Plenarsitzung des Bundesrats (Archiv)

Bundesrat Pflegereform und Rentenerhöhung gelten ab Juli

Stand: 16.06.2023 14:36 Uhr

Ab Juli müssen höhere Beiträge zur Pflegeversicherung gezahlt werden. Der Bundesrat machte den Weg für eine entsprechende Reform frei. Rentner können sich zudem über ein Plus bei ihren Altersbezügen freuen.

Die Pflegereform kann in Kraft treten. Der Bundesrat billigte in Berlin ein entsprechendes Gesetz. Demnach wird der Pflegebeitrag erhöht. Ab Juli zahlen die Versicherten 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens für die Pflege, bisher sind es 3,05 Prozent. Die Aufschläge für Kinderlose werden gleichzeitig von 0,35 auf 0,6 Prozentpunkte erhöht auf vier Prozent des Bruttoeinkommens.

Die Erhöhung ist laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erforderlich, weil die Pflegeversicherung weiter ins Defizit rutscht, aber keine Leistungen gestrichen werden sollen. Demnach soll die Beitragsanhebung Mehreinnahmen von rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr bringen. Für den Fall, dass dies nicht ausreicht, enthält das Gesetz auch eine Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung zur weiteren Anpassung des Beitragssatzes.

Entlastung für Eltern, Erhöhung bei Pflegegeld

Mit dem Gesetz der Bundesregierung wird auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, wonach Eltern mit mehreren Kindern entlastet werden müssen. Ihre Beiträge sinken mit steigender Kinderzahl - ab dem zweiten bis zum fünften Kind unter 25 Jahren sollen pro Kind 0,25 Beitragssatzpunkte weniger gezahlt werden.

Um die häusliche Pflege zu stärken, steigt das Pflegegeld zum Jahreswechsel um fünf Prozent. Dieses Geld bekommen Pflegebedürftige, die zu Hause ehrenamtlich versorgt werden - in der Regel von Angehörigen. Gleichzeitig werden auch die ambulanten Sachleistungsbeträge um fünf Prozent angehoben.

Ausgeweitet werden soll ab 2024 auch die Unterstützung für Menschen, die wegen der Pflegebedürftigkeit eines Verwandten vorübergehend nicht arbeiten können. Das Pflegeunterstützungsgeld können Angehörige künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je Pflegefall in Anspruch nehmen.

Die Entlastungsleistungen sollen zudem vereinfacht werden - allerdings erst ab Mitte 2025, indem sie in einem Budget in Höhe von 3539 Euro im Jahr zusammengefasst werden. Damit können Angehörige die Pflege organisieren, wenn sie selbst krank sind oder Urlaub machen. Für Eltern von Kindern mit Pflegegrad vier oder fünf steht dieses Budget ab dem kommenden Jahr zur Verfügung.

Wer in einem Heim lebt, soll ab Januar 2024 einen höheren Zuschuss zum Eigenanteil bekommen. Im ersten Jahr des Aufenthalts schießt die Pflegeversicherung dann 15 Prozent zu, heute sind es fünf Prozent. Im Durchschnitt müssen Pflegebedürftige für einen Heimplatz inzwischen gut 2400 Euro im Monat selbst zahlen, die Pflegeversicherung kommt nur für die reinen Pflegekosten auf.

VdK kündigt Klage gegen Pflegereform an

Nach dem Beschluss zur Pflegereform kündigte der Sozialverband VdK eine Klage gegen des Vorhaben an. Ihr Verband ziehe gegen die zeitliche Begrenzung der gestaffelten Beitragssätze für Eltern ab dem zweiten Kind vor Gericht, erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. "Die Ungleichbehandlung von Eltern mit mehreren Kindern gegenüber Eltern mit nur einem Kind ist nicht hinzunehmen." 

Die Entlastung ab dem zweiten Kind müsse für die Eltern lebenslang gelten und nicht nur während der Erziehungszeit. Insgesamt bleibe die Pflegereform "eine große Enttäuschung", kritisierte Bentele weiter. Die Pflegebedürftigen und ihre pflegenden Angehörigen bräuchten "viel mehr Unterstützung".

Ebenfalls unzufrieden äußerte sich das Deutsche Studierendenwerk. Dessen Vorstandsvorsitzender Matthias Anbuhl kritisierte, dass auch Studentinnen und Studenten durch die höheren Pflegebeiträge für Kinderlose belastet würden, obwohl diese in der Regel nur über wenig Geld verfügten. Zudem werde die Beitragsanhebung beim BAföG nicht berücksichtigt.

Rentenerhöhung kommt zum 1. Juli

Der Bundesrat stimmte zudem der geplanten Rentenerhöhung zum 1. Juli zu. Für die rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland gibt es damit das zweite Jahr in Folge eine deutliche Erhöhung. Die Altersbezüge steigen im Westen um 4,39 Prozent und im Osten um 5,86 Prozent.

Wegen der höheren Lohnsteigerung im Osten wird die Rentenangleichung Ost ein Jahr früher erreicht als gesetzlich vorgesehen. Damit gilt künftig ein einheitlicher Rentenwert von 37,60 Euro in ganz Deutschland. Bisher gab es noch unterschiedliche Rentenwerte - sie wurden seit Juli 2018 schrittweise angeglichen.

Der aktuelle Rentenwert ist der Betrag, der der monatlichen Rente entspricht, wenn jemand ein Jahr lang durchschnittlich verdient und dafür Rentenbeiträge gezahlt hat. Die Bundesregierung legt ihn jeweils zum 1. Juli eines Jahres per Verordnung fest. Dadurch wird die Rente an die Veränderung der Löhne und Gehälter angepasst.

Bundesrat will gegen Umgehung von Mietpreisbremse vorgehen

Die Bundesländer verabschiedeten in ihrer Sitzung auch einen Gesetzentwurf, der Maßnahmen gegen eine Umgehung der geltenden Mietpreisbremse vorsieht. Der Entwurf nimmt dabei besonders Vermietungen von möbliertem Wohnraum sowie Kurzzeitvermietungen ins Visier. Die Vorlage wird nun zur weiteren Beratung in den Bundestag eingebracht.

Zur Begründung des von Hamburg und Bremen eingebrachten Gesetzentwurfs hieß es, bei möbliertem Wohnraum ließen sich derzeit die Regeln zur Begrenzung der Mieten aushebeln. Grund sei, dass der Möblierungszuschlag, der auf die Nettokaltmiete aufgeschlagen wird, gesetzlich nicht geregelt ist. Daher könnten so hohe Gesamtmieten verlangt werden. Der Bundesrat will daher auch die zulässige Höhe des Moblierungszuschlags begrenzen und eine Pflicht einführen, diesen transparent auszuweisen.

Ebenso gelten zahlreiche Mieterschutzvorschriften bisher nicht, wenn Wohnraum nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet wird. Der Gesetzentwurf sieht daher vor, dass sich Vermieterinnen und Vermieter nur noch in Ausnahmefällen auf diese Klausel berufen können sollen. Damit soll auch dem Trend entgegengewirkt werden, dass Wohnraum wegen höherer Mieten bevorzugt kurzfristig vermietet wird und damit das Angebot an langfristig zu vermietenden Wohnungen sinkt.

Kai Clement, ARD Berlin, tagesschau, 16.06.2023 15:33 Uhr