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Pläne der Bundesregierung Wie die Ampel die Rente regeln will

Stand: 08.06.2023 16:49 Uhr

Die Erhöhung des Renteneintrittsalters sorgte in Frankreich für Proteste. Als in Deutschland die CDU jüngst an der "Rente mit 63" rüttelte, hagelte es Kritik. Das Thema polarisiert - wie will die Ampel die Rente regeln?

Von Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin

In Frankreich sorgt die Rentenreform der Regierung seit Wochen für Kritik und Proteste. Im Mittelpunkt steht die Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre. Zum Vergleich: In Deutschland wurde bereits 2007 in der Zeit der Großen Koalition die "Rente mit 67" beschlossen - mit einer schrittweisen Verschiebung des Renteneintritts, die ab 2031 vollständig greift. Dann für alle Jahrgänge ab 1964.

Beitragssatz stabil - erstmal

Diese Reform hat zusammen mit kleineren Veränderungen an der Rentenformel die Situation der Gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland stabilisiert. Ein zweiter Faktor dafür, dass es mit der Rentenversicherung derzeit gut läuft, ist der Arbeitsmarkt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt so hoch wie noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Das betont auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Nach Einschätzung des SPD-Politikers kann der Beitragssatz für die Gesetzliche Rentenversicherung bis zum Jahr 2026 stabil bei 18,6 Prozent bleiben. Bis zum Jahr 2030 könnte der Beitragssatz dann auf 20,2 Prozent steigen. So steht es im Rentenbericht der Bundesregierung.

Doch es gibt noch einen weiteren Faktor für die Stabilität der Rentenbeiträge - einen Faktor, der nicht so positiv ist wie die Entwicklung am Arbeitsmarkt: die steigenden Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. In diesem Jahr muss der Bund rund 112 Milliarden Euro zuschießen. Auch deshalb, weil die Politik in den vergangenen Jahren zusätzliche Leistungen wie die "Rente mit 63" beschlossen hat.

Ständig steigender Zuschuss aus dem Bundeshaushalt

Das Problem: Der ständig steigende Rentenzuschuss begrenzt die Handlungsmöglichkeiten der Politik in der Zukunft. Vor diesem Hintergrund fordert Florian Neumeier, Finanzexperte am Münchner Ifo-Institut, den Bundeszuschuss zumindest zu stabilisieren "oder im besten Fall zurückzufahren". Ansonsten würden einfach zu viele Steuereinnahmen gebunden, die für andere Aufgaben nicht zur Verfügung stehen.

Neumeier ist nicht der einzige Ökonom, der in den ständig steigenden Bundeszuschüssen ein Problem sieht. Auch die Bundesbank hat mehrfach vor einer finanziellen Schieflage gewarnt, sollte der Bund nicht gegensteuern. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium sprach 2021 sogar von "schockartig steigenden Finanzierungsproblemen in der Gesetzlichen Rentenversicherung ab 2025". Das Beratergremium forderte daher eine weitere schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters, gekoppelt an die Entwicklung der Lebenserwartung - was bei Politikern und Gewerkschaften umgehend für Empörung sorgte.

Zuletzt gab aber auch Bundesarbeitsminister Heil zu: "Der veränderte Altersaufbau stellt uns vor Herausforderungen." Zum einen gehen in den kommenden Jahren die so genannten Babyboomer in Rente, also die besonders geburtenstarken Jahrgänge bis 1964. Zum anderen ist die Lebenserwartung über die Jahre gestiegen. Unterm Strich bedeutet das: Weniger Beitragszahler müssen für mehr Rentner zahlen.

Die Aktienrente soll die Rentenversicherung stabilisieren

Die Bundesregierung will auf das Problem reagieren, indem die Finanzierungsbasis der Gesetzlichen Rentenversicherung auf eine breitere Basis gestellt wird. Von der FDP wurde der Gedanke einer Aktienrente in den Koalitionsvertrag der Ampel eingebracht - ein Modell, das inzwischen den Namen "Generationenkapital" bekommen hat. Die Idee sei, so erläutert es FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner, eine Stiftung gesetzlich zu verankern, "die unabhängig von der Politik agieren kann und im Auftrag von uns allen Kapital anlegt."

Nach Vorstellung von Lindner sollen jährlich zweistellige Milliardenbeträge über den Bundeshaushalt finanziert werden. Im Gespräch ist eine Größenordnung von zunächst zehn Milliarden Euro, für die allerdings Schulden aufgenommen werden müssen. Lindners Rechnung: Der Bund kann Kredite zu sehr günstigen Zinsen aufnehmen und die Gelder dann zu besseren Konditionen anlegen, auch am Aktienmarkt. Vorbilder dafür gibt es in Skandinavien.

Langfristig vorsorgen statt kurzfristig denken

Zehn Milliarden Euro sind an sich nicht viel. Würde man sie gleich in die Rentenversicherung stecken, würden sie gerade einmal für gut zehn Tage reichen. Der Kapitalstock an sich soll aber gar nicht angetastet werden. Vielmehr sollen mindestens 15 Jahre Gelder in den Fonds des Generationskapitals eingezahlt werden. Gegen Ende der 2030er-Jahre könnten dann Erträge aus dem Fonds mit in die dann fälligen Renten fließen - und damit dazu beitragen, die Rentenbeiträge beziehungsweise den Bundeszuschuss zu stabilisieren. "Das klingt weit weg", räumt Lindners Kabinettskollege Heil ein. Aber es sei wichtig, in der Rentenpolitik nicht kurzfristig zu denken, sondern langfristige Zukunftsvorsorge zu treffen.

Noch ist das Konzept in Arbeit, zusammen mit einem Rentenpaket, mit dem die Regierung erreichen will, dass das Rentenniveau langfristig nicht unter die Marke von 48 Prozent fällt: "Die Menschen müssen nach vielen Jahren Arbeit auf ein angemessenes Einkommen im Alter vertrauen können", heißt es dazu aus dem Bundesarbeitsministerium. Die Gespräche für das neue "Rentenpaket II" würden noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Das entsprechende Gesetz solle aber noch in diesem Jahr beschlossen werden.

Wie können Ältere länger im Job gehalten werden?

Klar ist: Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters wird nicht Teil des Gesetzes sein, auch nicht der Verzicht auf die "Rente mit 63", wie ihn zuletzt CDU-Fraktionsvize Jens Spahn gefordert hat. Hintergrund für diese Diskussion ist weniger die Belastung der Rentenversicherung als die Frage, ob durch die abschlagfreie Rente für langjährige Versicherte zu viele Menschen in einer Zeit des Arbeitskräftemangels dem Arbeitsmarkt verloren gehen.

Eine Debatte, die vor wenigen Monaten indirekt durch Bundeskanzler Olaf Scholz befeuert wurde. Der SPD-Politiker hatte gesagt, angesichts fehlender Arbeitskräfte müsse der Anteil derer steigern, "die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können". Als eine Absage an die "Rente mit 63" sollte das nicht verstanden werden, betonten umgehend andere Sozialdemokraten wie Parteichefin Saskia Esken. Vielmehr gehe es darum, Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass auch Ältere die Möglichkeit haben, länger erwerbstätig zu sein.

Darüber hinaus haben sich die Ampelpartner in ihrem Koalitionsvertrag für eine gewisse Flexibilisierung des Renteneintrittsalters ausgesprochen: Man wolle prüfen, wie Wünsche nach einem längeren Verbleib im Arbeitsleben einfacher verwirklicht werden können. Genaueres dazu steht aber noch nicht fest.

Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin, tagesschau, 07.06.2023 14:43 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 08. Juni 2023 um 07:30 Uhr.