Bundesverkehrsminister Wissing hält sein 9-Euro-Ticket auf dem Handy in die Kamera

Bahnverkehr Wie das Deutschlandticket Wissing glücklich macht

Stand: 24.06.2023 15:49 Uhr

Nach knapp zwei Monaten zeigt sich: Die Einführung des Deutschlandtickets hat weitgehend problemlos geklappt. Verkehrsminister Wissing freut sich besonders über Nachfragen aus anderen europäischen Ländern.

Von Torben Ostermann, ARD Berlin

Für einen deutschen Verkehrsminister gibt es dieser Tage wahrscheinlich wenige Themen, die für gute Laune sorgen. Die Bahn übertrifft sich in der Disziplin Ausfälle und Verspätungen, Autofahrerinnen und Autofahrer fluchen über Staus und Baustellen. Doch es gibt da ein Thema, bei dem Volker Wissing anfängt zu strahlen: beim Erfolg des Deutschlandtickets. Seiner Idee.

Wie der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) diese Woche mitteilte, sind seit Start Anfang Mai rund elf Millionen Deutschlandtickets verkauft worden. Ein Erfolg. Auch weil, entgegen vieler Unkenrufe, die Einführung eines rein digitalen Angebots weitgehend problemlos verlief. Der Start sei gut gelungen, sagte Wissing gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio.

Etwa eine Million Neukunden

Neben den Verkaufszahlen hat sich der VDV auch angeguckt, wer sich das Ticket besorgt hat und warum. Bei etwa der Hälfte der Menschen handelte es sich laut Umfrage um Neuabonnenten. Und immerhin: Etwa eine Million Käuferinnen und Käufer seien Neukunden, also Menschen, die den Nah- und Regionalverkehr bisher weitgehend ignoriert hätten.

Für die meisten Deutschlandticket-Besitzer ist die bundesweite Gültigkeit der Fahrkarte das überzeugendste Argument gewesen, neben dem Preis von derzeit 49 Euro. Für jeden fünften Nutzenden ist der Umweltschutz der Hauptkaufgrund. Diese Gruppe kann sich sogar vorstellen, künftig bewusst auf Autofahrten zu verzichten.

Wissing dürfte sich über die Ergebnisse der VDV-Marktforschung freuen, war er es schließlich, der sich bereits als Verkehrsminister in Rheinland-Pfalz ein bundesweit gültiges Einheitsticket überlegt haben will. Die Pläne hätten bereits vor Amtsantritt im Bundesverkehrsministerium in seiner Schublade gelegen, sagt Wissing.

Deutschland als Inspiration?

Noch mehr als die Verkaufszahlen freut ihn dieser Tage allerdings, dass das Deutschlandticket weltweit Beachtung findet. So berichtet Wissing, er werde auf internationalen Konferenzen regelmäßig auf das Ticket angesprochen. Einige Länder hätten Interesse an Nutzungsdaten gehabt, erzählt er. Selbstverständlich stelle sein Haus die gemachten Erfahrungen zur Verfügung. Vor allem der "Feldversuch" mit dem 9-Euro-Ticket habe allerlei Erkenntnisse geliefert. 

In Europa tut sich was. In Slowenien wurde kürzlich ein landesweit geltendes Ticket eingeführt, und auch in Frankreich wird darüber zumindest nachgedacht. Deutschland als Inspiration ausgerechnet im Verkehrsbereich? Der eine oder die andere dürfte sich wundern, galt Deutschland auf diesem Feld bisher doch stets als wenig innovativ.

Dass sich das zumindest in diesem Punkt ändert, auch das freut Verkehrsminister Wissing. Er ist in Rheinland-Pfalz aufgewachsen, in unmittelbarer Nähe zu Frankreich. Im Bundesverkehrsministerium denken einige schon über das Deutschlandticket hinaus, skizzieren die Idee eines Europatickets. Mit dem Deutschlandticket auf dem Handy nach Paris fliegen und dort einfach in die Metro einsteigen? Es dürfte noch einiges an Wasser die Seine runterfließen, bis diese Idee Wirklichkeit wird.

Weitere Finanzierung noch ungeklärt

Zumal in Deutschland die Liste an Aufgaben für Wissing nicht kleiner wird. Denn auch wenn der VDV sich zufrieden über das neue Angebot äußert - es bleiben viele Fragezeichen bei den Verantwortlichen der deutschen Verkehrsunternehmen. Da ist zum Beispiel die Finanzierung. Das Deutschlandticket ist vorerst nur bis Ende des Jahres finanziert. Wie es dann weitergeht? Für VDV-Präsident Ingo Wortmann ist die Sache klar: Die Politik müsse verlässliche und langfristige finanzielle Zusagen machen.

Um das deutsche Schienennetz im Nah- und Regionalverkehr aufrecht zu erhalten und auszubauen, werden bis 2030 etwa 48 Milliarden Euro benötigt. Eine Menge Geld. Verkehrsminister Wissing gibt sich zuversichtlich, dass auch dafür eine Lösung gefunden wird. Beim Thema Deutschlandticket will er sich seine gute Laune offensichtlich nicht verderben lassen.

Torben Ostermann, ARD Berlin, tagesschau, 23.06.2023 16:34 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 02. Juni 2023 um 05:16 Uhr.