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Russische Propaganda Sanktionen oft wirkungslos

Stand: 24.08.2023 12:00 Uhr

Die EU und USA wollen russische Propaganda durch Sanktionen einschränken. Recherchen von WDR und SZ zeigen nun am Beispiel des Propagandakanals "Newsfront", wie russische Medien die Sanktionen vergleichsweise mühelos umgehen.

Von Petra Blum, WDR

Ende Januar 2022 titelte ein Beitrag des russischen Propagandakanals "Newsfront" auf Deutsch, der Westen sei "gezwungen", der "wirtschaftlichen und politischen Krise zu entkommen", indem er "einen Krieg in der Ukraine" organisiere. Außerdem habe die russische Armee gar nicht die Absicht, den Nachbarstaat Ukraine anzugreifen.

Etwa einen Monat später rollten russische Panzer in Richtung Kiew, die Europäische Union sanktionierte russische Unternehmen, Politiker, Oligarchen - und den Chefredakteur des Propagandakanals "Newsfront", Konstantin Knyrik. Er sei ein pro-russischer Aktivist, so die EU.

USA: "Newsfront" vom FSB gesteuert

Die USA waren da längst weiter: "Newsfront" sei "direkt und indirekt" vom russischen Geheimdienst, FSB, gesteuert. Das führten die USA in ihren Sanktionen aus, die bereits 2021 erlassen worden waren. Bei "Newsfront" gehe es darum, Kreml-treue Narrative zu streuen und in die Gesellschaft zu tragen, so dass sie von Massenmedien aufgenommen würden.

Die USA sehen "Newsfront" als eine der vier tragenden Säulen der mit dem Geheimdienst in Verbindung stehenden Propaganda-Maschine. Das auf der Krim beheimatete Unternehmen "Newsfront" hat Webseiten in fast einem dutzend europäischer Sprachen und erreicht mehrere Millionen Klicks pro Monat.

Sanktionen oftmals wirkungslos

Recherchen und Datenanalysen von WDR, SZ und internationalen Partnern in sechs europäischen Ländern zeigen, dass die erlassenen Sanktionen gegen "Newsfront" oftmals gar nicht wirken. "Newsfront"-Inhalte verbreiteten sich in manchen Ländern weiter, etwa auf Metas Plattform Facebook, obwohl der US-Konzern sanktionierte Inhalte konsequent entfernen müsste.

Die Datenanalyse hatte rund 100 Facebook-Gruppen identifiziert, in denen Inhalte des "Newsfront"-Kanals auf Slowakisch geteilt wurden, trotz der US-Sanktionen. In Polen waren es dutzende Facebook-Gruppen, in anderen Ländern wie etwa Deutschland verbreiteten sich die Propaganda-Inhalte seit Ausbruch des Ukraine-Krieges hauptsächlich über den Messengerdienst Telegram.

Telegram habe nichts von Sanktionen gewusst

Auf Anfragen, warum "Newsfront"-Inhalte weiter verfügbar sind, reagierten die Techkonzerne unterschiedlich.

Der Messengerdienst Telegram ist zwar kein US-Konzern, teilte aber mit, von den EU-Sanktionen gegen den "Newsfront"-Chefredakteur Knyrik habe man nichts gewusst, man wolle aber jetzt handeln. Telegram begann sofort damit, eine Reihe von "Newsfront"-Kanälen in verschiedenen Sprachen zu sperren, etwa solche in Spanisch, Slowakisch, Bulgarisch oder Tschechisch.

Allerdings dauerte es nur wenige Tage, bis "Newsfront" auf Telegram entweder Kanäle wieder online stellen konnte oder einfach neue aufmachte, mit neuen Namen. Der deutsche Telegram-Kanal war ohnehin nicht gesperrt worden und verbreitete weiter unbehelligt Propaganda-Inhalte.

Die Tech-Giganten Meta und Google baten die Reporter zunächst mehrmals um genauere Angaben, wo die sanktionierten Inhalte denn gefunden worden seien. Erst nach der Anfrage begann Meta zumindest teilweise mit Sperrungen: "Newsfront"-Inhalte auf Deutsch beispielsweise verschwanden aus Facebook-Gruppen. In anderen Ländern, etwa der Slowakei, blieben sanktionierte Inhalte weiter auffindbar.

"Newsfront"-Homepage bei Google auffindbar

Bei Google erschien bislang in der Suche die Newsfront-Homepage wie jede andere Webseite. Auf Anfrage teilte Google mit, seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine habe man den Zugang zu staatlich finanzierten russischen Medien auf den Plattformen weltweit erheblich eingeschränkt. So sind beispielsweise Newsfront-Inhalte auf Youtube nicht mehr auffindbar. Aber dass sanktionierte Seiten in der Suchmaschine auffindbar seien, sei nicht verboten, so Google.

Auch der Anbieter der ".info"-Domain, auf der "Newsfront" zuvor seine Seite registriert hatte, zwang "Newsfront" offenbar, sich eine neue Domain zu suchen. Knyrik, der Chef von Newsfront, bestätigte in einer öffentlichen Mitteilung, dass "Newsfront" die Domain verlassen musste: "Was heute geschah, ist das wichtigste Ereignis im Informationskrieg […]. Heute um 4 Uhr morgens wurde die Website von 'News Front' ohne Kriegserklärung und ohne jegliche Forderungen von Banditen angegriffen."

Weiter teilte Knyrik mit, die Website sei nicht mehr verfügbar. Er warnte außerdem die Betreiber anderer Propaganda-Kanäle, man solle sich auf ein solches Szenario vorbereiten.

"Waffe im Informationskrieg"

"Medien wie 'Newsfront' sehen sich selbst als Waffen in einem Informationskrieg", erklärt Elisabeth Fast von der Fachstelle für Politische Bildung und Entschwörung der Amadeu-Antonio-Stiftung. "Es geht bei diesen Medien nicht um das Verbreiten von Information. Sondern es geht darum, bestimmte Ziele der russischen Föderation in der Mediensphäre zu erreichen und weiterzuverfolgen - diesen Kampf weiterzuführen." Die Strategie der Propaganda-Medien sei es unter anderem, gesellschaftliche Spaltung und Konflikte zu fördern.

Inzwischen hat "Newsfront" eine neue Domain - darüber verbreiten sich die Inhalte von neuem - auch auf Facebook. Auf erneute Anfrage teilte der Konzern mit, man habe diesen Versuch, durch die Hintertür wieder auf die Plattform zu kommen, erkannt und sich erneut mit Sperrungen dagegen gewehrt. Unter der neuen Domain ist die "Newsfront"-Internetseite übrigens auch wieder über Google auffindbar.