Das spirituelle Zentrum der Sekte Bhakti Marga in einem ehemaligen Hotelkomplex mit Seegrundstück in Kirchheim.

Sektenzentrum in Hessen Ein Treffpunkt für die Verschwörungsszene

Stand: 09.02.2023 13:17 Uhr

Der Deutschlandsitz einer spirituellen Sekte in Hessen wird zum Treffpunkt für Verschwörungsideologen. Sektenanhänger haben Kontakte zu prominenten Vertretern der "Reichsbürger"-Szene.

Von Sonja Süß, hr

Als Anfang Dezember eine bundesweite Razzia gegen die Reichsbürger-Szene stattfand, gab es auch eine Hausdurchsuchung bei Traugott Ickeroth. Noch am Tag der Razzia verbreitete er eine hastige Sprachnachricht auf YouTube: "Es sieht aus wie Sau, Computer beschlagnahmt, jede Menge Sticks und Festplatten."

Einige Wochen später, Ende Dezember, sitzt Ickeroth in einer YouTube-Gesprächsrunde, man will in einem knapp zweistündigen Video gemeinsam auf das Jahr 2022 zurückblicken. Zum Einstieg erzählt Ickeroth von den Aufräumarbeiten nach der Polizei-Razzia, er nennt es "Terrorüberfall mit schwarz gekleideten Söldnern". Mit im Video sitzt ein Mann in orangener Mönchskleidung und hört Ickeroths Ausführungen zu: Peter Maier, Anhänger des Gurus Vishwananda und Vorstand der Bhakti Ashram AG. Das Unternehmen gehört zur spirituellen Sekte mit Sitz im osthessischen Kirchheim.

Maier erzählt vom besinnlichen Weihnachtsfest im Zentrum der Sekte, bei dem auch ein weiterer Teilnehmer der YouTube-Runde dabei war, der Verschwörungsideologe und Vishwananda-Anhänger Peter Denk.

Peter Maier

Peter Maier ist Vorstand der Bhakti Ashram Aktiengesellschaft.

Ehemalige Hotelanlage als Sektenzentrum

Das Zentrum der Sekte in Hessen ist auch ein Treffpunkt für Verschwörungsanhänger, die sonst ihre Ideen auf YouTube und Telegram verbreiten. Hier haben sie die Gelegenheit, sich vor Ort persönlich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Die Sekte kaufte 2020 eine insolvente Hotelanlage in Kirchheim mit mehr als 100 Gästebetten. Die Räumlichkeiten werden auch für externe Veranstaltungen vermietet.

Im Herbst fand hier zum wiederholten Mal der Ufo-Kongress "Wege aus der Matrix" statt, es gibt einen "Taunusclub" mit verschiedenen Rednern und für Ende Februar ist der mehrtägige Kongress "Ätherium" angekündigt. Dabei soll es laut der Ankündigung um "mögliche Gefahren der nächsten acht Wochen" und "Dunkelkräfte" gehen.

Das Ticket für den dreitägigen Kongress kostet 189 Euro und kann über den Online-Shop von Bhakti Marga gebucht werden. Teilnehmer können im Zentrum der Sekte übernachten, ein Platz im Mehrbettzimmer kostet 42 Euro pro Nacht.

Das spirituelle Zentrum der Sekte Bhakti Marga in einem ehemaligen Hotelkomplex mit Seegrundstück in Kirchheim.

Das Zentrum der Sekte Bhakti Marga befindet sich in einem ehemaligen Hotelkomplex mit Seegrundstück im hessischen Kirchheim.

Verbindung zwischen Esoterik und Rechtsextremismus

Als prominenter Gast ist beim "Ätherium"-Kongress der in der Verschwörungsszene bekannte Jo Conrad eingeladen. In einem Video im Vorfeld des Kongresses ist er mit Bhakti Ahshram AG-Vorstand Maier zu sehen. Conrad zeigt sich über seine Plattform "Bewusst.TV" auch mit Rechtsextremen wie Peter Fitzek, dem "König" des "Reichsbürger"-Fantasielandes "Königreich Deutschland".

Für den Politikwissenschaftler Jan Rathje vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) ist Conrad eine wichtige Person im spirituellen Milieu, der seit Jahren aktiv eine Verbindung zwischen esoterischen, verschwörungsideologischen, aber auch rechtsextremen Inhalten verbreite. Für die Überschneidungen der esoterischen mit der Szene der Verschwörungsanhängern gibt es ein eigenes Wort: Conspirituality, aus den englischen Wörtern für Verschwörung und Spiritualität.

"Aufgewachte" gegen den Mainstream

Die beiden Szenen haben Gemeinsamkeiten, sagt Rathje, der zu Conspirituality forscht: "Sie gehen davon aus, dass nichts durch Zufall geschehen würde, dass nichts so sei wie es scheint und dass alles miteinander verbunden ist". Dabei stünden die Vertreter in ihrer Wahrnehmung auf der Seite des Guten im Kampf gegen das Böse. Die vermeintlich "Aufgewachten" gegen den Mainstream.

Im Fall von Bhakti Marga entsteht die Verbindung zur Verschwörungsszene durch Vorstand Peter Maier und Peter Denk. Maier tritt Ende Februar beim "Ätherium"-Kongress auf und ist an der Organisation beteiligt.

Der Ufo-Kongress wird von Peter Denk organisiert. Denk betreibt einen eigenen YouTube-Kanal und einen Telegramkanal mit mehr als 30.000 Followern, in denen er die in der Szene übliche Mischung von Versatzstücken verschiedener Mythen verbreitet. Es geht gegen die Corona-Impfung, um Ufos, Thesen der rechtsextremen QAnon-Bewegung, die unter anderem Donald Trump als Heilsbringer gegen das Böse feiern und um die "Lügenpresse" - das Ganze gemischt mit Esoterik.

Verschwörungsmythen über Corona-Impfungen

Im zweistündigen Video, in dem Ickeroth anfangs vom "Terrorüberfall" erzählt, spricht Denk viel über die Corona-Impfung. Angeblich sei die ein Versuch, "den Körper von der Seele abzutrennen", noch aus Gräbern von geimpften Toten könnten Bluetooth-Signale empfangen werden, das sei ein Hinweis auf einen Chip im Impfstoff. Auch zum Ukraine-Krieg äußert Denk seine Ideen in der Runde: Den habe der Westen gewollt und geplant.

Bhakti Ashram AG-Vorstand Maier ist offenbar auch ein Gegner der Corona-Maßnahmen. Anhänger der Sekte seien während der Pandemie nicht in Geschäfte gelassen worden, erzählt er im Video zum Jahresrückblick, dahinter stecke ein "Terrorsystem". Als ein anderer Teilnehmer im Video erzählt, Babys von geimpften Müttern sähen seltsam aus, stimmt Maier ihm zu, das sei ein Verbrechen, das aufgearbeitet werden müsse.

Sekte distanziert sich

Laut dem Berliner Anwalt von Bhakti Marga, Ben Irle, tritt Maier in Veranstaltungen und Videos als Privatperson und nicht als Vorstand der Bhakti Ashram AG auf. Auch sei Bhakti Marga nicht der Veranstalter der Kongresse, sondern vermiete lediglich die Räumlichkeiten, teilte Irle dem Hessischen Rundfunk mit. Dass Tickets für den "Ätherium"-Kongress auch über den Online-Shop von Bhakti Marga gekauft werden können, sei keine Werbung.

Die Sekte verdient allerdings an den Übernachtungsgästen der Veranstaltungen. Von Peter Denk distanziert sich die Sekte, Bhakti Marga stünde zu Denk "in gar keinem Verhältnis", heißt es in einer Stellungnahme von Anwalt Irle. Auch unterstütze sie keine Verschwörungsmythen über die Corona-Pandemie.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der HR in der mehrteiligen TV-Dokumentation "Just Love" u.a. am 27. Januar 2022 um 23:00 Uhr.