Verteidigungsministerin Christine Lambrecht
Analyse

Verteidigungsministerin Lambrecht Mehr als ein Kommunikationsproblem

Stand: 04.04.2022 16:55 Uhr

Die Ernennung Lambrechts zur Verteidigungsministerin war eine Überraschung. So richtig angekommen scheint sie in ihrem Amt nicht. Angesichts des Ukraine-Kriegs nimmt die Kritik an ihr zu. Woran liegt das?

Eine Analyse von Uli Hauck, ARD Berlin

Die Opposition hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht als Schwachpunkt der Ampel-Regierung ausgemacht und attackiert sie zunehmend schärfer. Das geht bis hin zu einer Rücktrittsforderung von CSU-Chef Markus Söder, die in einer internen Sitzung des CSU-Vorstands gefallen sein soll.

Man könnte solche Forderungen als Oppositionsgeplänkel abtun, doch Lambrecht hat sich in den ersten vier Monaten im Amt ungewöhnlich viele kommunikative Fehler geleistet. Und so wächst auch aus den eigenen Reihen die Kritik an der SPD-Ministerin. Auch Grünen-Chef Omid Nouripour kritisiert die unzureichenden Waffenlieferungen an die Ukraine.

5000 Schutzhelme als ein "ganz deutliches Signal"

Die Ukraine hat die Bundesregierung schon lange vor der russischen Invasion um Waffenlieferungen gebeten. Doch Deutschland beschränkte sich lange Zeit auf militärische Ausrüstung. Und so wurde selbst die erste Lieferung von 5000 Bundeswehr-Schutzhelmen an die ukrainische Armee zu einem Politikum. Vor allem weil Lambrecht diese vergleichsweise kleine Hilfsleistung in den höchsten Tönen lobte - was selbst im Ausland für Hohn und Spott sorgte.

Dann sollten aus NVA-Beständen 2700 Raketen vom Typ Strela geliefert werden. Doch wie die Bundeswehr selbst in einer Pressemitteilung im Januar schon bestätigt hatte, war ein Teil der Boden-Luft-Raketen gar nicht mehr einsetzbar, und die Lieferung verzögerte sich.

Zuletzt hat die Bundesregierung dann die Lieferung von 56 uralten Schützenpanzern, die noch aus der DDR stammen, genehmigt. Auch hier soll es nach Informationen der "Welt am Sonntag" mehrere Anläufe gebraucht haben, bis die Lieferung durch den Bundessicherheitsrat genehmigt war. Die Verteidigungsministerin ist also nicht allein für die langwierigen Genehmigungen zuständig.

Verteidigungsministerium statt "Traumberuf"

Lambrechts Kommunikationsproblem beginnt früh. Bereits im Herbst 2020 hatte sie unter anderem im "Spiegel" angekündigt, dass sie mit dem GroKo-Ende aus der Politik aussteigen wolle, um wieder in ihrem "Traumberuf" als Anwältin zu arbeiten. Als diese Aussagen fielen, war es sehr unwahrscheinlich, dass die SPD die Wahl gewinnt und Olaf Scholz Kanzler werden wird. Lambrecht bemühte sich folglich auch nicht mehr um ein Bundestagsmandat. Doch nach dem SPD-Wahlsieg war es nicht mehr weit her mit dem Wunsch Lambrechts, als Anwältin zu arbeiten.

Viele Beobachter haben Lambrecht bereits als mögliche Innenministerin gehandelt, doch sie wird überraschenderweise Verteidigungsministerin. Und seit dem 8. Dezember leitet sie eines der komplexesten Ministerien und ist verantwortlich für 266.000 zivile und militärische Mitarbeiter. Zudem ist Lambrecht zumindest in Friedenszeiten Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr. Im Kriegsfall ist das - gemäß Grundgesetz - der Kanzler.

Missglückter Amtsantritt

Schon in ihrer Zeit als Justizministerin hatte sich Lambrecht den Ruf erarbeitet, bei Personalentscheidungen nicht gerade zimperlich zu sein. Mit Amtsantritt im Verteidigungsministerium hielt sie daran fest. Bereits vor ihrem Einzug ins Verteidigungsministerium mussten enge Mitarbeiter ihrer Vorgängerin Annegret-Kramp-Karrenbauer ihre Büros räumen, darunter auch der langjährige Staatssekretär Gerd Hoofe.

Das ist kein unüblicher Schritt, nachdem das Verteidigungsministerium seit 2005 in Unionshand war. Allerdings sorgte der rustikale Personalstil dafür, dass die eigentlich umgängliche CDU-Politikerin Kramp-Karrenbauer dem offiziellen Empfang der Nachfolgerin mit militärischen Ehren demonstrativ fernblieb.

Nach diesem missglückten Start ins neue Ministerium gab es zu Beginn des Jahres immer wieder auch Berichte, dass Lambrecht ihren obersten Soldaten entmachten will: Generalinspekteur Eberhard Zorn. Diese Gerüchte wurden aus dem Verteidigungsministerium zwar regelmäßig dementiert, aber Zorn galt eben auch als enger Vertrauter von Kramp-Karrenbauer, denn der 62-jährige Vier-Sterne-General stammt wie Lambrechts Vorgängerin aus dem Saarland.

Kramp-Karrenbauer und Zorn kannten sich schon länger. Er berichtete direkt an die Ministerin. Zudem haben beide eine Strukturreform bei der Bundeswehr auf den Weg gebracht, die allerdings auch intern Kritik hervorgerufen hat.

Lambrecht hat diesen Reformversuch in der Bundeswehr schnell wieder einkassiert. Stattdessen will sie, wie bereits ihre Vorgängerinnen, vor allem das lahme und komplizierte Beschaffungswesen reformieren.

Das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen

Spätestens mit dem Krieg in der Ukraine sitzt Zorn wieder fest im Sattel, zumal der Bundeskanzler die Ausrüstung der Bundeswehr zur Chefsache erklärt hat. Scholz konsultiert deshalb nicht mehr nur die Verteidigungsministerin, sondern auch den Experten aus der Bundeswehr.

Ministerin Lambrecht bleiben die öffentlichen Auftritte, doch auch hier patzte sie zuletzt. Beispiel F-35: Die milliardenteure Ankündigung die altersschwachen Tornado-Kampfjets gegen die amerikanischen Tarnkappenjets auszutauschen, wurde zum stockend abgelesenen Statement, bei dem Nachfragen von Journalisten nicht erlaubt waren.

Oft hat es den Eindruck, dass Lambrecht sich in die Themen noch nicht wirklich tief eingearbeitet hat. Ihre Antworten sind oft nichtssagend oder zu ungenau. Unter normalen Umständen hätte man das der Verteidigungsministerin vielleicht als Anlaufschwierigkeiten durchgehen lassen, aber seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine kann von normalen Umstände keine Rede mehr sein.