Grablichter und Blumen liegen und stehen vor dem Gebäude der Zeugen Jehovas im Hamburger Stadtteil Alsterdorf.

Debatte über Waffenrecht Faeser will Gesetzentwurf überarbeiten

Stand: 11.03.2023 09:52 Uhr

Nach dem Amoklauf in Hamburg mehren sich die Forderungen nach einer Verschärfung des Waffenrechts. In den tagesthemen kündigte Bundesinnenministerin Faeser die Überprüfung ihres eigenen Gesetzentwurfes an.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser will das Waffenrecht weiter einschränken. Die Tat in Hamburg zeige, "wie notwendig Änderungen" seien, sagte die SPD-Politikerin in den tagesthemen. Der von ihr dazu vorgelegte Gesetzentwurf solle nun nochmals auf mögliche "Lücken" überprüft und möglicherweise erweitert werden.

Im Waffengesetz solle beim Antrag auf eine Waffenbesitzkarte künftig überprüft werden, "ob jemand psychologisch geeignet ist". Dazu brauche man mit den Gesundheitsbehörden eine Überprüfung, so Faeser. "Wir wollen vor allen Dingen eine bessere Vernetzung zwischen den Behörden." Das sei zum Beispiel bei einem Wohnortwechsel wichtig.

Alle Sportschützen in Deutschland ohne Hinweise regelmäßig zu untersuchen, wäre aus Faesers Sicht aber sehr schwierig. Maßnahmen müssten "auch verhältnismäßig" sein.

"Ich bin tief betroffen", Nancy Faeser, Bundesinnenministerin, zu der Amoktat in Hamburg

tagesthemen, tagesthemen, 10.03.2023 21:55 Uhr

Faeser will Gesetzentwurf prüfen

In Faesers bisherigem Gesetzentwurf ist ein Verbot von kriegswaffenähnlichen, halbautomatischen Langwaffen für Privatleute vorgesehen - darunter fallen etwa Gewehre wie die AR-15 und dessen Nachbauten, die Sturmgewehren nachempfunden sind. In den USA werden solche Waffen immer wieder bei Anschlägen und Amokläufen mit vielen Opfern eingesetzt, in Deutschland gibt es allerdings vergleichsweise wenige dieser Waffen.

Ihr Gesetzentwurf sei unter dem Eindruck der Anschläge von Halle und Hanau entstanden, so Faeser. "Es ist ja erst ein Entwurf, insofern werden wir das jetzt prüfen." Am Freitag hatte sie den Tatort in Hamburg besucht, den Opfern ihr Mitgefühl ausgesprochen und den Einsatzkräften gedankt. Bereits bei den Anschlägen in Halle und Hanau habe man gesehen, dass es beim Waffenrecht Handlungsbedarf gebe, sagte sie dabei.

Der Täter von Hanau besaß legal mehrere Pistolen, der Attentäter in Halle hatte sich seine Schusswaffen selbst gebaut - teils mit Kunststoffteilen aus einem 3D-Drucker.

Diskussion um Vorschlag Faesers zu Waffenrechts-Verschärfung wird in kommenden Tagen an Fahrt aufnehmen

Justus Kliss, ARD Berlin, tagesschau24 11:00 Uhr

"Wir werden das diskutieren"

Die in Hamburg verwendete Tatwaffe würde ebenfalls nicht unter das Verbot halbautomatischer Langwaffen fallen. In Hamburg schoss der Täter mit einer halbautomatischen Pistole, die er als Sportschütze legal besaß. Ob auch solche Waffen verboten werden sollten, werde man nun prüfen, sagte Faeser. "Wir werden das sicher diskutieren."

Halbautomatische Pistolen sind weit verbreitet - sie werden von Sicherheitsbehörden, Sportschützen und Jägern genutzt. Sie werden in verschiedenen Kalibern und von unterschiedlichen Herstellern gefertigt. Das "halbautomatisch" bezieht sich dabei auf den Ladevorgang: Beim Drücken des Abzug wird ein Projektil abgefeuert und die Waffe danach automatisch geladen. Die Schützin oder der Schütze muss die Waffe also nicht erneut selbst spannen wir vor dem ersten Schuss.

Bundesinnenministerin Faeser fordert erneut Verschärfung des Waffenrechts

Justus Kliss, ARD Berlin, tagesthemen, tagesthemen, 10.03.2023 21:55 Uhr

Kaum Waffenkontrollen wegen Personalmangels

Faeser verwies zudem auf Schwierigkeiten bei Waffenkontrollen. "Wir haben eine Zeit in Deutschland gehabt, wo wir sehr viel Verwaltung abgebaut haben, es war en vogue zu sparen. Und jetzt wundert man sich, dass man die Kontrollen nicht mehr durchführen kann."

Im Waffenbereich brauche es aber viel Kontrolle, wenn man diejenigen finden wolle, die psychologisch beeinträchtigt seien oder Waffen falsch oder zu viele lagerten.

Überprüfung von Gutachtensprozess gefordert

Auch die Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, stellte die jetzigen Regelungen teilweise in Frage. Es sei beispielsweise "mehr als fragwürdig, warum nur Unter-25-Jährige ein amtsärztliches oder psychologisches Gutachten vorlegen müssen bei der Beantragung einer waffenrechtlichen Erlaubnis", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. 

Da Schusswaffen in den falschen Händen Menschenleben gefährden, sollten solche Gutachten alle Antragsteller - egal welchen Alters - vorlegen müssen, forderte Mihalic. Auch sollten entsprechende Eignungsüberprüfungen eigentlich in regelmäßigen Abständen wiederholt werden müssen.

"Da der mutmaßliche Amokläufer von Hamburg anscheinend eine waffenrechtliche Erlaubnis innehatte, muss nun genau geklärt werden, wie er dazu kam", forderte die Grünen-Politikerin. "Hundertprozentig können wir solche Amokläufe nicht verhindern, aber wir tun aktuell bei weitem noch nicht alles, was möglich ist, damit Menschen wie der Amokläufer von Hamburg nicht an Schusswaffen gelangen." 

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Hartmann, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Der Täter von Hamburg hatte offenbar als Sportschütze legal Zugang zu Waffen." Nun müsse geklärt werden, warum die Kontrollen des Täters keine Anzeichen für eine Gefahr geliefert und nicht zu einem Entzug der Waffenbesitzerlaubnis geführt hätten.

Hinweis auf Hamburger Täter

Beim Täter in Hamburg hatte es Hinweise gegeben: Im Januar hatte die Hamburger Polizei ein anonymes Schreiben erhalten, in dem eine Überprüfung der Waffenfähigkeit des Täters gefordert wurde. Dieser leide an einer psychischen Erkrankung, so der anonyme Schreiber, und pflege eine besondere Wut auf alles Religiöse - insbesondere auf die Zeugen Jehovas.

Eine unangekündigte Kontrolle der Polizei bei ihm habe aber keine Hinweise geliefert, die das anonyme Schreiben bestätigt hätten, erklärte der Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Demnach habe der Mann die Vorschriften zur Aufbewahrung der Waffe eingehalten, und sich kooperativ verhalten. Eine Verwarnung habe es gegeben, weil er ein einzelnes Projektil außerhalb des Tresors aufbewahrt habe. "Die rechtlichen Möglichkeiten der Beamten waren damit ausgeschöpft", sagte Meyer.

Möglicherweise Konflikt mit Zeugen Jehovas

Der 35-jährige mutmaßliche Täter wuchs im Allgäu auf und lebte seit 2014 in Hamburg. Er war ein ehemaliges Mitglied der Zeugen Jehovas. Er habe die Gemeinschaft vor anderthalb Jahren "freiwillig, aber nicht im Guten" verlassen, sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote. Konflikte innerhalb der Glaubensgemeinschaft schließen die Ermittler derzeit nicht aus.

Im Internet verbreitete der mutmaßliche Schütze Thesen über das Reich Christi, Gott und Satan. Vor einigen Monaten veröffentlichte er ein Buch in englischer Sprache, das offenbar krude Thesen enthält.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 10. März 2023 um 21:55 Uhr.