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Krieg in Nahost ++ Netanyahu nennt Gespräche in Paris konstruktiv ++

Stand: 29.01.2024 00:12 Uhr

Aus Sicht des israelischen Ministerpräsidenten verlaufen die Gespräche in Paris über ein neues Abkommen mit der Hamas konstruktiv. Israel hat den Grenzübergang Kerem Schalom zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Alle Entwicklungen zum Nachlesen.

28.01.2024 • 23:55 Uhr

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Israels Staatspräsident Isaac Herzog hat den Internationalen Gerichtshof mit Blick auf die Entscheidung zur Völkermordklage Südafrikas beschuldigt, Äußerungen von ihm verdreht zu haben. Das höchste UN-Gericht hat Israel am Freitag zur Zurückhaltung im Gaza-Krieg aufgefordert, aber keinen Stopp der Offensive verlangt. Zugleich entschied der IGH, die Völkermordklage anzunehmen und zu verhandeln.

Dabei verwies der IGH auf eine Reihe von Erklärungen israelischer Politiker, die laut der Entscheidung auf Aufwiegelung und entmenschlichender Sprache gegenüber Palästinensern hindeuteten. Dazu zählte das Gericht auch Äußerungen des Staatspräsidenten von kurz nach dem Terrorangriff der militant-islamistischen Hamas auf den Süden Israels vom 7. Oktober. Der Angriff löste die israelische Offensive im Gazastreifen aus. Auf einer Pressekonferenz am 12. Oktober hatte Herzog über die Palästinenser im Gazastreifen gesagt, dass "eine ganze Nation" für das Massaker verantwortlich sei, wie es in dem Bericht des IGH heißt. Herzog sagte jedoch, dass der Bericht andere Äußerungen in derselben Pressekonferenz ignoriere, in denen er sagte, dass es "keine Entschuldigung" für das Töten unschuldiger Zivilisten gebe und dass Israel das internationale Kriegsrecht einhalten werde.

Bei zwei israelischen Luftangriffen im zentralen Gazastreifen sind nach Angaben eines Journalisten der Nachrichtenagentur AP Wohnhäuser getroffen worden. Mindestens 17 Palästinenser seien getötet worden, sagte der Journalist, der die Leichen in einem örtlichen Krankenhaus sah. Ein Angriff traf demnach ein Gebäude in Sawaida; dort kamen 13 Menschen ums Leben. Der andere traf ein Mehrfamilienhaus im Flüchtlingslager Nuseirat. Vier Menschen wurden getötet.

Ebenfalls am Sonntag wurden nach Angaben eines Arztes des Schifa-Krankenhauses in der Stadt Gaza bei einem Angriff zehn Palästinenser getötet, wie die AP berichtet. Der Angriff habe ein Wohngebäude im Flüchtlingslager Schati getroffen, sagte der Arzt Moatas Harara demnach. Die Toten seien ins Schifa-Krankenhaus gebracht worden. Nach Angaben des israelischen Militärs lieferten sich die Truppen Nahkämpfe mit der militant-islamistischen Hamas in Vierteln von Chan Yunis, der zweitgrößten Stadt des Gazastreifens.

Teilnehmer einer Konferenz in Jerusalem haben eine israelische Wiederbesiedlung des Gazastreifens gefordert. Darunter waren nach Medienberichten auch mehrere israelische Minister, auch von der rechtskonservativen Regierungspartei von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir forderte auf der "Konferenz des Sieges" eine Rückkehr israelischer Siedler in den Küstenstreifen. Er forderte außerdem dazu auf, eine "Abwanderung (der Palästinenser) zu ermutigen". Nur das könne ein weiteres Massaker wie am 7. Oktober verhindern, argumentierte er.

Netanyahu hatte Forderungen nach einer Wiederbesiedlung des Gazastreifens als unrealistisch bezeichnet. Die Nachrichtenseite Ynet berichtete unter Berufung auf einen Vertrauten Netanyahus, der Regierungschef halte die Konferenz für "schädlich". Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid schrieb auf der Plattform X, vormals Twitter: "Die schädlichste Regierung in der Geschichte des Landes hat heute Abend einen neuen Tiefpunkt erreicht."

Israel hat Gespräche in Paris über eine mögliche neue Feuerpause im Nahostkrieg und die Freilassung weiterer Geiseln als "konstruktiv" beschrieben. Es gebe aber noch eine "erhebliche Kluft" zwischen den verschiedenen Positionen, teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu nach einem Treffen von CIA-Geheimdienstchef William Burns mit Vertretern Israels, Ägyptens und Katars mit.

Die Beteiligten wollten sich in dieser Woche erneut treffen, um die Diskussionen fortzusetzen, hieß es. Nach Informationen der "New York Times" wurde in Paris ein Textentwurf der US-Regierung besprochen, der auf Vorschlägen Israels und der militant-islamistischen Hamas fußt. Laut dem Plan sollen die palästinensischen Extremisten mehr als 100 Geiseln freilassen und Israel dafür seinen Militäreinsatz im Gazastreifen für etwa zwei Monate stoppen.

Drei US-Soldaten sind bei einem Drohnenangriff in Jordanien in der Nähe der syrischen Grenze getötet und viele weitere verletzt worden.

Ein britisches Kriegsschiff hat laut dem Verteidigungsministerium in London im Roten Meer eine Drohne der jemenitischen Huthi-Miliz abgefangen. Die "HMS Diamond" habe die Drohne mit ihrem Sea-Viper-Raketensystem im Roten Meer abgeschossen, ohne dass es zu Schäden oder Verletzungen gekommen sei, hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums. "Diese unerträglichen und illegalen Angriffe sind völlig inakzeptabel und es ist unsere Pflicht, die Freiheit der Schifffahrt im Roten Meer zu schützen", erklärte das Verteidigungsministerium.

Die Huthi äußerten sich nicht zu einem Angriff. Die vom Iran unterstützte Miliz greift seit November Handelsschiffe vor der jemenitischen Küste an, nach eigenen Angaben, um die militant-islamistische Hamas im Kampf gegen Israel zu unterstützen. Viele Angriffsziele haben jedoch keine eindeutigen Verbindungen zu Israel.

Nach anhaltenden Protesten von Geisel-Angehörigen gegen die Einfuhr von Hilfsgütern in den Gazastreifen hat Israel den Grenzübergang Kerem Schalom zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Der Zutritt zum umliegenden Gebiet sei nur noch mit schriftlicher Erlaubnis möglich, teilte die Armee mit. Damit wollte das Militär Demonstranten daran hindern, weiterhin die Einfuhr von Lastwagen in den Küstenstreifen zu blockieren. Die Veranstalter der Proteste kündigten jedoch nach Medienberichten an, sie wollten ihre Aktionen fortsetzen. Sie sind gegen die Einfuhr von Hilfsgütern, solange Geiseln im Gazastreifen festgehalten werden. Israel hatte den Übergang Kerem Schalom Mitte Dezember geöffnet, um die Einfuhr von mehr Hilfsgütern in das umkämpfte Gebiet zu ermöglichen.

Im Bemühen um eine Feuerpause und die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der Hamas im Gazastreifen ist der Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, William Burns, in Paris mit Vertretern Israels, Katars und Ägyptens zusammengekommen, hieß es laut der Nachrichtenagentur AFP. Burns traf demnach Verhandlungskreisen zufolge am Sonntag in der französischen Hauptstadt mit seinen israelischen und ägyptischen Kollegen sowie dem katarischen Regierungschef Mohammed bin Abdelrahman al-Thani zusammen. Vertreter der vier Länder standen auch mit den französischen Behörden in Kontakt. Ziel des Treffens ist es demnach, eine Vereinbarung voranzubringen, die eine Waffenruhe im Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas und die Freilassung der von ihr festgehaltenen Geiseln im Gazastreifen umfasst.

Die UN-Sonderberichterstatterin für die Palästinensergebiete, Francesca Albanese, hat den Zahlungsstopp mehrerer Länder an das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) als möglicherweise rechtswidrig kritisiert. Die Entscheidung der Länder, darunter die USA und Deutschland, werde "rechtliche Verantwortung nach sich ziehen" und könne "das Ende des internationalen Rechtssystems" bedeuten, erklärte Albanese im Onlinedienst X, vormals Twitter.  Albanese kritisierte, die Länder bestraften mit ihrem Zahlungsstopp "kollektiv Millionen von Palästinensern zum kritischsten Zeitpunkt" und verletzten damit "wahrscheinlich ihre Verpflichtungen gemäß der Völkermordkonvention".

Nach Angaben der von der radikalislamischen Terrororganisation Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen sind dort in den vergangenen 24 Stunden 165 Palästinenser getötet worden. Damit erhöhe sich die Zahl der Getöteten seit Beginn der israelischen Offensive auf mindestens 26.422.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die heftigen Kämpfe im Gazastreifen gehen weiter. Vor allem im Bereich von Chan Yunis im Süden des Küstengebiets gab es nach Angaben der israelischen Armee erneut "intensive Gefechte". In einer Mitteilung hieß es unter anderem: "Die Truppen haben Terroristen ausgeschaltet und große Mengen an Waffen gefunden."

Angesichts massiver israelischer Angriffe sind Tausende von Zivilisten aus dem Gebiet von Chan Yunis in Richtung Rafah an der Grenze zu Ägypten geflüchtet. Der israelische Militärsprecher veröffentlichte einen weiteren Aufruf in arabischer Sprache. Darin wurden Einwohner von vier Vierteln in Chan Yunis erneut zur Flucht in eine designierte Region am Mittelmeer aufgerufen. Außerdem nannte der Militärsprecher drei jeweils vierstündige Zeitfenster für heute, Montag und Dienstag. Taktische Kampfpausen in der Zeit sollten Menschen in Rafah ermöglichen, sich mit Proviant einzudecken. Hilfsorganisationen warnen immer wieder vor einer Hungersnot in dem blockierten Gebiet. Die israelische Armee teilte zudem mit, Truppen hätten im Norden des Gazastreifens "einen Terrortunnel entdeckt und zerstört, Terroristen ausgeschaltet und Waffen in dem Gebiet gefunden".

Karte: Gazastreifen, schraffiert: von der israelischen Armee kontrollierte Gebiete

Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen, Schraffur: Israelische Armee

Nach den schweren Vorwürfen gegen Beschäftigte des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA hat UN-Generalsekretär António Guterres rasche Konsequenzen angekündigt. "Jeder UN-Mitarbeiter, der in Terrorakte verwickelt ist, wird zur Rechenschaft gezogen werden, auch durch strafrechtliche Verfolgung", sagte er laut einer Mitteilung der Vereinten Nationen. Eine Untersuchung durch das UN-Büro für interne Aufsichtsdienste sei unverzüglich eingeleitet worden.

Guterres sagte, von den zwölf Beschuldigten seien neun sofort identifiziert und entlassen worden. Ein Mitarbeiter sei für tot erklärt worden, die Identität der beiden anderen werde derzeit geklärt. Die Verdächtigen sollten auch strafrechtlich verfolgt werden, "die verabscheuungswürdigen angeblichen Handlungen dieser Mitarbeiter" müssten Konsequenzen haben. Guterres wies darauf hin, dass die derzeitige Finanzierung des UNRWA nicht ausreiche, um die zwei Millionen Zivilisten im Gazastreifen im Februar zu unterstützen. Er appellierte an die Staaten, die ihre Beiträge ausgesetzt haben, die Kontinuität der Arbeit des UNRWA zu gewährleisten. Die Zehntausenden Mitarbeiter sollten nicht bestraft werden. "Die dringenden Bedürfnisse der verzweifelten Bevölkerungsgruppen, denen sie dienen, müssen erfüllt werden." Guterres sagte, er sei selbst entsetzt über die Anschuldigungen.

In den Verhandlungen über eine Freilassung weiterer israelischer Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Terrororganisation Hamas rückt einem Bericht zufolge eine mögliche Übereinkunft näher. US-Verhandler hätten einen Entwurf auf Grundlage von Vorschlägen Israels und der Hamas ausgearbeitet, der heute in Paris besprochen werde, berichtete die "New York Times" in der Nacht unter Berufung auf US-Regierungskreise. Der Deal könnte demnach vorsehen, dass die Hamas mehr als 100 Geiseln freilässt und Israel dafür sein militärisches Vorgehen im Gazastreifen für etwa zwei Monate einstellt. Verglichen mit der siebentägigen Feuerpause im November, während der Geiseln und in Israel inhaftierte Palästinenser ausgetauscht wurden, würden die Kampfhandlungen nun deutlich länger ruhen.

In einer ersten Phase sollten die Kämpfe für 30 Tage pausieren, hieß es in dem Bericht. In dieser Zeit solle die Hamas weibliche, ältere und verletzte Geiseln freilassen. Parallel dazu sollten beide Seiten über eine zweite Phase verhandeln, in der als Geiseln genommene israelische Männer und Soldaten für weitere 30 Tage Feuerpause freigelassen würden. Die Verhandler seien "vorsichtig optimistisch", berichtete die Zeitung. Jedoch gibt es noch unklare Punkte, etwa wie viele inhaftierte Palästinenser Israel freilassen muss. Die Hoffnung der US-Regierungsbeamten sei aber, dass Israel die Kämpfe nach einer zweimonatigen Feuerpause nicht in der Art wie jetzt wieder aufnehmen werde.

In Tel Aviv demonstrierten am Samstag tausende Menschen, die den Rücktritt von Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu verlangten. Sie warfen ihm vor, seine Mitverantwortung an den Umständen, die zum Massaker der Hamas führten, zu leugnen.

Unterdessen schwor dieser seine Landsleute erneut auf einen Sieg über die Hamas ein. "Wenn wir die Hamas-Terroristen, diese neuen Nazis, nicht eliminieren, ist das nächste Massaker nur eine Frage der Zeit", sagte er in Tel Aviv. Die Hauptlehre aus dem Holocaust sei, dass "es nur wir sind, die da sind, um uns zu verteidigen".

Israels Außenminister hat nach den Vorwürfen, zwölf Mitarbeiter des UN-Palästinenserhilfswerk seien in das Hamas-Massaker vom 7. Oktober verwickelt gewesen, den Rücktritt des UNRWA-Chefs gefordert. "Herr Lazzarini, bitte treten sie zurück", schrieb Israel Katz in der Nacht auf der Online-Plattform X . Zuvor hatte UNRWA-Leiter Philippe Lazzarini gewarnt, die Hilfe der Organisation in Gaza stehe nach dem vorläufigen Abbruch von Zahlungen mehrerer Staaten vor dem Aus.

Israels Regierungssprecher Eylon Levy warf dem UNRWA zudem vor, eine "Front der Hamas" zu sein. "Es deckt die Hamas buchstäblich", schrieb er auf X.

In Tel Aviv haben Tausende gegen den Krieg und Israels Ministerpräsident Netanyahu protestiert. Die USA und Großbritannien haben nach Angaben der Huthi-Miliz einen Hafen im Jemen bombardiert. Alle Entwicklungen zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 27. Januar 2024 um 08:00 Uhr in den Nachrichten.