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Krieg gegen die Ukraine ++ EU-Kommission will Diamanten-Import verbieten ++

Stand: 15.11.2023 22:25 Uhr

Die EU-Kommission plant, den Import von Diamanten aus Russland zu untersagen. Bei einem russischen Raketenangriff auf ein Wohnhaus in der Region Donezk ist der Ukraine zufolge ein Mensch gestorben. Die Entwicklungen vom Mittwoch zum Nachlesen.

15.11.2023 • 22:25 Uhr

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in seiner abendlichen Videoansprache an den Kampfeswillen seiner Landsleute angesichts der russischen Invasion appelliert. Die Ukrainer könnten es sich nicht leisten, vor dem Krieg die Augen zu verschließen, sagte er in Kiew. "Russland ist immer noch in der Lage, Böses zu tun", sagte er. "Wir müssen kämpfen. Wir müssen unserer Verteidigung oberste Priorität einräumen. Und wir müssen unseren Staat jeden Tag stärker machen."

Selenskyj berichtete, dass er am Mittwoch mit der slowakischen Präsidentin Zuzana Caputova, der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Kanadas Regierungschef Justin Trudeau gesprochen habe. Er habe in diesen Gesprächen für die Unterstützung seines Landes gedankt.

Mit Flügen von Kampfjets des Typs MiG-31 hat Russland zwei Tage hintereinander stundenlangen Luftalarm in der Ukraine ausgelöst. In der Hauptstadt Kiew dauerte der Alarm am Mittag länger als zwei Stunden, wie aus Daten der staatlichen Warn-App hervorgeht. Am Dienstag waren es fast drei Stunden gewesen. Bei der MiG-31 sei immer das Risiko, dass sie Hyperschallraketen vom Typ Kinschal (Dolch) abschieße. Das sagte der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat, in der Dauernachrichtensendung des ukrainischen Fernsehens. "Es besteht eine Gefahr. Sie geht nicht weg." Deswegen werde Luftalarm ausgelöst, auch wenn dies am Tag das öffentliche Leben unterbreche. Betriebe könnten nicht arbeiten, Kinder nicht zur Schule gehen.

In Russland hat es erneut mehrere Brandanschläge auf Musterungsämter gegeben. Sicherheitskräfte nahmen in St. Petersburg Medienberichten zufolge eine 75 Jahre alte Frau fest, die ein Auto vor dem Einberufungszentrum der Armee angezündet haben soll. In online veröffentlichen Videos wirft der mutmaßliche Autobesitzer der Frau vor, proukrainische Slogans gerufen zu haben. Weitere Angriffe gab es Medienberichten zufolge in den vergangenen Tagen unter anderem im Kaukasus und auf der völkerrechtswidrig annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim.

Die Europäische Kommission will die Einfuhr von Diamanten und anderer lukrativer Güter aus Russland untersagen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, das neue Sanktionspaket umfasse unter anderem "neue Exportverbote unter anderem für Diamanten sowie Schritte, um den Ölpreisdeckel zu verschärfen".

Die Nachrichtenagentur AFP berichtete, das Diamanten-Embargo solle am 1. Januar in Kraft treten. Geplant sei "das Verbot der direkten oder indirekten Einfuhr, des Kaufs oder der Weitergabe von Diamanten aus Russland". EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zudem Einreise- und Vermögenssperren für rund hundert weitere Verantwortliche angekündigt.

Durch russischen Beschuss sind im Süden und Osten der Ukraine offiziellen Angaben zufolge mindestens zwei Zivilisten getötet und zehn weitere verletzt worden. In der umkämpften Region Saporischschja starb laut dem regionalen Militärgouverneur Jurij Malaschko ein Mann, nachdem drei russische Raketen in seiner Ortschaft einschlugen. Sieben Menschen seien dort außerdem verletzt worden.

In der ostukrainischen Stadt Selydowe im Gebiet Donezk wurde den Behörden zufolge ein mehrstöckiges Wohnhaus von einer russischen Rakete getroffen. Eine 85 Jahre alte Frau wurde demnach getötet, drei weitere Menschen erlitten Verletzungen.

Polizeiangaben zufolge schlugen in Selydowe im Morgengrauen insgesamt vier Raketen vom Typ S-300 ein und beschädigten 26 Häuser. Die Retter gingen zunächst davon aus, dass unter den Trümmern noch mindestens eine Person verschüttet sei. Die Rettungsarbeiten dauerten an.

Karte Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Ukrainischen Streitkräften ist es russischen Angaben zufolge gelungen, auf die von Russland kontrollierte Seite des Flusses Dnipro im Süden der Ukraine vorzustoßen. Rund "anderthalb" ukrainische Kompanien befänden sich "in kleinen Gruppen" am Ostufer des Flusses, erklärte der von Moskau eingesetzte Gouverneur der Region Cherson, Wladimir Saldo, im Onlinedienst Telegram. "Wir haben zusätzliche Kräfte eingesetzt", fügte Saldo hinzu. Ukrainische Soldaten säßen im Dorf Krynky in einer "Feuerhölle" fest und würden unter anderem mit Artillerie, Raketen und Drohnen beschossen. 

Die Berichte und die Anzahl der ukrainischen Streitkräfte können nicht unabhängig überprüft werden. Dem Militärglossar der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge kann eine Kompanie aus 45 bis 360 Soldaten bestehen. 

Mit Saldos Äußerungen im Onlinedienst Telegram räumte erstmals ein hochrangiger russischer Vertreter ein, dass es der Ukraine gelungen ist, auf das von Russland kontrollierte Ufer des Dnipro vorzudringen. Bislang weigerte sich der Kreml, solche Berichte zu kommentieren.  

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat davor gewarnt, dass der Krieg in der Ukraine aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerät. "Die Ukraine braucht unsere Unterstützung umso mehr, als nun auch im Nahen Osten Krieg herrscht und der in der Ukraine nicht mehr die Aufmerksamkeit erhält, die er so dringend braucht. Putins Kalkül ist: Die Welt soll die Ukraine vergessen", sagte Steinmeier auf der deutsch-ukrainischen kommunalen Partnerschaftskonferenz in Leipzig. Diesen Gefallen dürfe und werde Deutschland dem russischen Präsidenten nicht tun. "Wir werden uns an Russlands rechtswidrigen und menschenverachtenden Angriffskrieg nicht gewöhnen", sagte Steinmeier.

Während der Konferenz war auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet. Er betonte, nicht nur die Ukraine werde von dem russischen Regime bedroht, auch Nachbarländer seines Landes seien in Gefahr.

Die Leiterin des ARD-Studios in Moskau, Ina Ruck, sieht weiterhin eine mehrheitliche Zustimmung der Russen zum Krieg gegen die Ukraine. "Das liegt auch daran, dass dieser Krieg durchaus gut ist für viele Leute - so zynisch das klingt", sagte die WDR-Journalistin im Interview der Katholischen Nachrichtenagentur.

"Die Soldaten erhalten vergleichsweise viel Geld, das sie nach Hause schicken können. Und wenn sie im Kampf sterben, werden die Familien geehrt - vielleicht sogar mit einer Urkunde des Präsidenten oder Verteidigungsministers - und finanziell bedacht." Die Familien stiegen im Ansehen, so Ruck. "Oft sieht man in den Dörfern, dass der Wohlstand gestiegen ist, und dass da Geld für ein neues Auto oder ein renoviertes Haus geflossen ist."

Die meisten Russen seien vorsichtiger und misstrauischer geworden, wenn es um Gespräche mit Journalisten gehe. Manche mieden Kontakte aus Sorge um ihre Karriere oder aus Angst vor Verhaftung. "Man wird mittlerweile sogar immer häufiger angefeindet, wenn man als Angehöriger eines westlichen Landes identifiziert wird", so Ruck.

Ruck erhält am Donnerstag in Köln zusammen mit Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington, den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für Fernsehjournalismus 2023.

Bei einem nächtlichen russischen Raketenangriff auf ein Wohnhaus in der Ostukraine ist ukrainischen Behörden zufolge mindestens eine Person getötet worden. Fünf weitere Personen konnten gerettet werden, darunter ein Kind. Mindestens eine Person werde unter den Trümmern vermutet, teilte Innenminister Ihor Klymenko bei Telegram mit.

Bei dem Angriff auf die Stadt Selydove, nordwestlich der von Russland besetzten Stadt Donezk, wurde ein vierstöckiges Gebäude schwer beschädigt, so Klymenko.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko blickt mit Sorge auf die kommenden Monate. "Vor dem Winter bin ich nervös", sagte er am Rande der deutsch-ukrainischen kommunalen Partnerschaftskonferenz in Leipzig. In der Ukraine herrsche derzeit "eine Illusion an Leben, die jede Sekunde zerstört werden kann", beschrieb der Politiker die Lage in seinem Heimatland. Die Menschen dort träumten von Frieden.

Einen Teil der Ukraine an Russland abzugeben, sei undenkbar. "Wir kämpfen auch für unsere europäische Zukunft", so Klitschko. Ein Ende des Krieges sei zurzeit nicht absehbar. Seine Stadt sei gut auf den nahenden Winter vorbereitet. "Man kann aber nicht ausschließen, dass russische Raketen unsere Infrastruktur zerstören", warnte der 52-Jährige. Auch deshalb rate er seinen Bürgerinnen und Bürgern, auf das Schlimmste gefasst zu ein, also ausreichend Lebensmittel, Trinkwasser und warme Kleidung bereitzuhalten.

Davor, dass die Ukraine nach dem Ausbruch des Gaza-Krieges aus dem Fokus anderer Länder gerät, habe er Angst, sagte Klitschko. "Die Folge ist, dass Russland nicht bestraft wird und einfach weitermacht." Zudem täten sich für Russland mehr Optionen auf.

Aus Osteuropa kommen Forderungen nach entschlossenen Rettungsversuchen für den vom Scheitern bedrohten EU-Munitionsplan für die Ukraine. Wenn aus den eigenen Lagern und über eigene neue Bestellungen bei der Industrie nicht ausreichend Munition organisiert werden könne, sollte man bereit sein, in Drittstaaten zu kaufen, sagte Estlands Verteidigungsminister Hanno Pevkur in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Dies sei eine der möglichen Lösungen.

Pevkur verwies darauf, dass nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell erhebliche Mengen an in der EU produzierter Munition wegen bestehender Verträge in andere Staaten geliefert werden. Mit diesen Ländern könnten nach seiner Meinung Verhandlungen geführt werden, um die Munition dann in die von Russland angegriffene Ukraine umzuleiten. "Die Produktion ist da", sagte er.

Die Bundeswehr und ihre Partner haben inzwischen etwa 8.000 ukrainische Soldaten für die Verteidigung ihres Landes gegen russische Angreifer ausgebildet. "Meine Erwartung ist, dass wir bis Ende des Jahres ungefähr 10.000 ausgebildet haben werden in circa 200 Trainingsmodulen", sagte Generalleutnant Andreas Marlow, Befehlshaber des multinationalen Ausbildungskommandos ("Special Training Command"). Es hat seinen Sitz in Strausberg bei Berlin und steuert die Arbeit der vor einem Jahr gestarteten EU-Trainingsmission (EUMAM) für die Ukraine.

Die Ausbildung umfasst verschiedene Ebenen von einer Grundausbildung über Spezialisierungen - wie Sanitäter, Scharfschützen oder Panzerbesatzungen - bis hin zur Ausbildung des militärischen Führungspersonals. Einige Akzente hätten sich geändert, sagte Marlow. Er nannte eine Verschiebung von defensiven hin zu offensiven Operationen. Ein Engpass bleibt nach früheren Angaben der Mangel an Übersetzern wegen komplexer Sicherheitsauflagen.

Russland begnadigt den Mörder der kremlkritischen Journalistin Politkowskaja, der dafür gegen die Ukraine kämpft. Die EU wird laut Verteidigungsminister Pistorius ein Versprechen für Munitionslieferungen verfehlen. Die Entwicklungen vom Montag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. November 2023 um 11:00 Uhr.