Drei Altbau-Villen stehen nebeneinander in einer Straße in Hamburg-Harvestehude.

Mietpreisbremse Abzocke mit möblierten Wohnungen?

Stand: 25.03.2022 08:57 Uhr

In Städten mit knappem Wohnraum gilt die Mietpreisbremse. Doch werden immer mehr möblierte Wohnungen befristet angeboten - zu sehr hohen Preisen. Eine Taktik von Vermietern, um die Regeln auszuhebeln?

Von Betül Sarikaya, Jonas Kühlberg und Rieke Sprotte, NDR

38 Quadratmeter für 1250 Euro in Hamburg - angeboten auf dem Immobilienportal "City Wohnen". 3000 Euro Pauschalmiete zahlt man im Berlin für eine Drei-Zimmer-Wohnung bei "Wunderflats". Auf solchen Online-Immobilienportalen finden sich nach Informationen des NDR-Rechercheformats "Dürfen Die Das" unzählige Angebote mit besonders hohen Mietpreisen. Ihnen allen ist gemein: Die Inserate zeigen möblierte Wohnungen für eine begrenzte Zeit.

Viel Geld für wenig Raum

Seit einigen Jahren gilt in vielen Großstädten mit angespanntem Wohnungsmarkt wie Hamburg, Berlin, Stuttgart oder München die Mietpreisbremse. Die Netto-Kaltmiete darf nicht beliebig festgelegt werden. Sie darf maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Diese Mietpreisbremse gilt auch für möblierten Wohnraum.

Es gibt allerdings Ausnahmen bei der Mietpreisbremse. Darunter fallen Neubauten ab 2014. Auch die Kurzzeitvermietung oder auch "Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch" ist davon ausgenommen. In den vergangenen Jahren hat der möblierte Wohnraum einen regelrechten Boom auf dem deutschen Wohnungsmarkt erlebt.

Laut einer Langzeitstudie des Immobilien-Forschungsinstituts F + B hat sich der Anteil von möbliertem Wohnraum in den vergangenen Jahren mit 8,3 Prozent (2014) auf 18,3 Prozent (2021) mehr als verdoppelt. In den acht größten Städten sei der Anteil sogar noch höher: In Stuttgart etwa beziehen sich inzwischen 56 Prozent der Angebote auf Immobilienportalen auf möblierte Apartments, heißt es in der Studie.

Mietpreisbremse gilt auch bei Möblierung

Wenn der Vermieter "möbliert" vermietet, darf er zum Mietpreis zusätzlich einen Möblierungszuschlag verlangen. Häufig werden möblierte Wohnungen zu Pauschalpreisen angeboten. Die Netto-Kaltmiete, die Betriebskosten und der Möblierungszuschlag sind inbegriffen, aber nicht einzeln aufgeschlüsselt. Für den potentiellen Mieter bedeutet das: Er kann in der Regel nicht nachvollziehen, ob die Netto-Kaltmiete der Mietpreisbremse entspricht und wie teuer die Möblierung ist.

"Für möblierte Wohnungen gilt die Mietpreisbremse ganz normal, allenfalls können Vermieter für die Möbel einen Möblierungszuschlag nehmen", sagt Rebekka Auf’m Kampe vom Hamburger Mieterverein "Mieter helfen Mietern". Ihr Verein hat in der Vergangenheit erfolgreich Absenkungen von zu hohen Mietpreisen bei möbliertem Wohnraum erwirkt - bis zu mehreren hundert Euro monatlich.

Vermieter muss Aufschlag nicht ausweisen

Zwar gibt es Modelle wie das Hamburger und Berliner Modell, nach denen die Möblierung berechnet werden kann. Doch wie hoch der Möblierungsaufschlag ist, muss der Vermieter vor Vertragsschluss nicht ausweisen. Der Vorwurf, den Mietervereine erheben, lautet: Hier wird die Mietpreisbremse konsequent ausgehebelt. "Durch diese Intransparenz, durch diese Inklusivmieten, profitieren Vermietende natürlich erheblich, weil der verlangte Preis gar nicht mehr vergleichbar ist", so Rebekka Auf’m Kampe.

Ein Auskunftsrecht, wie sich die Miete zusammensetzt, besteht vor Vertragsabschluss nicht. Nach Abschluss eines Mietvertrages haben Mieter nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zwar durchaus Auskunftsrechte - und zwar nur dann, wenn der Verdacht eines Verstoßes gegen die Mietbreisbremse besteht. Allerdings sei das nur ein schwacher Trost, so Auf’m Kampe. "Denn in der Regel wollen Mieter wissen, ob eine Rüge der Mietpreisbremse erfolgversprechend wäre, bevor sie in eine Auseinandersetzung mit den Vermietern eintreten." Mietervereine wie "Mieter helfen Mietern" in Hamburg empfehlen daher, sich beraten zu lassen, bevor man auf Verdacht irgendwelche Auskünfte einholt. Andernfalls werde das Mietverhältnis womöglich nachhaltig belastet.

Gleichzeitig würden durch die möblierte Kurzzeitvermietung immer mehr Wohnungen in Ballungsräumen dem ohnehin schon angespannten Mietmarkt entzogen. Sie dienten allenfalls als günstigere Alternative zu Hotels.

Mietenpolitik ist Bundespolitik

Hamburgs Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, die SPD-Politikerin Dorothee Stapelfeldt, macht sich dafür stark, Mieter vor überhöhten Angebotsmieten bei möbliertem Wohnraum und Kurzzeitvermietungen zu schützen. Sie schlägt vor, dass Vermieter den jeweiligen Möblierungszuschlag immer ausweisen müssen und Kurzzeitvermietungen nur noch bis zu sechs Monate von der Mietpreisbremse ausgenommen werden. Damit will sie die Schlupflöcher der Mietpreisbremse schließen.

Doch Kommunen wie Hamburg oder Berlin können allein wenig regeln, denn Mietenpolitik ist Bundespolitik. Da der Bund die Wohnungspolitik bereits maßgeblich regelt, haben die Länder allein keine Regelungskompetenz mehr, wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bei der Entscheidung zum Berliner Mietendeckel im vergangenen Jahr noch einmal bekräftigte.

Gesetz in weiter Ferne

Im August brachte der Hamburger Senat deshalb eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat ein. Bundesländer wie Bremen oder Baden-Württemberg schlossen sich der Initiative an. Doch Hamburg nahm den Gesetzesentwurf kurze Zeit später, im November, wieder von der Tagesordnung, sodass die Initiative im Bundesrat gar nicht verhandelt werden konnte. Die Hamburger Bausenatorin ging mit ihrem Vorschlag in die Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl. Doch im Ampel-Koalitionsvertrag findet sich Stapelfeldts Vorschlag nicht wieder.

Das Bundesbauministerium teilt auf Anfrage mit, dass "eine stärkere, auf den Markt des möblierten Wohnens beschränkte Regulierung von Mieten im Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode nicht vorgesehen" sei. Stattdessen sei ein Forschungsvorhaben zum Thema beim FDP-geführten Bundesjustizministerium in Arbeit, "um für den Markt des möblierten Wohnens eine Datengrundlage zu haben, aufgrund derer beurteilt werden kann, ob hier Regelungsbedarf besteht".

Die Bundesregierung will also erstmal weiter prüfen, ob es hier überhaupt ein Problem gibt. Ein zeitnahes Gesetz, das die Gesetzeslücken bei der Mietpreisbremse bei möblierten Wohnungen und Kurzzeitvermietungen schließen könnte, scheint erstmal in weiter Ferne. Für potenzielle Mieter bedeutet das weiterhin, dass sie sich auf einem intransparenten, oft überteuerten Wohnungsmarkt bewegen, bei dem für sie nicht deutlich wird, ob ein Mietpreis angemessen ist oder nicht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 17. August 2021 um 19:30 Uhr.