Ein ukrainischer Soldat hält ein Funkgerät.
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Krieg gegen die Ukraine ++ Noch Truppen in Sjewjerodonezk verschanzt ++

Stand: 25.06.2022 00:02 Uhr

Trotz der Entscheidung Kiews, Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine aufzugeben, sitzen dort immer noch ukrainische Truppen und auch Zivilisten fest. Deutschland will weitere Panzerhaubitzen liefern. Die Entwicklungen zum Nachlesen im Liveblog.

25.06.2022 • 00:02 Uhr

Ende des Liveblogs

Hiermit schließen wir den heutigen Liveblog und wünschen eine gute Nacht.

In der georgischen Hauptstadt Tiflis sind rund 120.000 Menschen für einen EU-Beitritt und gegen die eigene Regierung auf die Straße gegangen. Die Demonstrierenden schwenkten georgische und EU-Flaggen und forderten den Rücktritt von Regierungschef Irakli Garibaschwili - einen Tag, nachdem die EU dem Land den Beitrittskandidatenstatus verweigert hatte.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wandte sich während der Proteste mit einer Videobotschaft an die Menge und sagte: "Wir sind freie Menschen, freie Länder und werden immer frei bleiben. Die Ukraine wird Georgien helfen, den Weg nach Europa zu gehen." Die Ukraine und Georgien stünden für immer zusammen, sagte er unter dem Beifall der Menge.

Am Donnerstag hatte die EU auf einem Gipfeltreffen in Brüssel die Ukraine und Moldau zu EU-Beitrittskandidaten erklärt -  Georgien hingegen nicht. EU-Ratspräsident Charles Michel hatte erklärt, die EU sei grundsätzlich auch bereit, Georgien den Kandidatenstatus zu geben. Allerdings müssten dafür in dem Land noch eine Reihe von Reformen umgesetzt werden.

Demonstranten halten eine riesige georgische und eine europäische Fahne während einer Demonstration vor dem Parlamentsgebäude.

Demonstranten halten eine riesige georgische und eine europäische Fahne während einer Demonstration vor dem Parlamentsgebäude.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat eine Videoschalte abgebrochen, nachdem Zweifel aufgekommen waren, dass sie tatsächlich mit Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko verbunden war. "Die erste Viertelstunde war völlig unauffällig", sagte Senatssprecherin Lisa Frerichs. Zuvor hatten mehrere Berliner Medien darüber berichtet. "Der vermeintliche Herr Klitschko hat gefragt, wie es uns mit den vielen ukrainischen Flüchtlingen geht, wie wir damit umgehen, wie die Zahlen sind, ein ganz normales Gespräch, wie wir es erwartet hatten."

Das Gespräch per Videokonferenz zum Thema Zusammenarbeit der beiden Städte sei bereits lange vorher verabredet worden. Dann seien aber einige Themen angesprochen worden, die Giffey misstrauisch gemacht hätten. "Es ging einmal darum, dass er sich auf ein angebliches Gespräch mit Botschafter (Andrij) Melnyk bezogen und gefragt hat, wie wir das sehen, dass so viele Ukrainerinnen und Ukrainer sich Sozialleistungen in Berlin erschleichen wollten", sagte Frerichs.

"Und es gab die Bitte, dass wir durch unsere Behörden unterstützen mögen, dass gerade junge Männer in die Ukraine zurückgehen, um dort zu kämpfen." Das letzte Thema sei dann noch auffälliger gewesen: "Er hat gefragt, ob wir Kiew beratend unterstützen könnten, eine Art CSD (Christopher Street Day) auszurichten. Das war angesichts des Krieges schon mehr als seltsam." Die Senatskanzlei geht von einer digitalen Manipulation aus: "Allem Anschein nach haben wir es mit Deep Fake zu tun", sagte Frerichs.

Der Kreml hat die Verleihung des EU-Kandidatenstatus an die Ukraine und Moldau als geopolitisches Manöver gegen Moskau verurteilt. Die Entscheidung bestätige, dass "eine geopolitische Vereinnahmung" der ehemaligen Sowjetrepubliken "aktiv vorangetrieben" werde, "um Russland in Schach zu halten", sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa.

Die EU verfolge damit das Ziel, mit den östlichen Nachbarländern Beziehungen auf der Grundlage eines Abhängigkeitsprinzips zu etablieren. Brüssel wende "politische und wirtschaftliche Erpressungsmethoden" an und zwinge die Kandidatenländer, "unrechtmäßige Sanktionen" gegen Moskau zu verhängen. Das "aggressive Vorgehen" der EU habe das Potenzial, neue Spaltungen und tiefe Krisen in Europa zu schaffen, fuhr Sacharowa fort. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hatte sich zuvor zurückhaltender geäußert und die Entscheidung als "innere Angelegenheit" Europas bezeichnet. Allerdings dürfe die Entwicklung nicht zu Problemen für Russland führen, sagte er weiter. 

Trotz der Grundsatzentscheidung Kiews, das schwer umkämpfte Verwaltungszentrum Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine aufzugeben, hängen in der früheren Großstadt immer noch regierungstreue Truppen, aber auch Zivilisten fest. Das geht aus dem Lagebericht des Generalstabs und aus Aussagen der Kreisverwaltung hervor.

Die russischen Truppen "haben Sturmaktivitäten in der Industriezone von Sjewjerodonezk durchgeführt", teilte der Generalstab mit. Laut dem Chef der Kreisverwaltung, Roman Wlassenko, wird der Abzug der ukrainischen Truppen noch einige Tage in Anspruch nehmen. Zudem sagte er im Interview mit dem US-Sender CNN, dass sich noch 568 Zivilisten in der Chemiefabrik "Azot" vor den Angriffen versteckten. Diese könnten die Anlage verlassen, sobald das Feuer eingestellt sei, allerdings dann nur noch in Richtung russisch besetzter Gebiete, sagte Wlassenko.

Heikel für die ukrainischen Truppen ist die Lage demnach auch in der benachbarten Stadt Lyssytschansk am Westufer des Flusses Siwerskyj Donez. Die Russen hätten mehrere Luftangriffe auf die Stadt geflogen, heißt es im Lagebericht. "Die ukrainischen Verteidiger haben erfolgreich einen Sturm am südlichen Stadtrand von Lyssytschansk abgewehrt", so der Generalstab weiter.

Angesichts der Ernennung der Ukraine und Moldaus zu EU-Beitrittskandidaten droht Russland mit negativen Konsequenzen. Mit der Entscheidung vom Donnerstag setze die Europäische Union eine Politik des geopolitischen Vordringens in die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) fort, um Russland "einzudämmen", erklärt Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa. Dabei bedächten die EU-Politiker nicht "die negativen Konsequenzen" eines solchen Schritts.

Die G7-Außenminister haben Russland aufgefordert, die ukrainischen Schwarzmeerhäfen für Lebensmittelexporte freizugeben. Durch die Blockade der Häfen, die Bombardierung von Getreidesilos und die Zerstörung der landwirtschaftlichen Infrastruktur der Ukraine verschärfe Russland die weltweite Lebensmittelkrise, hieß es in einer in Berlin veröffentlichten Erklärung.

Die Darstellung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, nach der die drohende Hungersnot eine Folge westlicher Sanktionen sei, wiesen sie als "falsches Narrativ und Desinformation" zurück. Die Erklärung wurde zwei Tage vor dem am Sonntag beginnenden G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern veröffentlicht. Deutschland hat in diesem Jahr den G7-Vorsitz inne. 

Die durch den Ukraine-Krieg drohende Hungerkrise war auch Anlass der in Berlin stattfinden internationalen Konferenz zur Nahrungsmittelsicherheit. US-Außenminister Antony Blinken und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) machten Moskau für die drohende Hungerkrise verantwortlich. Baerbock sprach von einem "zynischen Korn-Krieg": Russland lasse "zielgerichtet Lebensmittelpreise explodieren (...), um ganze Länder zu destabilisieren".

Die Bundesregierung will der Ukraine weitere Panzerhaubitzen zur Abwehr des russischen Angriffs überlassen. Dazu laufen Gespräche mit den Niederlanden sowie einem weiteren europäischen Partner, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen des Verteidigungsministeriums in Berlin erfuhr. Die Ukraine hat bisher sieben Stück der Panzerhaubitze 2000 aus Deutschland erhalten sowie fünf der Waffensysteme aus den Niederlanden.

Aus Kiew war erklärt worden, dass man mit insgesamt 18 Haubitzen - also sechs weiteren Modellen - ein komplettes ukrainisches Artilleriebataillon ausrüsten könne. In Berlin gibt es den festen Willen, die Bitte zu erfüllen, wenn auch Partner liefern, so dass Deutschland drei oder nur zwei weitere Waffensysteme liefern würde, wurde der dpa erklärt.

Polen und die baltischen Staaten fordern nach Angaben des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki eine Verstärkung der NATO-Kräfte in der sogenannten Suwalki-Lücke. Die zwischen der russischen Exklave Kaliningrad und Belarus gelegene Landverbindung von Polen nach Litauen solle stärker geschützt werden, sagt Morawiecki in Brüssel.

Die ukrainischen Streitkräfte haben den wochenlangen Kampf um die strategisch wichtige Stadt Sjewjerodonezk im Donbass aufgegeben. Dort sei der Rückzug der ukrainischen Truppen angeordnet worden, teilte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, im Onlinedienst Telegram.

Sjewjerodonezk, das bereits seit Tagen größtenteils unter russischer Kontrolle stand, liege praktisch "in Trümmern" wegen der Dauerbombardierungen durch die russischen Truppen, erklärte Hajdaj. "Es ist einfach sinnlos, auf Positionen zu bleiben, die seit Monaten unablässig beschossen werden." Die gesamte strategische Infrastruktur der Industriestadt sei zerstört. "90 Prozent der Stadt sind beschädigt, 80 Prozent der Häuser werden abgerissen werden müssen."

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz gibt Russland die Schuld an der eskalierenden Nahrungsmittelkrise. "Für diese Zuspitzung trägt Russland die Verantwortung, und Russland ganz allein", sagte der SPD-Politiker in einem Grußwort an die internationale Konferenz zur Lebensmittelsicherheit in Berlin.

Mit Blick auf das am Sonntag beginnende Treffen der G7-Staats- und Regierungschefs im bayerischen Elmau fügte Scholz hinzu: "Vom Gipfel wird eine klare Botschaft an die von Hunger bedrohten Menschen weltweit ausgehen. Wir sorgen dafür, dass Euer Leben nicht zum Spielball zynischer Machtinteressen wird."

Die Ukraine soll ein modernes Flugabwehrsystem deutscher Herstellung erhalten. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk machte den Vertragsabschluss am Donnerstag in ukrainischen Medien öffentlich. Nun bestätigte ihn auch der Hersteller gegenüber der ARD, ohne jedoch auf weitere Vertragsdetails einzugehen. Es handelt sich dabei um IRIS-T SLM, ein bodengestütztes Abwehrsystem. Es wird vom deutschen Rüstungskonzern Diehl Defence in Überlingen am Bodensee hergestellt.

Nach Angaben des Herstellers kann IRIS-T für den Schutz der Bevölkerung, wichtiger Gebäude, aber auch der Bodentruppen eingesetzt werden - mit einem Radius von 40 Kilometern. So könnte es auch Luftangriffe auf ganze Städte verhindern. Dafür werden Lenkflugkörper verwendet. Sie können Flugzeuge, Hubschrauber, Marschflugkörper und Raketen abwehren.

Nach Melnyks Informationen sollen sich die Kosten für das Flugabwehrsystem auf mehr als 170 Millionen Euro belaufen, die die Bundesregierung übernehme. Wann IRIS-T an die Ukraine ausgeliefert werden kann, blieb jedoch unklar. Die ukrainische Seite rechnete mit Oktober. Der ukrainische Botschafter äußerte in der ukrainischen Presse die Hoffnung, dass das Land noch weitere zehn solche Flugabwehrsysteme aus Deutschland bekommt.

Palina Milling, Palina Milling, WDR, 24.06.2022 14:22 Uhr

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihr US-Kollege Antony Blinken wollen gemeinsam mehr gegen die in Folge des Ukraine-Kriegs drohende Hungerkrise unternehmen. Blinken nahm in Berlin kurz vor dem G7-Gipfel in Elmau an einer internationalen Konferenz der Bundesregierung zur Ernährungssicherheit teil.

Die stärksten Industriestaaten der Welt handelten in einer besonderen Verantwortung, auch wenn sie diese Hungerkrise, die sich durch den russischen Angriffskrieg verschärfe, nicht ausgelöst haben, sagte Baerbock. "Wir schauen gemeinsam als G7-Partner mit unseren internationalen Freunden hin, wenn Russland mit seinem zynischen Korn-Krieg zielgerichtet Lebensmittelpreise explodieren lässt, um ganze Länder zu destabilisieren."

Blinken dankte Deutschland für Führung in dieser Frage. "Der einzige Grund für dies ist Russlands Aggression gegen die Ukraine und Russlands Blockade von Weizen und anderen Nahrungsmitteln, die aus der Ukraine exportiert werden sollen", sagte er. "Wir sind geschlossen in der Verteidigung gemeinsamer Werte. Wir sind geschlossen in der Verteidigung von Menschenrechten und Demokratie und des internationalen Rechts", sagte er.

Italien ist überzeugt, dank seiner jüngsten Maßnahmen auf der Suche nach Alternativen zu russischem Gas eine Energiekrise im kommenden Winter vermeiden zu können. "Die Gefahr ist fast vorbei", sagte Roberto Cingolani, der Minister für den ökologischen Wandel, der Zeitung "La Stampa".

Der parteilose Universitätsprofessor rechnete vor, dass die Gasspeicher des Landes zu 55 Prozent gefüllt seien. Bis Ende des Jahres wird erwartet, dass sie zu 90 Prozent gefüllt sind - dies und das Gas neuer Lieferanten etwa aus Afrika soll Italien dann sicher über den Winter bringen.

"Vom nächsten Jahr an können wir dann durchschnaufen, denn dann bekommen wir 18 Milliarden Kubikmeter Gas von den neuen Lieferanten, schon dieses Jahr kommen wir damit auf fünf bis sechs", sagte Cingolani.

Vor Kriegsausbruch in der Ukraine hatte Italien gut 38 Prozent seines Gases oder umgerechnet gut 29 Milliarden Kubikmeter aus Russland jährlich erhalten. Zuletzt schloss Rom dann neue Deals mit Gasförderern etwa aus Algerien, Katar oder Aserbaidschan ab.

Der Kreml macht für einen möglichen EU-Beitritt der Ukraine und der Republik Moldau zur Bedingung, dass sich deren Beziehungen gegenüber Russland nicht weiter verschlechtern. "Für uns ist es sehr wichtig, dass diese Prozesse weder uns noch den Beziehungen mit den genannten Ländern noch mehr Probleme bescheren", betonte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.

Zudem müsse sichergestellt werden, dass sich nicht die Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union weiter verschlechterten, sagte Peskow. "Sie sind auch so schon reichlich verdorben."

Die Ukraine will Deutschland bei der Abkehr von russischer Energie unterstützen und könnte die Lieferung von Atomstrom anbieten. Die Atomenergie mache in der Ukraine mit "mehr als 50 Prozent einen zentralen Bestandteil der kohlestofffreien Energieerzeugung aus", schreibt Energieminister German Galuschchenko in einem Gastbeitrag für die "Wirtschaftswoche".

Seit Mitte März habe die Ukraine ihr Energienetz mit dem Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber synchronisiert. "Damit kann die Ukraine zum Outsourcer von Strom für Deutschland werden." Dadurch könne eine Art Versicherungspolster in Zeiten witterungsbedingt rückläufiger Erzeugung aus Solar- und Windkraftanlagen entstehen.

Deutschland und die Ukraine könnten dabei von den unterschiedlichen Zeit- und Klimazonen profitieren. Denn die Ukraine könne wiederum deutsche Windenergie in Überschusszeiten kaufen.

Nach dem Erhalt des EU-Kandidatenstatus hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von einem Wendepunkt für sein Land gesprochen. "Die Ukraine ist keine Brücke, kein Polster zwischen dem Westen und Russland, kein Puffer zwischen Europa und Asien, keine Einflusssphäre, keine graue Zone, kein Transitland", sagte der 44 Jahre alte Staatschef in einer Videoansprache. Die Ukraine sei ein zukünftiger gleichrangiger Partner für mindestens 27 EU-Länder - kein Drittland mehr, sondern werde Mitglied der Europäischen Union.

Im selben Video sprach Parlamentschef Ruslan Stefantschuk davon, dass diese Entscheidung die Geschichte ändern werde. Der 46-Jährige sagte: "Wir können die Geografie nicht ändern. Russland wird weiter unser Nachbar bleiben." Doch habe die Geschichte in diesem Fall die Geografie besiegt.

Regierungschef Denys Schmyhal betonte anschließend die neuen Perspektiven der Ukraine durch ihren Status als Beitrittskandidat: Kiew erhalte nun Zugang zu neuen finanziellen Hilfsprogrammen der EU. Der 46-Jährige weckte Hoffnungen auf neue Investitionen und Arbeitsplätze. "Von nun an wird unser Staat nicht nur die europäische Erfahrung übernehmen, sondern kann auch Einfluss auf die Industriepolitik der Europäischen Union nehmen", unterstrich er. Der Integrationsprozess der Ukraine sei unumkehrbar.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagt nach einem Treffen der G7-Ressortchefs, die Botschaft der sieben reichsten Demokratien sei klar: "Wir lassen nicht zu, dass der russische Angriffskrieg die Welt in Hunger stürzt."

Für die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge erhält Polen einen Kredit in Höhe von 450 Millionen Euro von der Entwicklungsbank des Europarats. Es handle sich um die größte je bewilligte Summe, teilte der Europarat in Straßburg mit. Bankchef Carlo Monticelli erklärte, es gehe darum, Polen bei der Bewältigung einer "beispiellosen wirtschaftlichen Herausforderung und einer menschlichen Tragödie" zu helfen.

Das entsprechende Abkommen unterzeichneten Monticelli und Polens Finanzministerin Magdalena Rzeczkowska in Warschau. Über einen staatlichen Hilfsfonds soll das Geld unter anderem für die Unterbringung von Geflüchteten in den Kommunen, zur Unterstützung bei den Lebenshaltungskosten, als Zuschüsse für Kinder sowie für Gesundheits- und Bildungsausgaben verwendet werden.

"Die Wirkung der Sanktionen baut sich sogar auf mit der Zeit", sagte ein Sprecher der Bundesregierung in Berlin. Bislang wirkten die Sanktionen gegen Russland. Das russische Bruttoinlandsprodukt gehe zurück und die dortige Inflation sei noch höher als bei uns.

Die russischen Truppen rücken nach ukrainischen Angaben weiter auf die umkämpfte Stadt Lyssytschansk vor. Der Bezirk Hirske südlich von Lyssytschansk in der ostukrainischen Region Luhansk sei am Morgen von den russischen Streitkräften "vollständig eingenommen" worden, sagt der Chef der Kommunalverwaltung von Hirske, Olexij Babtschenko.

Es gebe vereinzelt noch kleinere Kämpfe in den Außenbezirken, aber der Feind sei einmarschiert. Mit dem Verlust von Hirske und weiteren Siedlungen in der Umgebung droht Lyssytschansk von drei Seiten von den russischen Truppen eingeschlossen zu werden.

Die Stadt ist die letzte ukrainische Bastion in der Region Luhansk. Russland hat erklärt, in Hirske seien 2000 ukrainische Soldaten eingekesselt, darunter seien auch 80 ausländische Kämpfer.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die enge Zusammenarbeit Europas, der USA und Kanadas bei der Krisenbewältigung herausgestellt. "Es ist eine außergewöhnliche Zeit, und sie ist bisher gut bestanden worden, weil die transatlantische Partnerschaft noch mal neu revitalisiert wurde", sagte der Grünen-Politiker zum Auftakt eines Gesprächs mit US-Außenminister Antony Blinken in Berlin.

Mit der Fortdauer des Krieges müssten die Sanktionen, die Unterstützung der ukrainischen Armee, aber auch die Absprachen, wie Energie- und Lebensmittelsicherheit in Deutschland, Europa und global gewährleistet würden, immer neu justiert werden. "Und das wird sicherlich im Zentrum unserer Gespräche stehen", so Habeck.

Russland hat die USA für das litauisches Transitverbot sanktionierter Güter in die russische Exklave Kaliningrad verantwortlich gemacht. "Der sogenannte 'kollektive Westen' hat auf ausdrückliche Anweisung des Weißen Hauses ein Verbot des Bahntransits mit einer breiten Palette von Gütern in das Kaliningrader Gebiet verhängt", erklärt das russische Außenministerium. Der Schritt sei Teil eines Musters "zunehmend feindseliger Handlungen von amerikanischer Seite" gegenüber Russland.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hofft darauf, dass von Juli an wieder täglich Getreide aus der Ukraine exportiert werden kann. Es gehe angesichts des russischen Angriffskriegs darum, dauerhafte Alternativrouten zur Ausfuhr aus dem blockierten Hafen von Odessa zu finden, sagte Baerbock vor einer von der Bundesregierung einberufenen internationalen Konferenz zur Lebensmittelsicherheit. Eine Möglichkeit sei der Landweg über Rumänien und die Binnenschifffahrt über die Donau. Über diese Route werde bereits Getreide transportiert, so die Grünen-Politikerin.

Im ostukrainischen Gebiet Luhansk haben russische und prorussische Kämpfer eigenen Angaben zufolge die Siedlungen Hirske und Solote erobert. Die Luhansker Separatisten zeigten das Hissen einer sowjetischen Flagge auf dem Gebäude der Stadtverwaltung von Solote, das südlich der umkämpften Großstadt Lyssytschansk liegt. Eine Bestätigung der ukrainischen Seite gab es zunächst nicht. Zuvor war bekannt geworden, dass russische Truppen das Gebiet rund um die beiden Siedlungen eingeschlossen haben. Unklar blieb, ob zumindest Teile der ukrainischen Einheiten sich zurückziehen konnten.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat angesichts sinkender russischer Gaslieferungen eine beschleunigte Suche nach alternativen Importmöglichkeiten angekündigt. "Wir sind alle gemeinsam sehr, sehr sorgfältig vorbereitet auf die schwierige Herausforderung, die sich mit den Import fossiler Ressourcen aus Russland verbindet", sagte er vor dem zweiten EU-Gipfeltag in Brüssel. Deshalb habe man sich frühzeitig um Infrastruktur gekümmert, mit der Gas aus anderen Ländern importiert werden könne. "Das ist eine Anstrengung, die nochmal beschleunigt werden muss. Da werden wir uns unterhaken."

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock vor einer globalen Nahrungsmittelkrise gewarnt. Derzeit litten weltweit 345 Millionen Menschen akut an der Knappheit von Nahrungsmitteln. Dies sei eine Lage, "die sich wie eine lebensbedrohliche Welle vor uns auftürmt", sagte Baerbock zu Beginn einer von der Bundesregierung einberufenen internationalen Konferenz zur Lebensmittelsicherheit. Der russische Angriffskrieg habe nun "aus einer Welle einen Tsunami gemacht". Das russische Narrativ, die westlichen Sanktionen seien die Ursache dieser Krise, sei falsch. Die Regierung in Moskau trage allein die Verantwortung dafür, so die Grünen-Politikerin.

Belgiens Ministerpräsident Alexander De Croo hat vor EU-weiten Auswirkungen gewarnt, sollte Deutschland Schwierigkeiten mit der Gasversorgung bekommen. "Wenn Deutschland in Probleme gerät, dann hat das auch einen enormen Einfluss auf alle anderen europäischen Länder, auch auf unser Land", sagte De Croo am Rande eines EU-Gipfels in Brüssel. Mit Blick darauf, dass Russland sich eigentlich auch im Wirtschaftskrieg mit Europa befinde, müsse man zusammenstehen. "Es gibt kein besseres Argument für die Tatsache, dass wir das gemeinsam machen müssen, als die Folgen zu betrachten, die Deutschland potenziell erleidet", so der belgische Regierungschef. Man werde vielleicht einen schwierigen Winter erleben.

In der von der russischen Armee besetzten südukrainischen Stadt Cherson ist nach russischen Angaben ein Behördenvertreter bei einem Attentat getötet worden. "Das war ein gezielter Angriff", teilten die Behörden nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen mit. "Ein Sprengkörper war in seinem Auto angebracht", hieß es. Das Opfer sei demnach für Sport und Jugend in der Verwaltung für die Region Cherson zuständig gewesen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die russische Armee hatte das an die annektierte Krim-Halbinsel grenzende Gebiet um Cherson bereits kurz nach Beginn ihrer Ukraine-Offensive Ende Februar eingenommen. Seitdem wird das Gebiet immer näher an Russland herangeführt: Kürzlich begann Russland mit der Ausgabe russischer Pässe, außerdem wurde der russische Rubel als Zahlungsmittel eingeführt.

Ein russischer Soldat im besetzten Cherson in der Ostukraine.

Ein russischer Soldat im besetzten Cherson in der Ostukraine.

Der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo hat einen gemeinsamen Energie-Einkauf der EU-Länder und Preisobergrenzen für Gas gefordert, um eine größere Krise im Winter zu vermeiden. "Wir müssen einen Energieblock bilden. Wenn wir alle auf uns allein gestellt sind, werden wir auch allein untergehen", sagte De Croo zu Beginn des zweiten Tages des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Brüssel. "Wir müssen anfangen, Energie gemeinsam zu kaufen, wir müssen Preisobergrenzen einführen, und wir müssen gemeinsam Pläne machen, um durch den Winter zu kommen."

Durch die verringerten Liefermengen von russischem Gas könnten die Preise weiter steigen. Davor warnt die Bundesnetzagentur. "Schon jetzt werden die Gaspreissteigerungen des letzten Herbstes weitergegeben", sagte deren Präsident Klaus Müller im ARD-Morgenmagazin. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kündigte weitere Entlastungen an. Denn die Gaspreise hatten sich nach Angaben der Bundesnetzagentur zuletzt teils bereits versechsfacht.

Die russischen Truppen rücken nach Angaben des Gouverneurs der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, ohne Rücksicht auf Verluste auf das noch von ukrainischen Truppen gehaltene Verwaltungszentrum Sjewjerodonezk vor. "Die Russen rücken vor, ohne Munition oder Truppen zu sparen, und beides geht ihnen nicht aus", sagte Hajdaj der Nachrichtenagentur AP. "Sie haben einen Vorteil bei schwerer Artillerie und der Zahl der Soldaten." Ziel der russischen Angreifer sei es demnach, die ukrainischen Verteidiger zu umzingeln. Dabei würden sie alles niederbrennen.

Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums zogen sich ukrainische Soldaten aus einigen Gebieten nahe der Stadt Lyssytschansk zurück, um der Einkesselung zu entgehen. Der ukrainische Generalstab teilte mit, russische Truppen hätten die Dörfer Loskutiwka und Rai-Oleksandriwka eingenommen und versuchten, die Siedlung Syrotyne vor Sjewjerodonezk einzunehmen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel sieht in der Verleihung des EU-Kandidatenstatus für die Ukraine vor allem eine moralische Unterstützung für das Land. Präsident Wolodymyr Selenskyj habe auf dem EU-Gipfel per Videoschalte gesagt, dass der Status der ukrainischen Bevölkerung helfe, gegen die russischen Angriffe durchzuhalten, sagte Bettel.

Die russische Luftwaffe dürfte nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten unter Personalmangel leiden. Das legten Äußerungen eines kürzlich in Gefangenschaft geratenen russischen Kampfflugzeug-Piloten nahe, der angab, im Dienst der Söldnertruppe Wagner zu stehen, hieß es in einer Mitteilung auf der Webseite des britischen Verteidigungsministeriums. "Der Einsatz von bereits ausgeschiedenem Personal bei der engen Luftunterstützung, das nun bei Wagner unter Vertrag steht, zeigt, dass die russische Luftwaffe wahrscheinlich Schwierigkeiten hat, die Invasion in die Ukraine mit ausreichender Flugzeugbesatzung zu unterstützen", hieß es in der Mitteilung.

Beim Absturz eines Militärtransportflugzeugs sind in Russland vorläufigen Informationen zufolge vier Menschen gestorben. Fünf weitere seien unweit der Stadt Rjasan 200 Kilometer südöstlich von Moskau verletzt worden, meldete die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf die Gebietsverwaltung. Zuvor hatte das russische Verteidigungsministerium mitgeteilt, dass an der Maschine des Typs Iljuschin Il-76 während eines Trainingsflugs eine Triebwerkstörung festgestellt worden sei. Deshalb habe sich die Besatzung für eine Notlandung entschieden, bei der das Flugzeug stark beschädigt worden sei.

Nach einer Empfehlung der EU-Kommission sollen die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine erst dann beginnen, wenn das Land weitere Reformauflagen erfüllt hat. Nötig sei etwa eine "weitere Verstärkung der Korruptionsbekämpfung, insbesondere auf hoher Ebene". Zudem dringt die Kommission auf die Umsetzung eines Gesetzes, das den Einfluss von Oligarchen mindern soll. Die Aussicht auf einen EU-Beitritt könnte nun ein Ansporn für Reformen sein, berichtet Rebecca Barth. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal kündigte bereits an: "Wir sind voller Energie, um den Weg zur Mitgliedschaft so schnell wie möglich zu gehen."

Vor einer internationalen Ernährungskonferenz in Berlin hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gefordert, dass die Staatengemeinschaft nach dauerhaften Alternativen zum Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer suchen müsse. "Beim Export von Getreide auf dem Landweg reden wir inzwischen nicht mehr nur über eine vorübergehende Alternative", sagte Özdemir dem "Tagesspiegel".  Solange Russland mit Staatschef Wladimir Putin an der Spitze als "permanenter Aggressor" auftrete, "solange kann sich die Ukraine auch im Friedensfall nicht darauf verlassen, dass sie ihr Getreide sicher über das Schwarze Meer transportieren kann", sagte Özdemir.

Der Grünen-Politiker regte an, "dauerhafte, leistungsstarke Alternativen zum Seeweg" aufzubauen, um ukrainische Agrargüter unter Umgehung des Schwarzen Meers exportieren zu können. "Weil es sich bei der Sicherung der ukrainischen Getreide-Ausfuhren um eine globale Aufgabe handelt, müssen die EU, die USA und vor allem auch die Wirtschaft mit ins Boot geholt werden", sagte Özdemir.

Die frühere Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat das 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr befürwortet. Was nun eingesetzt werde, entspreche den Bedarfen, die seit vielen Jahren benannt worden seien, sagte Kramp-Karrenbauer in der Akademie "Die Wolfsburg" in Mülheim an der Ruhr. Sie riet dazu, auch das Thema Cybersicherheit in den Blick zu nehmen. "Es gibt eine Cyberdimension und die wird zunehmend stärker und gefährlicher", so die ehemalige Ministerin. Neben Geldmitteln brauche es hier auch klare gesetzliche Grundlagen.

Annegret Kramp-Karrenbauer

Mit Blick auf den Krieg gegen die Ukraine warnte die ehemalige Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer: "Wenn Putin das Gefühl hat, er gewinnt auch nur teilweise, wird er weitermachen."

Die USA drängen auf eine weitere internationale Isolierung Russland als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Es sei das Ziel des anstehenden G7-Gipfels in Schloss Elmau in Bayern, "Russland weiter von der Weltwirtschaft zu isolieren, die russische Rüstungslieferkette ins Visier zu nehmen und weiter gegen die Umgehung dieser beispiellosen Sanktionen vorzugehen", sagte der für die nationale Sicherheit zuständige Sprecher im Weißen Haus, John Kirby.

Vier Monate nach Kriegsbeginn hat die Ukraine den Rückzug ihrer Truppen aus der umkämpften Stadt Sjewjerodonezk im Osten des Landes offiziell angeordnet. Das sagte der Gouverneur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, im Fernsehen. Sjewjerodonezk zählte bislang zu den letzten Teilen von Luhansk, die noch nicht von russischen und prorussischen Kämpfern erobert waren.

27.03.2023 • 05:46 Uhr

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir erwartet, dass Lebensmittel noch teurer werden, und hält weitere Entlastungen für Haushalte mit geringen Einkommen für nötig. Die Höhe des Anstiegs lasse sich zwar nicht seriös vorhersagen, sagte er dem "Tagesspiegel". Aber er glaube nicht, "dass wir schon den Höhepunkt erreicht haben". Viele Hersteller müssten jetzt mehr Geld für Energie ausgeben und reichten das an Kundinnen und Kunden weiter.

Eine Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse, wie sie Sozialverbände fordern, würde der Grünen-Politiker unterstützen. "Ich fände das gut, weil Konsumausgaben gerade bei Ärmeren eine große Rolle spielen und weil das auch ein Beitrag für eine gesunde Ernährung wäre", sagte Özdemir. "Aber ich fürchte, dafür gibt es derzeit keine Mehrheit in der Regierung."

Die Ukraine hat einen Truppenrückzug aus der seit Wochen umkämpften Stadt Sjewjerodonezk im Osten des Landes angekündigt. Die ukrainischen Truppen müssten abgezogen werden, sagte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, im Fernsehen. Die Stadt sei zum größten Teil von den russischen Streitkräften besetzt. "Es ergibt keinen Sinn, in Stellungen zu bleiben, die über viele Monate hinweg zertrümmert wurden, nur um dort zu bleiben", sagte Hajdaj.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeworfen, mit hohen Gaspreisen Unsicherheit in Deutschland schüren zu wollen. Dies sei "der beste Nährboden für einen Populismus, der unsere liberale Demokratie von innen aushöhlen soll", sagte der Grünen-Politiker dem "Spiegel". Diese Strategie dürfe nicht aufgehen. Die Menschen in Deutschland trügen die hohen Preise und die hohe Inflation mit großer Geschlossenheit. Das sei eine starke Antwort auf Putins Plan, durch hohe Preise eine Spaltung der Gesellschaft zu erreichen, so Habeck. "Putin will, dass sich unser Land zerlegt. Aber wir zerlegen uns nicht."

Angesichts der reduzierten Gaslieferungen aus Russland warnte Habeck erneut vor einer engen Versorgungslage im Winter und rief zum Energiesparen auf. "Es wird auf jeden Fall knapp im Winter", so der Minister. "Wenn das Gas nicht ausreicht, müssten bestimmte Industriebereiche, die Gas benötigen, abgeschaltet werden."

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hält es für möglich, dass Russland die Lieferung von Gas nach Deutschland durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 vollständig einstellt. "Wir können es nicht ausschließen", sagte er im ARD-Morgenmagazin. Darum habe die Bundesnetzagentur verschiedene Szenarien berechnet. "Die meisten Szenarien sind nicht schön und bedeuten entweder zu wenig Gas am Ende des Winters oder aber schon - ganz schwierige Situation - im Herbst oder Winter."

"Verdoppeln bis verdreifachen kann drin sein": Klaus Müller, Bundesnetzagentur, über mögliche Gas-Preissteigerungen

morgenmagazin

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat die Forderung seines baden-württembergischen Amtskollegen Danyal Bayaz nach einem "Kriegssoli" zurückgewiesen. Massive Steuererhöhungen wie ein "Kriegssoli" seien geeignet, die wirtschaftliche Entwicklung zu strangulieren, sagte Lindner. "Wir brauchen mehr Wachstumsimpulse, mehr Gründungen, mehr Überstunden, um unseren Wohlstand zu sichern. Steuererhöhungen würden die Stärkung der Wirtschaftslage sabotieren", sagte der FDP-Politiker der Nachrichtenagentur dpa.

Wegen der großen Belastung auch durch den Ukraine-Krieg hält Bayaz Steuererhöhungen nach der Krise für unvermeidbar. "Warum nicht so etwas wie einen Kriegssoli in so einer schwierigen Zeit", hatte der Grünen-Politiker zuvor im SWR gesagt gesagt. Die Ampel habe in ihrem Koalitionsvertrag zwar Steuererhöhungen ausgeschlossen. Aber wenn diese Krise einmal vorbei sei, müsse die Frage beantwortet werden, wer die Rechnung für die Hilfspakete und das Sondervermögen für die Bundeswehr bezahle, so Bayaz.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den EU-Kandidatenstatus für sein Land als einen historischen Moment gewürdigt. "Die Zukunft der Ukraine liegt in der EU", sagte er nach der Entscheidung der Staats- und Regierungschefs der EU beim Gipfel in Brüssel. Zugleich sei dies aktuell der größte mögliche Schritt zur Stärkung Europas, "während der russische Krieg unsere Fähigkeit auf die Probe stellt, Freiheit und Einheit zu wahren".

Selenskyj hatte sich in den vergangenen Monaten massiv für eine Beitrittsperspektive starkgemacht. Er bekräftigte nun in seiner täglichen Videoansprache, dass die Ukraine in der Lage sei, ein vollwertiges EU-Mitglied zu werden.

Vor dem G7-Gipfel in Elmau hat die Hilfsorganisation Oxfam die Einführung einer Übergewinnsteuer gefordert. Nötig sei ein "Aktionsplan gegen Hunger und Armut", erklärte der Leiter im Bereich Soziale Gerechtigkeit bei Oxfam Deutschland, Tobias Hauschild. Eine Sondersteuer auf Extraprofite der größten Unternehmen in den G7-Staaten könnte nach Berechnungen der Organisation insgesamt 430 Milliarden US-Dollar (rund 409 Milliarden Euro) einbringen.

Die Situation ist laut Oxfam ernst: Die weltweiten Nahrungsmittelpreise erreichten vor dem Hintergrund es Ukraine-Kriegs zuletzt Rekordstände. In Ostafrika etwa sterbe derzeit statistisch alle 48 Sekunden ein Mensch an den Folgen von Unterernährung. "Hunger und Armut sind die Folge von Ungleichheit und politischer Untätigkeit", so Hauschild. Zuerst seien jene Menschen betroffen, die nur über ein geringes Einkommen verfügten. "Für viele geht es inzwischen um Leben und Tod."

Olena Sotnyk, Beraterin der stellvertretenden ukrainischen Regierungschefin Olha Stefanischyna, hat Ukrainerinnen und Ukrainer, die wegen des Krieges aus ihrer Heimat geflüchtet sind, vor einer übereilten Rückkehr ins Land gewarnt. Zunächst müsse die notwendige Infrastruktur wieder aufgebaut werden, Minen und Sprengfallen in vom ukrainischen Militär zurückeroberten Gebieten müssten entfernt werden. Zudem benötigten mehr Städte in der Ukraine einen besseren militärischen Schutz, etwa durch Raketenabwehrsysteme.

Aus Mariupol und nahe gelegenen Städten geflüchtete Menschen kommen in Saporischschja an.

Nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex haben seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine mehr als 5,5 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer ihr Land verlassen und sich in EU-Mitgliedsländern in Sicherheit gebracht.

Der Deutsche Städtetag hat eine Gesamtstrategie zum Wiederaufbau der Ukraine gefordert. Der Präsident des Städtetags und Münsteraner Oberbürgermeister, Markus Lewe, forderte von der Bundesregierung und auch der EU-Kommission, "alle politischen Ebenen einschließlich der Städte" an der Suche nach einem Konzept für Wiederaufbaumaßnahmen zu beteiligen. "Wir stehen fest an der Seite der Menschen in der Ukraine. Die deutschen Städte wollen deshalb den Wiederaufbau der Ukraine aktiv unterstützen", sagte Lewe der Nachrichtenagentur dpa.

Im Moment stünden noch Solidaritätsmaßnahmen und humanitäre Hilfe im Vordergrund. "Aber es laufen schon Planungen für den Wiederaufbau - für Schulen, Krankenhäuser, Wohnungen, Verkehrsverbindungen und vieles mehr. Städte können einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau leisten."

Vor dem Hintergrund des knapper werdenden Gases und der damit ausgerufenen Alarmstufe des Notfallplans hat Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke betont, dass bei der Versorgung private Haushalte stets Priorität genießen. "Für mich ist besonders wichtig, dass in allen Stufen dieses Notfallplans die Versorgung von privaten Haushalten und sozialen Einrichtungen wie Krankenhäusern gesichert ist und sie besonders geschützt sind", sagte die Grünen-Politikerin der Nachrichtenagentur dpa.

Die Entscheidung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, die zweite Stufe des Notfallplans auszurufen, nannte Lemke "hart, aber richtig".

Aufgrund der steigenden Energiepreise hat sich der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, dafür ausgesprochen, Mieterinnen und Mieter vor einer möglichen Kündigung zu schützen. "Wir fordern ein Kündigungsmoratorium, das sicherstellt, dass niemand gekündigt werden darf, der wegen stark gestiegener Heizkosten seine Nebenkostenabrechnung nicht fristgerecht bezahlen kann", sagte Siebenkotten dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete und frühere ver.di-Chef Frank Bsirske drängte auf weitere Entlastungen, "konzentriert auf untere und mittlere Einkommen, weil sie von der Preisentwicklung am stärksten betroffen sind". Er brachte eine Deckelung der Gaspreise ins Spiel, "um den Grundbedarf zu decken". Zudem ließe sich so zugleich der Verbrauch steuern. "Es gäbe also eine ökologische Lenkungswirkung", so Bsirske.

Der britische Premierminister Boris Johnson hat die Bereitschaft seines Landes signalisiert, an der Räumung von Seeminen vor der Küste der Ukraine zu helfen. Details zu eventuellen Schritten und Maßnahmen äußerte Johnson im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters nicht. Er versicherte jedoch, dass seine Regierung mit der Ukraine "auf einer technischen Ebene" spreche, "um bei der Minenräumung bei Odessa zu helfen".

Angesichts der wachsenden Sorge vor einer immer größer werdenden Knappheit bei der Gasversorgung spricht sich die Mehrheit der Deutschen im ARD-DeutschlandTrend dafür aus, Atomkraftwerke länger in Betrieb zu lassen und Kohlekraftwerke zu reaktivieren.

Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" nochmals eindringlich dazu aufgerufen, wenn möglich, Energie einzusparen. Hintergrund ist die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ausgerufene Alarmstufe des Notfallplans Gas.

Müller warnte vor den Folgen, sollte auch die dritte und letzte Stufe dieses Notfallplans ausgerufen werden müssen. Dann wären Industriefirmen auf die Zuteilung von Gas durch die Bundesnetzagentur angewiesen. Die Konsequenzen für die Unternehmen wären "schrecklich und einschneidend", warnte der Präsident der Behörde. Energie zu sparen könne helfen, damit dieser Fall gar nicht erst eintrete.

Die USA haben weitere Waffenlieferungen an die Ukraine im Umfang von 450 Millionen Dollar angekündigt. Russische Truppen sollen bis an den Stadtrand der ukrainischen Großstadt Lyssytschansk vorgedrungen sein. Die Entwicklungen von Donnerstag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 24. Juni 2022 ab 05:30 Uhr.