Ein Frau geht in Mariupol an einem zerstörten Haus vorbei.

Krieg gegen die Ukraine Russland verlagert Truppen

Stand: 04.04.2022 11:18 Uhr

Nach dem Truppenrückzug vor Kiew bereitet sich die Ukraine auf einen massiven russischen Angriff im Osten und Süden des Landes vor. Dort soll der Donbass erobert werden. Außerdem soll es Angriffe auf Mariupol und Odessa geben.

Im Krieg gegen die Ukraine zieht sich Russland laut Berichten weiter aus dem Norden zurück und verlagert seine Truppen in den Osten und Süden des Landes. Russische Truppen haben die südukrainische Hafenstadt Odessa nach Angaben der Regionalverwaltung in der Nacht erneut mit Raketen angegriffen. Dies teilte die Behörde auf Facebook mit. Auch der Bürgermeister der rund 130 Kilometer entfernten Stadt Mykolajiw, Olexander Senkewytsch, meldete mehrere Raketenangriffe. Von russischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung. Explosionen wurden am frühen Morgen auch aus Cherson gemeldet.

Beide Regionen waren bereits am Wochenende mit Raketen angegriffen worden. Aus dem Verteidigungsministerium in Moskau hieß es dazu, von Schiffen und Flugzeugen aus seien eine Ölraffinerie und mehrere Treibstofflager in der Nähe Odessas beschossen worden.

Menschen halten sich in einem Hof in Odessa auf, während im Hintergrund Rauch aufsteigt.

Menschen in der Nähe von Odessa, im Hintergrund steigt Rauch auf, nachdem Odessa beschossen wurde.

Intensive Angriffe auf Mariupol

Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums wird außerdem Mariupol weiterhin intensiv und wahllos angegriffen. Die Stadt sei mit ziemlicher Sicherheit ein Hauptziel der russischen Invasion. Ihre Eroberung würde einen Landkorridor von Russland zum besetzten Gebiet der Krim sichern, die Moskau 2014 annektiert hatte.

Die ukrainischen Streitkräfte leisteten jedoch hartnäckigen Widerstand und behielten die Kontrolle über die zentralen Bereiche. In der vergangenen Wochen war es gelungen, einige tausend Zivilisten aus der durch russische Angriffe bereits stark zerstörten Stadt zu evakuieren.

Die russische Regierung hatte nach einem Strategiewechsel angekündigt, die Gebiete des Donbass erobern zu wollen, die bisher noch nicht unter der Kontrolle der prorussischen Separatisten stehen. Diese kontrollieren Teile der rohstoffreichen Ostukraine seit 2014.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Ukraine: Einige Städte in Region Tschernihiw zurückerobert

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben einige Orte in der Region Tschernihiw von russischen Truppen zurückerobert. Humanitäre Hilfe sei nun in diese Gegenden unterwegs, teilten die ukrainischen Streitkräfte mit. Die Nachrichtenagentur RBK-Ukraina meldete, dass die Straße zwischen Tschernihiw und der Hauptstadt Kiew im Laufe des Tages für den Verkehr teilweise wieder geöffnet werden solle. Einige russische Truppen sollen noch in der Region Tschernihiw sein, teilte der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Tschaus, mit.

Tschernihiw liegt rund 129 Kilometer nördlich von Kiew und war über Wochen hinweg von Lieferungen von Nahrungsmitteln und anderen Gütern abgeschnitten. Der Bürgermeister von Tschernihiw, Wladyslaw Atroschenko, sagte, unablässiger russischer Beschuss habe 70 Prozent seiner Stadt zerstört.

In anderen von russischen Truppen zurückeroberten Gebieten fanden ukrainische Truppen nach Behördenangaben Hunderte ermordete Zivilisten vor. Rund um Kiew wurden laut der Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa 410 Leichen von Zivilisten gefunden.

Tote und Verletzte bei Angriff auf Wohngebiet in Charkiw

Bei einem russischen Angriff auf ein Wohngebiet in Charkiw im Nordosten der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben sieben Menschen getötet und 34 weitere verletzt worden. Unter den Verletzten seien auch drei Kinder, teilte die örtliche Staatsanwaltschaft auf Telegram mit. Die russischen Truppen hätten am Sonntagabend ein Wohnviertel beschossen und dabei zehn Häuser und ein Bus-Depot beschädigt. Die zweitgrößte Stadt der Ukraine war seit dem Beginn der russischen Invasion immer wieder Ziel von Bombenangriffen.

Russische Streitkräfte beschossen auch die nahe gelegene Stadt Dergatschi. Dabei seien mindestens drei Zivilisten getötet und sieben weitere Menschen verletzt worden, teilte Bürgermeister Wytschaeslaw Sadorenko auf Facebook mit.

In der östlichen Region Donezk wurden bei russischen Angriffen sechs Menschen getötet und ein weiterer verletzt, schrieb der Leiter der regionalen Militärverwaltung Pawel Kirilenko auf Telegram.

In der Hafenstadt Mykolajiw am Schwarzen Meer kam mindestens ein Mensch ums Leben, 14 weitere wurden verletzt, als russische Granaten einschlugen. Das sagte Gouverneur Vitali Kim. Die Behörden meldeten zudem weitere russische Angriffe auf die Stadt am Morgen. Über mögliche Opfer wurde nichts bekannt.

Rückzug aus Region Sumy

Russische Truppen sollen außerdem begonnen haben, sich aus der ostukrainischen Region Sumy zurückzuziehen. Es sei aber noch zu früh, um von einer Befreiung der Region zu sprechen, sagte der Chef der Gebietsverwaltung von Sumy, Dmytro Schywyzkyj, der Agentur Unian zufolge in der Nacht in einer Videobotschaft.

In der vergangenen Woche war demnach eine größere Zahl russischer Truppen in der Region festgestellt worden, es habe viele Angriffe auch auf Zivilisten gegeben. Russische Militärfahrzeuge seien über einen Korridor von Kiew und Tschernihiw zurück Richtung Russland gebracht worden. Nun habe man dort viele zerstörte russische Panzer und andere militärische Ausrüstung gesehen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Ukraine: 2600 Menschen aus Kriegsgebieten herausgebracht

Mehr als 2600 Menschen sind nach ukrainischen Angaben am Sonntag aus besonders umkämpften Städten in Sicherheit gebracht worden. Von den 2694 Menschen seien fast 1500 aus der Region Luhansk gerettet worden, sagte die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk nach Angaben der Zeitung "Ukrajinska Prawda". Sie warf der russischen Seite vor, gegen die vereinbarte Feuerpause verstoßen zu haben.

Aus Mariupol sowie aus Berdjansk seien knapp 500 Menschen mit eigenen Fahrzeugen nach Saporischschja geflohen. Wereschtschuks Angaben nach konnten auch sieben vom Roten Kreuz begleitete Busse aus Mariupol nach Mangusch fahren. Am Freitag hatte das Rote Kreuz einen Evakuierungsversuch abbrechen müssen.

Russland hatte der Ukraine zuvor einmal mehr fehlende Kooperation bei der Evakuierung von Zivilisten aus Mariupol vorgeworfen. Moskau und Kiew werfen sich seit Wochen gegenseitig vor, die Flucht von Einwohnern aus Mariupol zu sabotieren.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben sich rund 2,48 Millionen Menschen in Polen in Sicherheit gebracht. Das teilte der polnische Grenzschutz auf Twitter mit. Allein am Sonntag waren es demnach rund 22.300 Menschen.