Andreas Bovenschulte
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Bremen nach der Wahl Wie wird sich die SPD entscheiden?

Stand: 20.05.2023 16:13 Uhr

Nach ihrem Wahlsieg hat Bremens SPD mit allen potenziellen Koalitionspartnern gesprochen - über Inhalte wurde aber bislang nichts bekannt. Bis Mittwoch wollen die Sozialdemokraten sich entscheiden. Welches Bündnis ist wahrscheinlicher?

Die Ausgangslage

Bremens Sozialdemokraten sehen sich nach ihrem Wahlsieg vom Sonntag in einer komfortablen Situation: Es liegt an ihnen, ob sie das rot-grün-rote Bündnis fortsetzen oder dem Werben der CDU um eine Große Koalition nachgeben wollen. Am Freitag haben die Sozialdemokraten ihre Sondierungsgespräche offiziell aufgenommen. Spätestens Mittwoch wollen sie verkünden, mit wem sie zusammenarbeiten werden.

Die Beteiligten von SPD und Grünen sprachen am Freitag von "konstruktiven Gesprächen". Im Übrigen habe man Stillschweigen vereinbart. Am Abend sprachen die Sozialdemokraten mit der Linkspartei, bevor am Samstag die Gespräche mit der CDU folgten. Auch hier sind die Gespräche nach Angaben beider Seiten konstruktiv verlaufen, die Inhalte sollten vertraulich bleiben.

Für welches Bündnis sich die SPD letztlich entscheiden wird, hängt wohl von verschiedenen Faktoren ab.

Was spricht für eine neue rot-grün-rote Koalition?

Einer Infratest-dimap-Umfrage vom Wahltag zufolge sind die SPD-Anhänger zwar nicht gerade glühende Verfechter der rot-grün-roten Koalition - lediglich 54 Prozent sehen darin ein gutes Bündnis. Allerdings wäre ihnen Rot-Grün-Rot lieber als eine Große Koalition. Nur 35 Prozent der SPD-Anhänger hielten die GroKo für eine gute Lösung. Man darf davon ausgehen, dass es die Basis der Partei ähnlich sieht wie ihre Anhänger - und dass sie Rot-Grün-Rot der GroKo mehrheitlich vorziehen würde.

Auch Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte hat vor wie nach der Wahl immer wieder betont, welch eine gute Arbeit sein rot-grün-rotes Bündnis in den vergangenen vier Jahren in Bremen geleistet habe. Jetzt könnte er die Koalition sogar gestärkt fortführen, wahrscheinlich sogar mit fünf von neun statt - wie bislang - mit vier von neun SPD-Senatorinnen und -Senatoren.

Die Positionen der SPD in der Sozial-, der Bildungs- und der Wirtschaftspolitik ähneln jenen der Grünen und Linken zudem stärker als denen der CDU. Aktuelles Beispiel: der Ausbildungsfonds, den der Senat gerade auf den Weg gebracht hat. Demzufolge müssen Unternehmen in einen Fonds einzahlen. Nur, wer ausbildet, wird aus dem Topf finanziell unterstützt - ein rot-grün-rotes Gemeinschaftsprojekt. Die CDU ist strikt dagegen.

Wieso könnte sich die SPD für eine GroKo entscheiden?

Das berühmte "Weiter so" ist unpopulär, zumal in Bremen. Das Zwei-Städte-Land ist notorisch klamm, steht immer wieder wegen seiner hohen Armutsquote und schlechter Ergebnisse bei schulischen Vergleichstests in den Schlagzeilen. Die SPD könnte ihren Anhängerinnen und Anhängern eine Aufbruchstimmung in einem neuen Bündnis wahrscheinlich besser verkaufen als im alten. 

Hinzu kommt: Rot-Grün-Rot hat in den vergangenen vier Jahren längst nicht immer so reibungslos zusammengearbeitet, wie es die Bündnispartner gern darstellen. Gerade Grüne und Linke hatten sich oft in den Haaren, insbesondere die grüne Mobilitätssenatorin Maike Schaefer und die linke Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt.

Zwar hat Schaefer infolge ihrer schweren Wahlniederlage inzwischen ihren Rücktritt angekündigt. Davon unberührt könnte die SPD in einem Zweier-Bündnis mit der CDU möglicherweise einfacher regieren als im Dreierbündnis mit Grünen und Linken. Zumindest dann, wenn es den Sozialdemokraten gelänge, die größten Konfliktherde schon im Zuge der Koalitionsverhandlungen auszuräumen.

Was spricht inhaltlich für eine Große Koalition?

Es stimmt, was Bremens CDU-Chef Carsten Meyer-Heder sagt: Es gibt große Schnittmengen zwischen SPD und CDU bei Fragen der inneren Sicherheit und der Verkehrspolitik. So wollen beide, anders etwa als die Grünen, das aufgesetzte Parken auf Gehwegen - ein großes Streitthema in Bremen - zumindest übergangsweise tolerieren, wenn genügend Platz für Kinderwagen und Rollstuhlfahrer bleibt.

Ähnlich das Bild bei der inneren Sicherheit: Beide Parteien wollen die Polizei personell verstärken. Beide wollen mit einer speziellen Einheit Cyberkriminalität bekämpfen. Beide setzen auf mehr Präsenz von Ordnungsdienst und Polizei an Brennpunkten wie dem Bremer Hauptbahnhof. Bremens SPD-Innensenator Ulrich Mäurer, der dieses Amt voraussichtlich auch weiterhin ausfüllen wird, könnte seine Pläne für die innere Sicherheit in einer Koalition mit der CDU vermutlich leichter realisieren als mit Grünen und Linkspartei. Das betrifft etwa die Videoüberwachung im öffentlichen Raum sowie den Einsatz von Tasern. Beides würde Mäurer in Bremen gern ausbauen. Doch die Grünen, mehr noch aber die Linken, haben dagegen Vorbehalte.

Hängt in Bremen alles nur von der SPD ab?

Im Prinzip schon. Alle Parteien in der Bürgerschaft schließen die Zusammenarbeit mit den rechtskonservativen Bürgern in Wut (BIW) aus. FDP und CDU wollen zudem nicht mit der Linkspartei zusammenarbeiten. Für ein Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen gibt es keine Mehrheit. Daher kommen nur Rot-Grün-Rot oder die GroKo in Frage. An der SPD führt also kein Weg vorbei. 

Dennoch dürfen die Sozialdemokraten den Bogen bei den Sondierungsgesprächen nicht überspannen. So hat etwa die grüne Sozialsenatorin Anja Stahmann bereits deutlich gemacht, dass ihre Partei keinesfalls unter allen Umständen an der Macht klebe.

Auch die CDU wird sich die Bedingungen für eine Große Koalition nicht beliebig von der SPD diktieren lassen. Bremens Christdemokraten haben in den letzten Jahren notgedrungen gelernt, wie man sich in der Opposition in Geduld übt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 19. Mai 2023 um 16:00 Uhr.