Olaf Scholz

Scholz für EU-Erweiterung "Eine EU mit 27, 30, 36 Staaten"

Stand: 15.10.2022 16:31 Uhr

Bundeskanzler Scholz hat sich erneut für eine Erweiterung der EU ausgesprochen. Dass der Verbund weiter in Richtung Osten wachse, sei für alle ein Gewinn. Reformbedarf sieht er beim Einstimmigkeitsprinzip.

Bundeskanzler Olaf Scholz plädiert für eine deutliche Erweiterung der Europäischen Union mit Blick auf deren geopolitische Rolle. "Eine EU mit 27, 30, 36 Staaten mit dann mehr als 500 Millionen freien und gleichberechtigten Bürgerinnen und Bürgern kann ihr Gewicht in der Welt noch stärker zur Geltung bringen", sagte der SPD-Politiker auf dem Kongress der Parteienfamilie der europäischen Sozialdemokraten (SPE) in Berlin.

Dabei dürften die Sorgen gerade der kleineren Mitgliedstaaten nicht aus dem Blick geraten. "Auch in Zukunft muss jedes Land mit seinen Anliegen Gehör finden, alles andere wäre ein Verrat an der europäischen Idee."

Gegenwärtig hat die EU 27 Mitgliedsstaaten mit insgesamt knapp 450 Millionen Einwohnern. "Ich setze mich für die Erweiterung der EU ein. Dass die EU weiter in Richtung Osten wächst, ist für uns alle ein Gewinn", betonte Scholz. Beitrittskandidaten wie die Ukraine, Moldau, die Westbalkan-Staaten und perspektivisch Georgien müssten aber auch die Kriterien für einen Beitritt erfüllen.

Scholz bekennt sich zur Unterstützung der Ukraine

Der Ukraine und Moldau sowie weiteren beitrittswilligen Staaten sicherte er erneut Unterstützung auf ihrem Weg in die EU zu. Die beiden Staaten gehörten ebenso wie auch Georgien und die Länder des westlichen Balkans "zu uns, zum freien Europa", sagte der Kanzler. Er erinnerte an die teils schon vor vielen Jahren zugesicherte Beitrittsperspektive.

Diesen Worten müssen jetzt endlich Taten folgen.

Scholz bekannte sich auch zur Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg. Die "brutale Invasion" Russlands sei "ein Angriff auf die europäische Sicherheitsordnung". Diesen werde die europäische Staatengemeinschaft nicht akzeptieren. Der Kanzler verwies auf die militärische Unterstützung, aber auch auf die gegen Russland verhängten Sanktionen.

Kanzler will Einstimmigkeitsprinzip schrittweise abschaffen

Allerdings müsse Europa auch seine eigenen Fähigkeiten stärken und "mehr Verantwortung übernehmen für unsere eigene Sicherheit", sagte Scholz. Als Beispiel nannte er die jüngste Initiative für eine gemeinsame europäische Luftverteidigung.

Notwendig seien aber auch die geplante schnelle Eingreiftruppe und ein gemeinsames EU-Hauptquartier. "Gemeinsam und selbstbewusst müssen wir die europäischen Verteidigungsanstrengungen voranbringen", forderte der Kanzler.

Dabei drängte Scholz wieder auf Reformen in der EU selbst, um diese für die Zukunft "fit zu machen". Um Blockaden zu vermeiden, müsse "in der Außen- und auch in der Finanzpolitik schrittweise zu Mehrheitsentscheidungen" übergegangen werden. Er wisse wohl, "dass wir da noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen", räumte der Kanzler ein. Letztlich bedeuteten Mehrheitsentscheidungen aber einen Zugewinn und "keinen Verlust an Souveränität". Einstimmigkeit ist bei einigen Themen zwingend, die die Mitgliedstaaten als sensibel betrachten.

Interne Konflikte bei Migrationspolitik und Finanzen

Zudem müsse die EU es schaffen, alte interne Konflikte zu überwinden. Konkret nannte er die Migrationspolitik, aber auch unterschiedliche Auffassungen beim Thema Finanzen. Bei der Zuwanderung müsse es darum gehen, "illegale Migration zu verhindern und zugleich legale Migration von Fachkräften aus dem Ausland zu ermöglichen".

Bei Finanzen lobte er als positives Beispiel das europäische Aufbauprogramm zur Überwindung der Folgen der Corona-Krise. Ebenso wichtig sei es, in der aktuellen Krise die europäischen Gesellschaften zusammenzuhalten. "Wir müssen den sozialen Zusammenhalt stärken", forderte Scholz. Dazu müsse auch ein "europäischer Pakt für bezahlbare Energie" gehören.

Sozialdemokraten setzen Wahlziel für Europawahl 2024

Als weitere Aufgabe nannte der Kanzler, in Europa "auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit voranzugehen". Hier habe es nicht nur durch Folgen der Corona-Pandemie Rückschläge gegeben, im Ukraine-Krieg sei auch erneut geschlechterbezogene Gewalt zu beobachten.

Der SPE gehören 33 europäische Parteien an. Bereits am Freitagabend hatte der Kongress den ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. 255 von 262 Delegierten stimmten für den 65-Jährigen, der damit nach elf Jahren den Bulgaren Sergej Stanischew ablöst. Es gab sieben Enthaltungen und keine Gegenstimme.

Löfven, Scholz und SPD-Chef Lars Klingbeil gaben auf dem Kongress als Wahlziel für die Europawahl 2024 aus, dass die Sozialdemokraten wieder zur stärksten Fraktion im EU-Parlament werden. Derzeit ist die konservative Europäische Volkspartei stärkste Kraft im Europäischen Parlament - vor der Fraktion der Sozialdemokraten und Sozialisten.