Ricarda Lang

ARD-Sommerinterview mit Ricarda Lang "Aufstiegsversprechen statt dieser Abstiegsängste"

Stand: 30.07.2023 17:38 Uhr

Deutschland brauche eine "Investitionsagenda" - und die Ampel werde hier ein gutes Paket schnüren, verspricht Grünen-Chefin Lang im ARD-Interview. Ausführlich äußert sie sich auch zum AfD-Umfragehoch und der Frage, was das mit den Grünen zu tun hat.

In Umfragen liegt die in Teilen rechtsextreme AfD derzeit bei rund 20 Prozent, die Grünen hingegen nur bei 13. Bei der Frage, wie es dazu kommen konnte, gibt sich die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang durchaus selbstkritisch. "Da muss man ganz klar auch auf die Ampel schauen - und damit auf uns", so Lang im ARD-Sommerinterview.

Die Koalition habe im vergangenen Jahr viel hinbekommen, trotzdem treffe sie derzeit viele Bürger, "die sagen mir, 'wir wollen, dass ihr euch einfach mal zusammenreißt'", so Lang. Diese Erwartung müsse ein Auftrag sein - auch an die Grünen. Man dürfe sich nicht in eine Nische begeben, sondern müsse aus der Mitte heraus Politik machen. Sie erwarte auch von ihrer eigenen Partei, dass sie das Land an die erste Stelle stelle - "gerade auch dann, wenn man dafür aus der eigenen Komfortzone heraus muss".

Benzinpreis "für viele Leute zu hoch"

Als Beispiel für einen Punkt, bei dem die Grünen ihre Komfortzone verlassen haben, nannte Lang im Anschluss an das Sommerinterview im ARD-Social-Media-Format "Frag selbst" die Zustimmung zu LNG-Terminals zur Anlandung von Flüssigerdgas.

Via Instagram wurde die Grünen-Chefin auch gefragt, ob der aktuelle Benzinpreis ihrer Meinung nach hoch genug ist. Ihre Antwort: "Ich glaube, für viele Leute ist er zu hoch". Und auf die Nachfrage, dass die Grünen ja mal mit der Forderung nach einer deutlichen Erhöhung des Spritpreises in den Wahlkampf gegangen waren, sagte sie: "Positionen ändern sich auch."

ARD-Sommerinterview mit Ricarda Lang, Vorsitzende Bündnis 90/Die Grünen

tagesschau24, 30.07.2023 18:00 Uhr

Lindner-Vorschläge zum Teil "sehr sinnvoll"

Lang sprach sich im ARD-Sommerinterview einmal mehr dafür aus, wirtschaftliche und soziale Themen stärker in den Fokus zu rücken - und sie räumte ein, dass dies ihrer Partei zuletzt nicht immer gelungen sei. Wo es wirtschaftliche Unsicherheit gebe, entstehe ein Nährboden für Angst, von der die AfD profitiere, so die Grünen-Chefin. "Wir brauchen Aufstiegsversprechen statt dieser Abstiegsängste."

Deutschland brauche eine "Investitionsagenda", so Lang weiter. Und hier habe auch der Koalitionspartner FDP Dinge vorgeschlagen, die "sehr sinnvoll" seien. Es werde der Ampel gelingen, ein gemeinsames Paket zu schnüren, das der Wirtschaft helfen und somit das Fundament des Wohlstands sichere. FDP-Chef Christian Lindner hatte unter anderem Steuererleichterungen etwa für Investitionen in Energie- und Ressourceneffizienz vorgeschlagen.

Nach Ansicht der Grünen-Politikerin müssten vor allem drei Punkte umgesetzt werden: Mit Maßnahmen wie einem Industriestrompreis müsse verhindert werden, dass Firmen in andere Länder abwanderten. Zudem seien Investitionen in die öffentliche Infrastruktur wie Krankenhäuser oder die Bahn nötig. Der dritte Punkt sei, "dass die Menschen, die den Wohlstand erarbeiten (...) dann auch davon profitieren".

"Wer das Lied der Populisten singt, stärkt die Populisten"

Im Zusammenhang mit dem AfD-Umfragehoch kritisierte Lang auch Teile der Union und der Freien Wähler: Die AfD gewinne dort, wo ein rechter Kulturkampf von bürgerlichen Parteien beflügelt werde, wie etwa in Erding, so die Grünen-Politikerin. "Wer das Lied der Populisten singt, stärkt am Ende die Populisten."

An einer gegen das Gebäudeenergiegesetz der Bundesregierung gerichteten Demonstration in Erding hatten auch CSU-Chef Markus Söder und Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger von den Freien Wählern teilgenommen. Aiwanger hatte für Aufsehen gesorgt, weil er unter dem Applaus von AfD-Anhängern gesagt hatte, die schweigende Mehrheit müsse sich die Demokratie zurückholen - eine Wortwahl, die an die von AfD-Politikern erinnerte.

Union derzeit "ein Trauerspiel" für Demokraten

An die Union appellierte Lang, ihren Kurs im Bezug auf die AfD zu klären. Eine stabile, konservative Partei sei wichtig für eine stabile Demokratie. Man wisse bei der Union aber gerade nicht, ob man es mit einer Partei mit konservativen Werten zu tun habe oder mit einer, "die irrlichtert und Populisten nach dem Mund redet". Dass die Union gerade alles andere als stabil sei, könnte man als Vorsitzende einer konkurrierenden Partei vielleicht gut finden, so Lang. Aber als Demokratin müsse sie sagen: "Das ist ein Trauerspiel".

Angesprochen auf einen Fall aus ihrem eigenen Wahlkreis, bei dem Kommunalpolitiker der Grünen für einen Antrag der AfD gestimmt hatten, bei dem es um Zuschüsse für ein Theater ging, sagte Lang, die Grünen hätten eine klare Linie, die eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließe - auch auf kommunaler Ebene. Im Zweifel sei sie auch bereit, diese Linie durchzusetzen. Weitere Details dazu nannte sie sie nicht.

"AfD im Kern eine unsoziale Partei"

Die AfD bezeichnet Lang als "die gefährlichste Partei Deutschlands" - eine Wortwahl, die AfD-Chef Tino Chrupalla zuvor mit Bezug auf die Grünen genutzt hatte. Die AfD wolle einen Ausstieg aus der EU und damit eine "wirtschaftliche Fiasko für Deutschland", so Lang. Außerdem wolle sie einen Ausstieg aus der NATO, womit sich Deutschland "Putin ausliefern" würde. Und die AfD wolle die Abschaffung der Gewerbesteuer, was zu Folge hätte, dass es in Kommunen "keine Freibäder, keine Frauenhäuser, keine Kitas" mehr geben würde, so Lang.

AfD-Politiker machten keine Politik für die kleine Leute, sondern eine Politik "gegen die Mehrheit der Menschen im Land, gegen deren Sorgen, weil sie von diesen Sorgen profitieren". Im Kern sei die AfD eine unsoziale Partei, die dieses Land destabilisieren wolle.

Das Interview wurde am Sonntagmittag aufgezeichnet. Sie finden es als in voller Länge als Video auf dieser Seite.

Nina Amin, ARD Berlin, tagesschau, 30.07.2023 15:51 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 30. Juli 2023 um 16:00 Uhr.