Mario Voigt, Thüringens CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzender, spricht im Plenarsaal des Landtags (Foto vom 01.06.2023).
analyse

CDU-AfD-Abstimmung in Thüringen Beginn einer Freundschaft?

Stand: 15.09.2023 18:56 Uhr

Nach dem CDU-AfD-Votum in Thüringen stellt sich die Frage nach den Folgen. Bleibt es bei einer Ausnahme - oder ist es der Beginn einer längeren Freundschaft?

Von Ulli Sondermann-Becker, MDR

Wenn der hiesige CDU-Chef ein Zitat des SPD-Bundeskanzlers Olaf Scholz verwendet, um den Zorn der Thüringer Sozialdemokraten nebst Linken und Grünen zu besänftigen, dann ist man - richtig - in Thüringen. Dem Land mit den schwierigsten Mehrheitsverhältnissen der Republik. Dem Bundesland mit einer Regierung ohne Mehrheit, die trotzdem seit vier Jahren regiert. Wo die Opposition zwar schimpft, aber am Ende des Tages doch auf Neuwahlen verzichtet hat, als sich die Möglichkeit bot. Wo altgedienten Oppositionsabgeordneten die politische Abendsonne im Parlament wichtiger ist als der "normale" Reflex einer Opposition, die Regierung abzulösen.

Wo der hiesige CDU-Chef um seine Partei, seine Bekanntheit und seine politische Zukunft kämpft. Wo der Wahlkampf längst begonnen hat. Das muss sich klarmachen, wer die jüngste von der CDU beantragte Abstimmung im Thüringer Landtag "lesen" will: eine Grunderwerbssteuer-Senkung mithilfe von FDP und der rechtsextremen AfD.

Ist das jetzt der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Man weiß es nicht. Auf den Gängen der CDU-Landtagsfraktion sollen die Kronkorken geknallt haben. Für AfD-Chefin Alice Weidel war der gemeinsam errungene Sieg über Rot-Rot-Grün "nur der Anfang".

Ist das eine Drohung?

Zurück zu CDU-Chef Mario Voigt. Der erklärte in der ARD, die Menschen in Thüringen hätten "die Schnauze voll von parteitaktischen Spielchen". Ist das eine Drohung? Nein, sagt die hiesige CDU, im Umgang mit den Rechtsauslegern von der AfD bleibe es bei "keine Absprachen, keine gemeinsamen Anträge". Die Abstimmung vom Donnerstag war ein Antrag der CDU, dem die AfD zugestimmt hat. Insofern haben die Christdemokraten nicht gegen ihre Ansage verstoßen.

Beim Thema "Absprache" kommen Fragen auf. CDU und AfD haben eigene Anträge zurückgezogen, um die Abstimmung noch am Donnerstag rein zeitlich möglich zu machen. Darüber habe man sich abgesprochen, sagt der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Torben Braga. "Ich habe die anderen parlamentarischen Geschäftsführer über unser Vorhaben informiert", erklärt der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Andreas Bühl. Aber gibt es eine saubere Abgrenzung zwischen "Information" und "Absprache"?

Wutausbruch als Kollateralschaden

Solche Wortklauberei interessiert überregional sowieso kaum - dort ist der Aufschrei groß und sowieso nicht ohne Drama. Die Thüringer CDU hat diese öffentlichen Wutausbrüche in Kauf genommen. Quasi als Kollateralschaden für den Erfolg, als Opposition eine Steuersenkung herbeigeführt zu haben und damit im Wahlkampf punkten zu können.

Ein kleiner Nebeneffekt ist: Die Wut, die sich jetzt artikuliert, verbraucht sich. Die Öffentlichkeit gewöhnt sich an ein gemeinsames Handeln von AfD und CDU. Und dann ist da noch dieses Signal nach innen, in die Thüringer CDU hinein: "Seht her, wir können doch gegen Rot-Rot-Grün gewinnen." Und die Versuchung in blau ist dabei so groß.

Hätte Rot-Rot-Grün diese Niederlage verhindern können?

Es bleibt die Frage: Hätte Rot-Rot-Grün diese Abstimmungsniederlage samt AfD-Jubel verhindern können? Die Antwort lautet: höchstwahrscheinlich schon. Aber dazu hätten die Minderheitsregierungskoalition und ihr Frontmann Bodo Ramelow ernsthafte und öffentliche Zugeständnisse machen müssen.

War das jetzt Methode? Spätestens beim nächsten Vorhaben der CDU wissen wir mehr. Die CDU würde gerne das sogenannte Gendern in der öffentliche Verwaltung verhindern. Dazu gibt es schon einen CDU-Gesetzesentwurf.