Plakate des Bündnisses Sahra Wagenknecht hängen von der Decke, darunter stehen Sahra Wagenknecht und ihre Sprecherin
Überblick

Neues Wagenknecht-Bündnis So gründet man eine Partei

Stand: 27.01.2024 08:18 Uhr

Sahra Wagenknecht hat eine Partei gegründet. Die "Werteunion" will diesen Schritt auch gehen. Was sind die Voraussetzungen dafür? Und darf jede Partei an einer Wahl teilnehmen? Ein rechtlicher Überblick.

Von Anna Hübner und Finn Hohenschwert, ARD-Rechtsredaktion

Parteien nehmen in unserem politischen System eine wichtige Rolle ein. Sie werden daher durch Artikel 21 unseres Grundgesetzes besonders geschützt. "Ihre Gründung ist frei" steht dort unter anderem. Eine staatliche Genehmigung braucht es also nicht.

Gleichwohl ergeben sich aus dem Gesetz einige Voraussetzungen, die man beachten muss, wenn man eine Partei gründen will. Und auch nach der erfolgreichen Gründung sind weitere Schritte erforderlich, um an einer Wahl teilnehmen zu dürfen.

Eine demokratische Institution

Eine Partei ist zunächst eine Vereinigung, also ein freiwilliger Zusammenschluss von Menschen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Aber nicht jede Vereinigung ist gleichzeitig auch eine Partei. Parteien verfolgen politische Ziele und nehmen an demokratischen Prozessen teil.

Deshalb schreibt das Grundgesetz vor, dass auch ihre innere Ordnung demokratischen Grundsätzen entsprechen muss. Wichtige Entscheidungen, etwa über den Inhalt eines Grundsatzprogramms, müssen sich aus der Parteibasis, also von unten nach oben, herausbilden. Dabei soll es auf die Mehrheit der Stimmen ankommen - demokratisch eben.

Weitere Voraussetzungen?

Zusätzliche Kriterien schreibt das Parteiengesetz (PartG) vor: Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die "dauernd oder für längere Zeit auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen".

Damit sind Vereinigungen, die ausschließlich auf kommunaler oder europäischer Ebene tätig sind, keine Parteien in diesem Sinne. Auch eine Bürgerinitiative, die nur ein kurzfristiges Anliegen zum Gegenstand hat, beispielsweise den Stopp eines geplanten Bauvorhabens, kann keine Partei sein.

Dagegen wäre zum Beispiel die Gründung einer Ein-Themen-Partei, die sich ausschließlich, aber dafür langfristig zum Beispiel für die stärkere Berücksichtigung der Interessen von Rentnern einsetzen würde, möglich.

Inlandsbezug und Parteiname

Eine Partei muss außerdem einen ausreichenden inländischen Bezug aufweisen. Das setzt beispielsweise voraus, dass sowohl die Mehrheit der Mitglieder als auch des Vorstands die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Der Name der Partei sowie die entsprechende Kurzbezeichnung müssen so gewählt sein, dass sich die neue Partei deutlich von bereits bestehenden Parteien unterscheiden lässt.

Die angekündigte Gründung einer Partei namens "Werteunion" müsste sich also zum Beispiel an dem Parteinamen der "Christlich Demokratischen Union" (CDU) messen lassen, wobei hier hinreichende Unterscheidbarkeit gewährleistet sein dürfte.

Zwei Entstehungsmöglichkeiten

Eine Partei kann auf zwei Wegen entstehen: Entweder durch Neugründung oder Umwandlung eines bereits bestehenden Vereins in eine Partei.

Die Umwandlung hat praktische Vorteile: Beispielsweise können Spendengelder bereits im Vorfeld eingesammelt werden. So auch im Fall des "Bündnis Sahra Wagenknecht".

Drei Säulen: Vorstand, Programm und Satzung

Gesetzlich vorgeschrieben ist zudem die Wahl eines Vorstands sowie die Verabschiedung einer Satzung und eines Programms. Hierfür kann ein sogenannter Gründungsparteitag anberaumt werden. In geheimer Abstimmung muss ein mindestens dreiköpfiger Vorstand gewählt werden.

Ferner müssen das Programm und die Satzung verschriftlicht werden. Im Parteiprogramm, oft "Grundsatzprogramm" genannt, werden die grundlegenden Werte, Ziele und konkreten Forderungen der Partei festgehalten. Die Satzung muss unter anderem Bestimmungen zu den Rechten und Pflichten der Mitglieder sowie der Zusammensetzung und der Befugnisse des Vorstandes enthalten.

Die Teilnahme an Wahlen

Nach ihrer Gründung nimmt die Partei aber nicht automatisch an der nächsten Wahl teil. Die Zulassung zur Wahl richtet sich nach dem jeweils einschlägigen Wahlrecht.

So richtet sich die Zulassung einer Partei zur Landtagswahl nach dem jeweiligen Landeswahlgesetz. Beispielsweise sind für die Landtagswahl in Thüringen im September dieses Jahres die Vorschriften des Thüringer Landeswahlgesetzes maßgeblich.

Will eine neu gegründete Partei an der nächsten Wahl teilnehmen, muss sie dem Landeswahlleiter ihre Beteiligung zunächst schriftlich anzeigen. Zu viel Zeit darf man sich dafür nicht lassen - die Frist endet bereits 90 Tage vor der Wahl.

Mit der schriftlichen Anzeige sind auch sämtliche Gründungsunterlagen einzureichen, die vom Landeswahlleiter auf ihre Vollständigkeit hin überprüft werden. Zuständiger Wahlleiter ist der Landeswahlleiter, in Thüringen ist das aktuell Holger Poppenhäger.

Anerkennung durch den Wahlausschuss

Anschließend erfolgt der letzte und entscheidende Schritt für die Zulassung zur Wahl: Die Feststellung der Parteieigenschaft durch den Landeswahlausschuss. Der Wahlausschuss prüft, ob die formalen Voraussetzungen für eine Partei im Sinne des Parteiengesetzes vorliegen. Er prüft insbesondere, ob die Partei nach ihrem Gesamtbild überhaupt in der Lage ist, ernsthaft im Parlament mitzuwirken. Dabei können organisatorische, personelle und finanzielle Gesichtspunkte eine Rolle spielen.

Ein entscheidendes Kriterium ist zum Beispiel die Anzahl der Parteimitglieder. Während drei Vorstandsmitglieder für die Gründung einer Partei ausreichen, benötigt man für eine ernsthafte parlamentarische Arbeit zusätzliche Personen.

Wie viele genau, lässt das Gesetz allerdings offen. Eine ungefähre Vorgabe ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richterinnen und Richter haben eine im Aufbau befindliche Vereinigung mit 400 Mitgliedern als Partei anerkannt.

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Mit der Anerkennung als Partei zur Landtagswahl kann sie eine Landesliste einreichen. Ohne Landesliste kann die Partei nicht mittels Abgabe der Zweitstimmen gewählt werden.

Nach der Zulassung zur Wahl fängt die eigentliche Arbeit für die Parteien aber erst an: Sie müssen für Stimmen bei der Wahl werben. So ist die Teilnahme an der staatlichen Parteienfinanzierung zum Beispiel von den Wahlergebnissen abhängig.

Zudem gilt: Nimmt die Partei sechs Jahre lang weder an einer Bundestagswahl noch an einer Landtagswahl teil, verliert sie ihre Rechtsstellung als Partei wieder.

Die kommunale Ebene

Noch vor den Landtagswahlen im September findet eine Reihe an Kommunalwahlen statt, beginnend im Mai in Thüringen. Auch hier gibt es keine bundeseinheitlichen Teilnahmevoraussetzungen. Entscheidend sind die Vorgaben des jeweils einschlägigen Kommunalwahlgesetzes.

Das Thüringer Kommunalwahlgesetz enthält beispielsweise keine dem Bundes- und Landesrecht entsprechende Vorschrift über die Feststellung der Parteieigenschaft. Dafür haben bei dortigen Kommunalwahlen auch Vereinigungen ohne Parteistatus, sogenannte Wählergruppen, ein umfassendes Wahlvorschlagsrecht. Die Möglichkeit, eine Landesliste einzureichen, ist hier nicht vorgesehen.

Wahl des Europäischen Parlaments

Auch die Europawahl findet Anfang Juni dieses Jahres statt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind im Europawahlgesetz geregelt. Ähnlich wie bei der Kommunalwahl in Thüringen wird auch hier die Parteieigenschaft nicht in einem vorgelagerten Prozess überprüft. Die Prüfung wird jedoch nachgeholt, sobald die Vereinigung einen konkreten Wahlvorschlag eingereicht hat.

Zuständig für diese Prüfung ist der Bundeswahlausschuss. Lehnt dieser den Wahlvorschlag mit der Begründung ab, es liege weder eine Partei noch eine sonstige politische Vereinigung im europarechtlichen Sinne vor, kann Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk Nova am 09. März 2024 um 06:38 Uhr.