter russische Staatsbürger werden können.

Die vielen Neurussen dienen dem Kreml Kritikern zufolge als Instrument, um seinen Einfluss in der Ostukraine auszuweiten. Auch Gebiete, die Russlands Truppen seit Kriegsbeginn Ende Februar dieses Jahres besetzt haben, sollen auf diesem Weg enger an Moskau gebunden werden. So wurde etwa am Samstag in den Regionen Cherson und Saporischschja Angaben der von Russland eingesetzten Verwaltungen zufolge mit dem Verteilen von Pässen begonnen. Auch der russische Rubel soll dort als Zahlungsmittel eingeführt werden.

Die politische Führung in Kiew hat verstimmt auf Äußerungen von US-Präsident Biden reagiert, wonach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor Kriegsbeginn die von Russland ausgehende Gefahr nicht ernst genug genommen haben soll. Bei einer Fundraiser-Veranstaltung am Freitagabend in Los Angeles hatte Biden gesagt, es habe bereits vor dem 24. Februar Beweise dafür gegeben, dass Kremlchef Wladimir Putin die Ukraine überfallen wolle. Dann fügte er hinzu: "Es gab keinen Zweifel. Und Selenskyj wollte es nicht hören - viele Leute wollten es nicht." "Die Phrase "wollte nicht hören" bedarf sicherlich einer Erläuterung", sagte der ukrainische Präsidentensprecher Serhij Nykyforow. Selenskyj habe die internationalen Partner immer wieder dazu aufgerufen, präventiv Sanktionen zu verhängen, um Russland zu einem Abzug der damals bereits in der Grenzregion zur Ukraine stationierten Truppen zu zwingen, sagte Nykyforow der Onlinezeitung Liga.net. "Und hier kann man schon sagen, dass unsere Partner "uns nicht hören wollten", sagte er.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich in einer Ansprache für eine internationale Sicherheitskonferenz in Singapur überzeugt gezeigt, dass sein Land im Krieg gegen Russland "definitiv" die Oberhand gewinnen werde. Gleichzeitig warnte er die Delegierten aus 40 Ländern, dass in Afrika und Asien "eine akute und schwere Lebensmittelkrise und Hunger" drohten, wenn die Ukraine wegen der russischen Blockade nicht genügend Nahrungsmittel exportieren könne.

Russland hat eine eine "proportionale und angemessene Reaktion" auf die Aufstockung von NATO-Truppen in Polen angekündigt. So sollten "potenzielle Bedrohungen der Sicherheit der Russischen Föderation neutralisiert" werden, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax Oleg Tjapkin, der im russischen Außenministerium für die Beziehungen zu Europa zuständig ist.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist am Vormittag zu Gesprächen über den EU-Beitrittsantrag der Ukraine in Kiew eingetroffen. Sie will mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und Ministerpräsident Denys Schmyhal unter anderem noch offene Punkte des Aufnahmegesuchs erörtern. Zudem soll es um die langfristige Hilfe der EU bei der Beseitigung der Kriegsschäden gehen. "Wir werden eine Bestandsaufnahme der für den Wiederaufbau benötigten gemeinsamen Anstrengungen und der Fortschritte der Ukraine auf ihrem europäischen Weg vornehmen", sagte von der Leyen bei ihrer Ankunft in Kiew. "Dies wird in unsere Bewertung einfließen, die wir demnächst vorlegen werden."

Die EU-Kommission wird voraussichtlich kommenden Freitag ihre Einschätzung dazu veröffentlichen, ob der Ukraine der Status als Kandidat für einen EU-Beitritt gewährt werden sollte. Geknüpft an eine solche Empfehlung wären wohl Reformzusagen in Bereichen wie der Rechtsstaatlichkeit oder dem Kampf gegen Korruption.

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs haben knapp 10.000 Russinnen und Russen ein Visum für einen Aufenthalt in Deutschland erhalten. Rund 3560 Schengen-Visa seien von Anfang März bis Ende Mai für sie ausgestellt worden, hieß es aus dem Auswärtigen Amt auf Anfrage von "Welt am Sonntag". Hinzu kämen 5530 nationale Visa, die einen längeren Aufenthalt ermöglichen. Neben Geschäftsreisenden und Touristen nutzten auch russische Oppositionelle und Journalisten die Visa.

Mitte Mai hatten sich das Innenministerium und das Auswärtige Amt auf ein schnelleres Verfahren zur Vergabe der Visa geeinigt. Seit dem 18. Mai hat das Bundesinnenministerium nach eigenen Angaben 43 russischen Staatsangehörigen eine Aufnahme aus humanitären Gründen zugesagt. Bis dahin seien es vier gewesen.

Russland greift in der Ukraine nach Angaben aus Großbritannien offenbar schon auf Raketen aus den 60er-Jahren zurück. Die 5,5 Tonnen schwere Ch-22 sei einmal für den Einsatz von Atomsprengköpfen gegen Flugzeugträger entwickelt worden und werde jetzt wahrscheinlich mit konventionellen Sprengköpfen gegen Landziele eingesetzt, teilte das britische Verteidigungsministerium unter Berufung auf Geheimdienste mit. Die von Bombern abgefeuerte Rakete sei höchst ungenau und könne verheerende Kollateralschäden anrichten.

Im Osten die Ukraine dauern die Kämpfe weiter an. Wie ARD-Korrespondent Vassili Golod aus Kiew berichtet, hat sich die Lage an der Front insgesamt kaum verändert. Vor allem in Sjewjerodonezk soll es weiter heftige Straßenkämpfe geben. Auch in Slowjansk scheine es für die ukrainischen Truppen immer schwieriger zu werden, sich den russischen Truppen zur Wehr zu setzen.

"Ein heftiger Krieg mit vielen Verlusten", Vassili Golod, WDR, zzt. Kiew, zur militärischen Lage in der Ukraine

tagesschau24 09:00 Uhr

Kliniken in Deutschland haben bislang mehr als 200 Kranke und Verletzte aus der Ukraine aufgenommen. Von insgesamt 620 Hilfeleistungsersuchen auf europäischer Ebene habe Deutschland bereits 220 Patienten zur Behandlung übernommen, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. "Mehr als 50 weitere Patientenübernahmen werden bald abgeschlossen sein."

Die ukrainischen Verletzten und Kranken werden häufig aus den Nachbarstaaten der Ukraine nach Deutschland verlegt. Die Übernahme wird koordiniert vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

Das britischen Verteidigungsministerium berichtet von anhaltenden "intensiven Straßenkämpfen" zwischen russischen und ukrainischen Truppen im strategisch wichtigen Sjewjerodonezk. Auf beiden Seiten gebe es vermutlich zahlreiche Opfer, teilt das Ministerium unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse via Twitter mit. Die um Sjewjerodonezk stationierten russischen Truppen seien seit Freitag nicht in den Süden der Stadt vorgestoßen.

US-Präsident Joe Biden hat die Reaktion seines ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj auf Warnungen der USA vor der russischen Invasion kritisiert. Selenskyj habe nicht hören wollen, als US-Geheimdienste Informationen über die Angriffsvorbereitungen Russlands zusammentrugen, sagte Biden. Die Daten hätten jedoch gezeigt, dass Russland die Grenze überschreiten wolle. "Es gab keinen Zweifel", sagte Biden. "Und Selenskyj wollte es nicht hören."

Allerdings hätten damals auch viele andere geglaubt, dass er, Biden, übertreibe. Selenskyj hat zwar nach Kriegsbeginn an Ansehen gewonnen, doch wird ihm vorgeworfen, die Ukraine nicht ausreichend auf einen russischen Überfall vorbereitet zu haben. Er hatte in den Wochen vor Beginn der russischen Invasion am 24. Februar gereizt auf die wiederholten Warnungen der USA vor einem Militärangriff reagiert, unter anderem weil er fürchtete, dass das Szenario eines drohenden Krieges der ukrainischen Wirtschaft schaden könnte.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und ihr Kiewer Amtskollege Ruslan Stefantschuk dringen auf eine zügige Aufnahme der Ukraine in die Europäische Union. In einem gemeinsamen Gastbeitrag in der Zeitschrift "Internationale Politik" plädieren sie dafür, dem von Russland angegriffenen Land schnell zunächst den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu geben. Die EU sollte dann alles tun, damit der Beitrittsprozess "so zügig durchgeführt wird, wie es die EU-Verträge zulassen". Natürlich brauche die Annäherung an die EU Zeit. "Doch darf sie nicht Jahrzehnte dauern."

Die Präsidentin des Bundestags und der Präsident des ukrainischen Parlaments betonten: "Die Ukraine gehört zu Europa." Es dürfe kein Zweifel an Europas Entschlossenheit entstehen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten die EU-Integration der Ukraine aus vollem Herzen unterstützen. "Das muss auch beim Europäischen Rat im Juni deutlich werden."

Die vorangehende Debatte im Bundestag könne dieser Haltung Nachdruck verleihen, schrieben die beiden Parlamentspräsidenten weiter. Der Weg zur Mitgliedschaft werde nicht einfach, räumten Bas und Stefantschuk ein. Die Ukraine stehe gleichzeitig vor der langwierigen Aufgabe, das Land wiederaufzubauen, wofür die EU bereits umfassende Unterstützung zugesagt habe. "Wiederaufbau und Reformprozess müssen Hand in Hand gehen und sollten sich gegenseitig verstärken."

Russland muss vorerst auf einen Sitz im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) verzichten. In der UN-Vollversammlung verfehlte Russland in sechs Wahlrunden die erforderliche Zweidrittelmehrheit, eine siebte Wahlrunde soll erst kommende Woche stattfinden. Nach Angaben von Diplomaten wurde Russland für seinen Angriffskrieg in der Ukraine abgestraft. In der ersten Wahlrunde wurden Slowenien und die Slowakei problemlos als Vertreter Osteuropas in den Wirtschafts- und Sozialrat gewählt. Gegen Russland trat dann aber Nordmazedonien an, so dass Russland nur 118 Stimmen der 193 UN-Mitgliedstaaten bekam. Im sechsten Wahlgang bekam Russland nur 99 Stimmen.

Dem ECOSOC gehören 54 Mitglieder an, die jeweils für drei Jahre gewählt werden. Russland war schon vor einigen Wochen bei Wahlen für verschiedene Positionen in UN-Organisationen gescheitert, weil osteuropäische Länder Gegenkandidaten aufstellten.

Die schweren Kämpfe um die Industriestadt Sjewjerodonezk halten an. "Dies ist jetzt ein Artilleriekrieg", sagte Wadym Skibitskyj, der stellvertretende Leiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes, der britischen Zeitung "Guardian". Alles hänge nun davon ab, welche und wie viele Waffen der Westen der Ukraine liefere. Die Ukraine verfüge über ein Artilleriegeschütz gegen zehn bis 15 russische Artilleriegeschütze.

Die FDP dringt in der Regierungskoalition auf eine schnelle Lieferung deutscher Schützenpanzer an die Ukraine. Die FDP sage, "dass wir beim Schützenpanzer Marder den Ukrainern mehr Unterstützung zukommen lassen sollten", so der stellvertretende Bundestagsfraktionschef Alexander Graf Lambsdorff zur "Augsburger Allgemeinen". Die Marder seien keine Kampfpanzer. "Sie stehen auf dem Hof bereit, sie könnten aufbereitet und geliefert werden", sagte Lambsdorff. "Wir sind als FDP der Meinung, dass dies auch geschehen soll."

Schützenpanzer "Marder

Das deutsche Rüstungsunternehmen Rheinmetall hat die Lieferung von 88 gebrauchten und wieder aufzubereitenden "Marder"-Schützenpanzern angeboten. Die Bundesregierung hat nach bisherigem Stand aber noch nicht entschieden.

Der Bürgermeister der von russischen Truppen kontrollierten südukrainischen Stadt Mariupol hat die Vereinten Nationen und das Internationale Rote Kreuz aufgefordert, sich für die Einrichtung eines Fluchtkorridors einzusetzen, damit die verbliebenen Einwohnerinnen und Einwohner die Stadt verlassen können. Es sei die Cholera ausgebrochen. "Es gibt einen Ausbruch von Dysenterie und Cholera", sagte er im ukrainischen Fernsehen. "Der Krieg, der mehr als 20.000 Menschen das Leben gekostet hat, wird mit diesen Infektionsausbrüchen leider die Leben weiterer Tausender von Menschen in Mariupol fordern." Die sanitären Anlagen seien zerstört worden. Leichen verwesten in den Straßen.

Die Entscheidung über den EU-Kandidatenstatus für die Ukraine darf die EU nicht schwächen. "Wir werden auf die Einigkeit des Europäischen Rates achten. Wir glauben auch, dass die Europäische Union aus dieser Krise in der Ukraine gestärkt und nicht geschwächt hervorgehen muss", sagte ein Beamter des französischen Präsidialamts. Innerhalb der EU gibt es Meinungsverschiedenheiten über eine Ukraine-Kandidatur. Einige östliche Mitgliedsstaaten wollen mit einer schnellen festen Zusage zum Ukraine-Beitritt ein starkes Signal nach Russland schicken. Andere Länder, darunter auch Deutschland und Frankreich, haben Vorbehalte geäußert.

Die Schlagkraft der ukrainischen Streitkräfte ist nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj abhängig von der Lieferung westlicher Waffen. Die Truppen täten alles, um die russische Offensive zu stoppen, solange es ausreichend schwere Waffen und Artillerie gebe, sagte er in seiner abendlichen Videoansprache. Selenskyj sagte, Russland wolle jede Stadt im Donbass zerstören. "Jede Stadt, das ist keine Übertreibung. Wie Wolnowacha, wie Mariupol", so der ukrainische Präsident. "All diese Ruinen einst glücklicher Städte, die schwarzen Spuren von Bränden, die Krater von Explosionen: Das ist alles, was Russland seinen Nachbarn, Europa, der Welt geben kann."

Etwa 10.000 Soldaten der ukrainischen Armee sind nach Angaben eines Beraters von Präsident Wolodymyr Selenskyj seit der russischen Invasion im Februar getötet worden. Die Zahl fiel in einem der regelmäßigen YouTube-Videointerviews des Präsidenten-Vertrauten Olexij Arestowytsch mit dem russischen Oppositionellen Mark Feygin. Zuvor hatte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow gesagt, dass aktuell täglich bis zu 100 ukrainische Soldaten getötet würden. Arestowytsch sagte darüber hinaus, dass auf ukrainischer Seite auch zu Beginn des Krieges etwa 100 Militärangehörige pro Tag gestorben seien. Auf die Frage, ob man also von etwa 10.000 getöteten Soldaten insgesamt ausgehen könne, antwortete er: "Ja, so in etwa." Laut Arestowytsch werden aber dauerhaft mehr russische als ukrainische Soldaten getötet.

BASF-Chef Martin Brudermüller hat vor drastischen Konsequenzen eines Gas-Embargos für den Chemiekonzern gewarnt. "Sollten wir kein Gas mehr zugeteilt bekommen, blieben uns für das Herunterfahren des Standorts Ludwigshafen ein paar Stunden", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "Dann stünde der riesige Standort zum ersten Mal in seiner Geschichte still." Brudermüller hält ein Gas-Embargo demnach auch nicht für das richtige Mittel zur Beendigung des Krieges gegen die Ukraine. Er glaube, dass Hightech-Sanktionen viel wirksamer seien: "wenn es keine Flugzeugersatzteile mehr gibt, keine Halbleiter und kein Software-Update".

Brudermüller räumte ein, dass die Lage 2014 bei der russischen Annexion der Krim neu hätte bewertet werden müsse. Aufgrund der langen und verlässlichen Partnerschaft habe sich BASF damals entschieden, das inzwischen gestoppte Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 mitzufinanzieren. "Würden wir es noch mal machen? Nein."

Die Behörden in einem von russischen Truppen besetzten Teil der Ukraine umgehen offenbar westliche Sanktionen bei Getreideexporten. Sie nutzten "raffinierte Methoden", um Getreide nach Nordamerika, an Länder im Nahen Osten und nach Afrika zu verkaufen. Dies berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA. "Sie fürchten sich vor den Sanktionen, kaufen aber trotzdem mit Freude unser Getreide - natürlich über Zwischenhändler und mit listigen Tricks", zitierte RIA Wladimir Rogows, ein Mitglied der Verwaltung der südöstlichen Region Saporischschja, im russischen Fernsehen. Die Ukraine wirft Russland vor, seit seinem Angriff im Februar Getreide aus den von Moskau besetzten Gebieten zu stehlen.

Die Auswirkungen der westlichen Sanktionen auf die russische Wirtschaft sind nach Angaben der Zentralbank noch nicht abzusehen. Bisher seien die Folgen weniger akut als erwartet, sagte die Notenbank-Präsidentin Elvira Nabiullina. Das demonstriere auch die Fähigkeit der Unternehmen, sich anzupassen. Es sei jedoch verfrüht zu sagen, dass die Sanktionen ihre volle Wirkung entfaltet hätten. "Die Situation ist ungewiss, die Situation entwickelt sich weiter", so Nabiullina. Auch die Umstrukturierung der Wirtschaft sei ein andauernder Prozess, daher seien Schlussfolgerungen noch nicht möglich.

Die neun östlichen NATO-Mitglieder wollen, dass das Militärbündnis Russland künftig offiziell als Bedrohung benennt. In der Slowakei wird künftig ukrainische Militärtechnik repariert und modernisiert. Die Entwicklungen von Freitag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 11. Juni 2022 um 09:00 Uhr.