Eine junge Bundespolizistin hält ihre Mütze in den Händen.
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Bundespolizeiakademie Verfassungsschutz überprüft Professor

Stand: 15.02.2023 16:00 Uhr

Der Verfassungsschutz überprüft einen Professor der Bundespolizeiakademie. Hintergrund sind frühere Texte des Dozenten, die einen Rechtsextremismus-Verdacht nahelegen könnten.

Der Verfassungsschutz überprüft einen Professor der Bundespolizeiakademie in Lübeck. Das bestätigten Bundespolizei und Bundesinnenministerium dem NDR auf Anfrage. Gegenstand der Prüfung sind frühere Texte des Dozenten und die Frage, ob diese einen Rechtsextremismus-Verdacht nahelegen.

Unterrichten darf Stephan Maninger als Professor für Sicherheitspolitik an der Bundespolizeiakademie schon seit Längerem nicht mehr, nachdem eine Recherche von "Ippen Investigativ" Maningers Vergangenheit im Sommer 2021 öffentlich gemacht hatte.

Aus dem Innenministerium hört man, die Bundespolizeiakademie habe Maninger längst wieder in den Unterricht schicken wollen. Das sei auf Betreiben aus der Ministeriumsspitze gestoppt worden. Die Bundespolizei erklärte auf Anfrage von NDR und "Frag den Staat" dazu lediglich, Maninger werde nicht mehr im Unterricht eingesetzt.

Der Grund: Stephan Maningers Vergangenheit. Er ist einer der Gründer des Vereins hinter dem "Institut für Staatspolitik", das mittlerweile vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall und vom Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.

Sprecher der "Afrikaaner Volksfront"

Maningers Name findet sich auch in den NSU-Akten: als Redner auf einer Veranstaltung, an der auch Unterstützer aus dem NSU-Umfeld teilnahmen. Und er war Sprecher der "Afrikaaner Volksfront", einer separatistischen Bewegung in Südafrika, die sich für einen Volksstaat für Weiße einsetzte.

Hinzu kommen Dutzende Texte in der rechten Zeitschrift "Junge Freiheit". Maninger schrieb von einem "Zeitalter der ethnischen Konflikte" und einem drohenden "Ethnosuizid". Die Bundeswehr müsse sich auf die Lösung von "ethnischen Konfliktszenarien" auch im Inneren einstellen. Europäischen Städten drohten Afrikanisierung und Islamisierung.

Maninger warf Fragen nach der "Einsatzfähigkeit von Frauen in Kampfeinheiten" auf, warnte: "Die 'Problemkinder' eines multikulturellen Deutschlands heißen am Anfang des nächsten Jahrtausends 'Mehmet' und 'Kaplan'" - und er forderte in einem Interview mit dem rechten Verleger Götz Kubitschek, es sei "dringend an der Zeit, dass die westliche Welt die Demographie als Waffe" begreife.

Nichts gewusst trotz Sicherheitsüberprüfung?

Die Bundespolizei hatte damals erklärt, von all dem nichts gewusst zu haben, trotz Sicherheitsüberprüfung. Auch nicht, dass Maninger im Unterricht und vor Polizeischülern zur gleichgeschlechtlichen Ehe sinngemäß gesagt hatte, in Deutschland verstünde man unter Ehe den Bund zwischen Mann und Frau - vielleicht könne man jetzt ja auch bald sein Hausschwein heiraten.

Maninger ließ damals über seinen Anwalt mitteilen, er sehe sich in vielen Prognosen seiner früheren Texte bestätigt, andere sehe er heute kritischer. Das Hausschwein-Zitat hatte er zunächst als "menschenverachtend" bezeichnet, im Rahmen der Verwaltungsermittlungen dann aber eingeräumt - er habe damit thematisieren wollen, dass sich die Gesellschaft ständig im Wandel befinde. Rassistische Konzepte teile er nicht, in seinem Unterricht würde er zudem auch positive Aspekte von Migration erwähnen.

Maninger distanziert sich

Privat habe er mitunter andere Ansichten gehabt als die Partei, für die er sich in Südafrika engagiert hatte. Aus dem Verein, der hinter dem Institut für Staatspolitik steht, sei er recht schnell wieder ausgetreten; die Veranstaltung, bei der er als Redner vor Mitgliedern des NSU-Unterstützerumfelds auftrat, habe er mit der Absicht, sich von den Teilnehmern zu distanzieren, vorzeitig verlassen.

Nachdem Maningers Vergangenheit öffentlich geworden war, nahm die Innenrevision der Bundespolizei Ermittlungen auf. Keine vier Monate später stand deren Ergebnis fest. Für disziplinar- oder personalrechtliche Schritte seien die Sachverhalte entweder zu alt oder nicht gewichtig genug, befand die Bundespolizei Mitte November 2021 in ihrem Abschlussbericht. Und ob es sich bei dem Hausschwein-Vergleich denn wirklich "um einen herabwürdigenden, beleidigenden Vergleich handelt oder lediglich um eine nicht wertende Überspitzung" das läge, so die Bundespolizei, "auch in der subjektiven Wahrnehmung jedes Einzelnen."

Keine Rückkehr in den Unterricht

Konsequenzen für Maninger: Er durfte nicht in den Unterricht zurückkehren. Offiziell forscht er seitdem - von anderen Dozenten am Fachbereich Bundespolizei hört man, dass das an der Ausbildungseinrichtung eigentlich nicht vorgesehen sei. Auf Anfrage erklärte die Bundespolizei, es gäbe keine Aufstellung über sonstige Forschungsprojekte am Fachbereich Bundespolizei.

Nach Maningers Entlastung durch die Bundespolizei begannen zwei Politikwissenschaftler, sich mit seinen Veröffentlichungen intensiver auseinanderzusetzen: Daniel Peters und Matthias Lemke. Peters ist ebenfalls Dozent am Fachbereich Bundespolizei. Lemke wurde 2021 von dort entlassen. Die Behörde begründete das damit, dass Lemke sich dort mit Forschung und Drittmitteln beschäftigt habe, statt zu unterrichten.

Im renommierten "Jahrbuch Öffentliche Sicherheit" veröffentlichten beide im Herbst 2022 eine umfangreiche Studie. Darin auch: weitere Textfunde, in denen der Professor an der Hochschule des Bundes unter anderem vom Staat als "Handlungseunuchen" schreibt, der sich angesichts des Verbots von Folter und Todesstrafe fragen müsse, ob im Bereich der Terrorbekämpfung "nicht nur das Risiko von zu viel Gewalt besteht, sondern auch das Risiko von zu wenig."

Das Fazit der Studie: Maningers Publikationen wiesen seit Ende der 1990er-Jahre kontinuierlich neurechte Positionen auf, die mit den Kernelementen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar seien. Der Anwalt von Stephan Maninger, Ralf Höcker, wirft einem der Studienautoren daraufhin auf Anfrage vor, ein "linksradikaler Aktivist" zu sein, der einen "Privatkrieg" gegen seinen Mandanten führe.

Verfassungsschutz überprüft Maninger

Im Innenministerium - in das nur wenige Wochen nach Vorlage des Abschlussberichts in der Causa Maninger eine neue Ministerin eingezogen war - entschied man sich nun, sich den eigenen Professor doch noch einmal genauer anzusehen. "Derzeit erfolgt eine ergänzende Überprüfung der jüngeren Schriften von S. M. Über die bereits genannten umfassenden Untersuchungen hinaus wurde das Bundesamt für Verfassungsschutz zu den bekannten Schriften des S. M. eingebunden", so das Innenministerium in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion.

Zu spät, kritisiert Martina Renner von der Linkspartei: Schließlich habe das Innenministerium auch die Rechts- und Fachaufsicht über die Polizeihochschule. Wer sich dort ausbilden lasse, erwarte "eine Polizeiausbildung auf dem Boden des Grundgesetzes und keine Verschwörungstheorien der Neuen Rechten", so Renner auf NDR-Anfrage.

In ihrem eigenen Abschlussbericht hatte die Bundespolizei noch geschrieben: "Die politische Vergangenheit von Herrn Prof. Dr. Maninger dürfte durch die intensive journalistische Aufklärung und die hier durchgeführten Verwaltungsermittlungen nahezu vollständig aufgeklärt worden sein."

Stelle ist befristet

Das sah man im Ministerium nun offenbar anders - und sorgte neben der Überprüfung durch den Verfassungsschutz offenbar auch dafür, dass der Professor weiterhin nicht unterrichtete - ein Schritt, der für Maninger durchaus Konsequenzen haben könnte: Noch ist seine Professorenstelle befristet. In den sechs Jahren der Befristung muss er sich als Hochschullehrer bewähren, will er lebenslang übernommen werden. Ob das, ohne zu unterrichten, möglich ist, wird sich wohl im August 2025 zeigen - dann soll seine Befristung enden.

Marcus Engert, Marcus Engert, NDR, 15.02.2023 15:54 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. Februar 2023 um 19:00 Uhr.