Sahra Wagenknecht

Reaktion auf Partei-Ankündigung Der neue Umgang der Rechten mit Wagenknecht

Stand: 27.10.2023 15:10 Uhr

Sahra Wagenknecht wurde lange für eine angebliche AfD-Nähe kritisiert - und von Rechtsaußen umgarnt. Doch seit sie die Gründung einer Partei angekündigt hat, hat sich der Ton geändert. Alles Taktik, sagt ein Extremismusforscher.

Kaum ein Vorwurf hat Sahra Wagenknecht in den vergangenen Jahren wohl so getroffen, wie der, das Geschäft der AfD zu betreiben. Wagenknechts Gegnerinnen in der Linkspartei hatten ihr etwa vorgeworfen, "rechtsoffene populistische Plattitüden" zu verbreiten. Schon 2016 sagte der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow in Richtung Wagenknecht, man dürfe nicht versuchen, "die Tonlage der AfD zu imitieren".

Gleichzeitig war Wagenknecht jahrelang die einzige deutsche Nicht-AfD-Politikerin, die regelmäßig Lob und Beachtung in der extremen Rechten fand. Davon ist seit Montag, seitdem Wagenknecht aus der Linkspartei ausgetreten ist und den Verein "Bündnis Sahra Wagenknecht" vorgestellt hat, allerdings nur noch wenig zu vernehmen.

Neurechte Ernüchterung

Beim rechtsextremen "Compact"-Magazin jubelte man noch im Dezember auf dem Cover, Wagenknecht sei "eine Kandidatin für links und rechts", kurzum: "die beste Kanzlerin". Im Frühjahr träumte man von einer "Querfront" von AfD und Wagenknecht. 

Nun aber bemängelte ein anonymer Autor zur Vorstellung des Vereins "Bündnis Sahra Wagenknecht" am Montag: "Sahra sah völlig fertig aus." Die ganze Veranstaltung sei zudem "bürokratisch aufgezogen". Schon im Vorfeld hatte es geheißen: "Eine Diva kann keine Partei führen."

Auch ein ehemaliger Bundesleiter der rechtsextremen "Identitären Bewegung" befand im Magazin "Freilich": "Keine Dynamik, kein Pep, keine Aufbruchsstimmung." Der offenbar erhoffte "polarisierende Aufschlag" zu einer "linken Migrationskritik" sei ebenfalls ausgeblieben.

Im Magazin "Sezession" rund um den Verleger Götz Kubitschek hieß es angesichts Wagenknechts bislang bekannter Mitstreiter: "Aufbruch sieht anders aus." Ein Bündnis Sahra Wagenknecht könnte bei den 2024 anstehenden Wahlen dennoch "als Rammbock gegen die möglichen AfD-Siege instrumentalisiert werden", weshalb es eine "knallharte" inhaltliche Auseinandersetzung brauche.

AfD sieht plötzlich keine Partnerin

Vertreter der in Teilen rechtsextremen AfD hatten Wagenknecht in den vergangenen Jahren schon dazu eingeladen, auf AfD-Demos zu sprechen oder gleich in die Partei einzutreten. Nun reagierte man hier ebenfalls verhalten. Bundessprecher Tino Chrupalla sagte im ZDF, Wagenknechts Programmatik sei "fast eins-zu-eins AfD". Angst habe er jedenfalls keine.

Noch im Februar hatte Chrupalla einen Aufruf für eine Kundgebung Wagenknechts unterzeichnet, wogegen diese sich öffentlich verwehrt hatte. So, wie sie es auch gegen andere AfD-Avancen getan hatte.

Einer, der Wagenknecht zum Parteieintritt eingeladen hat, war der thüringische AfD-Chef Björn Höcke, Kopf des völkischen Flügels in der Partei. Höcke fragte nun angesichts des Namens "Bündnis Sahra Wagenknecht", ob sich hier "eine narzisstische Störung entlädt". Andere, wirtschaftsliberale AfD-Politiker warfen Wagenknecht "Kommunismus" vor.

Viele teilten zudem eine Grafik zum Abstimmungsverhalten der neuen Vereinsvorsitzenden und ehemaligen Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali im Bundestag. Es zeigt Mohamed Alis Zustimmung zu migrationsfreundlichen Anträgen der eigenen Fraktion - und Ablehnung verschiedener AfD-Anträge etwa zur Atomkraft oder Corona-Politik.

Der Tenor: Wagenknechts Abgrenzung von den anderen Parteien sei angesichts von Mohamed Alis Positionen unglaubwürdig. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Reichardt sagte der "NZZ" gar, Mohamed Ali sei eine "Migrationsfetischistin".

Extremismusforscher: "Komplexe Hassliebe"

Für den Extremismus- und Protestforscher David Begrich kommt der vermeintliche Sinneswandel nicht überraschend. "Im neurechten Milieu gibt es seit Jahren eine komplexe Hassliebe zu Sahra Wagenknecht und ihrer politischen Orientierung", sagt Begrich im Gespräch mit tagesschau.de. Das Verhältnis sei aber stets "ein klar taktisches" gewesen - auch bei der AfD.

Ihre Positionen in der Asylpolitik würden hier als eine "linksnationalistische Orientierung" verstanden, weshalb man Wagenknecht eine Art "Brückenfunktion ins eigene Lager" zugeschrieben habe. "Man hat immer gehofft, dass sie das trojanische Pferd in der Linken sein wird."

Mit ihrer Globalisierungskritik und ihrem Lob des Nationalstaats, den ein funktionierender Sozialstaat brauche, sei sie "gerade im völkischen Teil der AfD anschlussfähig", so Begrich. Gerade in der Migrationsfrage hätten beide Seiten bislang ähnliche Argumentationen geführt - ohne aber, dass diese bei Wagenknecht rassistisch motiviert sein müssten, betont Begrich.

Wagenknecht grenzt sich ab

Wagenknecht hat zuletzt mehrfach umrissen, wie sie zur AfD steht. Ein Ziel der kommenden Partei sei es, die AfD zu schwächen. Ein Teil ihrer Wählerschäft solle ein "seriöses Angebot" bekommen, eine Alternative zur selbsternannten Alternative also. Wagenknecht sprach wiederholt explizit Arbeiter und Kleinunternehmer an, jene Gruppen, die besonders häufig AfD wählen.

Sie werde zwar keine Position aufgeben, nur weil die AfD sie vertrete, werde aber auch nicht gemeinsame Sache mit der AfD machen - wenngleich sie Mehrheiten, die mit Stimmen der AfD zustandekommen, für unproblematisch hält. In Sachsen hat sich Wagenknecht bereits als Koalitionsalternative für die CDU und gegenüber der AfD positioniert. Insgesamt wolle sie "weniger über die AfD reden", so Wagenknecht.

Umfragen bescheinigen der kommenden Partei bislang sehr unterschiedliche Erfolgsaussichten. Extremismusforscher Begrich rät generell zu Zurückhaltung. Klar sei nur, dass eine Wagenknecht-Partei der AfD Konkurrenz um jenen Teil der Wählerschaft machen würde, "den vor allem die Anti-Establishment-Rhetorik anzieht", so Begrich. "Und das sind gerade in den ostdeutschen Ländern viele."

Zu ihrer umstrittenen Haltung in der Migrationspolitik hieß es in einem am Montag bei der Pressekonferenz verteilten Papier lediglich, Zuwanderung könne eine Bereicherung sein - wenn sie auf ein Maß begrenzt bleibe, die "unser Land und unsere Infrastruktur" nicht überfordere. Das Bündnis spricht sich gegen "Armutsmigration" aus. Es sind Töne, die so auch in der CDU oder der FDP vertreten werden. Konkreter wird es nicht.

Unklar, wer am Ende wen schwächt

Dennoch sei noch nicht ausgemacht, ob diese Partei die AfD am Ende stärken oder schwächen würde. Das werde bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen - sollte man tatsächlich dort antreten - "sehr von den Personen und Programmatiken in den einzelnen Ländern abhängen", sagt Begrich. Schon jetzt hoffen in der AfD manche auf enttäuschte Wagenknecht-Anhänger, die dann zur AfD abwandern.

Noch gibt es weder Partei noch ein festes Programm. Wagenknechts Aussagen seien schon immer "hochgradig volatil und oft populistisch" gewesen, sagt Begrich.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete rbb24 am 24. Oktober 2023 um 11:00 Uhr.