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Mutmaßlicher Spion beim BND Was der Vorwurf "Landesverrat" bedeutet

Stand: 23.12.2022 16:11 Uhr

Die Bundesanwaltschaft hat einen beim BND beschäftigten Mann festnehmen lassen. Sie wirft ihm Landesverrat vor. Was genau ist darunter zu verstehen - und welche Fälle gab es schon?

Von Frank Bräutigam und Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion

Einen "Abgrund an Landesverrat" sah der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer 1962, nachdem der "Spiegel" unter dem Titel "Bedingt abwehrbereit" mit Insiderinformationen über die mangelnde Ausrüstung der Bundeswehr berichtet hatte. "Spiegel"-Herausgeber Rudolf Augstein saß zeitweise sogar in Untersuchungshaft. Zu Verurteilungen kam es in der sogenannten "Spiegel-Affäre" am Ende aber nicht. Der Bundesgerichtshof lehnte in einem Beschluss die Eröffnung eines Hauptverfahrens ab. Den Angeschuldigten könne nicht nachgewiesen werden, dass sie wissentlich Staatsgeheimnisse veröffentlicht hätten.

2014 verurteilte das Oberlandesgericht München einen Mitarbeiter aus der Poststelle des BND wegen Landesverrats zu acht Jahren Haft. Er habe geheime Dokumente an den US-Geheimdienst CIA weitergegeben.

Dem nun festgenommenen BND-Mitarbeiter wirft die Bundesanwaltschaft ebenfalls Landesverrat vor. Hier soll es um die Übermittlung von Informationen an einen russischen Geheimdienst gehen. Was er genau gemacht haben soll und weitere Hintergründe sind bislang unbekannt. Wohnung und Arbeitsplatz des Beschuldigten Carsten L. und einer weiteren Person wurden laut Bundesanwaltschaft durchsucht.

Die Voraussetzungen für "Landesverrat"

"Landesverrat" ist in Paragraf 94 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Danach begeht Landesverrat, wer "ein Staatsgeheimnis einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitteilt oder sonst an einen Unbefugten gelangen lässt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt".

Dass es tatsächlich zu einem schweren Nachteil für die äußere Sicherheit kommt, ist nicht notwendig. Schon die Gefahr dafür reicht aus.

Es muss um ein "Staatsgeheimnis" gehen

Der zentrale Begriff bei diesem Paragrafen ist das "Staatsgeheimnis". Darunter versteht das Gesetz alle Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur "einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden".

Einen speziellen Mindestgrad der Geheimhaltungsbedürftigkeit, wie etwa "VS - vertraulich", nennt das Gesetz nicht. Strafrechtler sagen: Geheim sei eine Sache immer dann, wenn sie nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich ist. Dieser müsse so eng gefasst sein, dass ein allgemeines Bekanntwerden nicht zu erwarten ist. Dass der  Personenkreis aus Amtsträgern oder Staatsbediensteten bestehe, sei nicht nötig.

Außerdem müssen durch das Bekanntwerden des Geheimnisses Nachteile für die äußere Sicherheit Deutschlands drohen. Solche könnten etwa darin bestehen, dass die Fähigkeit Deutschlands zur Verteidigung gegen Angriffe oder nachrichtendienstliche Aufklärung von außen herabgesetzt wird.

Untersuchungshaft angeordnet

Der zuständige Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof ordnete auf Antrag der Bundesanwaltschaft Untersuchungshaft gegen den Verdächtigen Carsten L. an. Das ist keine vorweggenommene Strafe. Die U-Haft soll bei einem "dringenden Tatverdacht" den geordneten Ablauf des Strafverfahrens sichern und verhindern, dass der Verdächtige flieht oder anders auf das Verfahren einwirkt.

Verdacht auf Landesverrat bei BND-Mitarbeiter

Michael Götschenberg, RBB, tagesschau24 18:00 Uhr

Hoher Strafrahmen

Auf Landesverrat steht eine Mindeststrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe. In besonders schweren Fällen wird lebenslange Freiheitsstrafe oder eine Strafe von fünf Jahren bis zu 15 Jahren verhängt. Ein solcher besonders schwerer Fall liegt laut Gesetz regelmäßig dann vor, wenn der Täter eine verantwortliche Stellung missbraucht, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen besonders verpflichtet, etwa als Amtsträger oder Soldat.

Über eine mögliche Strafe im konkreten Fall kann man aber noch keinerlei Aussage treffen, weil die Vorwürfe noch nicht bekannt sind und die Strafhöhe in einem möglichen Gerichtsverfahren von vielen individuellen Faktoren beim Angeklagten abhängen, zum Beispiel von Vorstrafen.

Andere Fälle "geheimdienstlicher Agententätigkeit"

Fälle von Spionage für Russland gabe es auch in jüngerer Zeit immer wieder. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte im November 2022 einen Reservisten der Bundeswehr zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, weil er laut Gericht Dokumente an den russischen Militärgeheimdienst GRU übermittelt hatte.

Das Oberlandesgericht München verurteilte im April 2022 einen Wissenschaftler der Uni Augsburg wegen Spionage zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr. Er gab nach Ansicht des Gerichts Informationen über das europäische Raketensystem Ariane an einen Mitarbeiter des russischen Generalkonsulats in München weiter.

In diesen beiden Fällen lautete der Vorwurf allerdings nicht "Landesverrat". Es ging also nicht um die Weitergabe von Staatsgeheimnissen. Nach Paragraf 99 StGB ist aber auch die "geheimdienstliche Agententätigkeit" strafbar. Diese muss "auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen" gerichtet sein. Strafbar ist auch, sich zu einer solchen Tätigkeit bereitzuerklären. Die rechtlichen Hürden sind hier nicht ganz so hoch wie beim Landesverrat. Auf ein "Staatsgeheimnis" kommt es bei diesem Paragrafen nicht an.