Karsten Schwanke vor Wetterkarte

Anfeindungen im Internet Wettermoderatoren als neue Zielscheibe

Stand: 14.09.2023 11:10 Uhr

Fernseh-Meteorologen kämpfen um die Wahrheit: Weil sie über die Zusammenhänge von Wetter und Klimakrise aufklären, sehen sie sich immer häufiger Angriffen von Wissenschaftsleugnern ausgesetzt.

Von Isabel Schneider, NDR

Im Sommer 2023 häuften sich die Meldungen über immer neue Wetterextreme: Waldbrände in Italien, Dauerniederschlag in den Alpen, Überschwemmungen in Griechenland. Dazu der, global gesehen, heißeste Juli seit Beginn der Aufzeichnungen. Immer öfter spielt die Klimakrise nun auch in den Wetternachrichten eine Rolle - sie zu ignorieren, ist so kaum mehr möglich.

"Klima und Wetter sind unterschiedliche Dinge, aber das Klimasystem, das sich verändert, wirkt auf das Wetter, und somit gibt es Veränderungen in den Wettersystemen. Und dieser Zusammenhang ist einfach wichtig herauszuarbeiten", sagt Özden Terli, der beim ZDF die Wettersendungen moderiert. Er sieht es als seine Aufgabe, dabei auch über den Klimawandel aufzuklären.

Das missfällt vor allem Wissenschaftsleugnern, die ihrem Unmut unter anderem in sozialen Netzwerken Luft machen. "Warum machen Sie sich zur Marionette der Klimahysteriker?", "Ein weiteres Mietmaul, dem man nicht mehr zuzuhören braucht", "Ein Systemschwätzer ist er, sonst nichts" - Anfeindungen wie diese erleben Terli und auch sein Kollege Karsten Schwanke, Wettermoderator in der ARD, nun beinahe täglich.

Angriffe gehen ins Persönliche

Während vor einigen Jahren noch kritische Fragen zu wissenschaftlichen Erkenntnissen im Mittelpunkt gestanden hätten, gebe es nun vermehrt Diffamierungen und Einschüchterungsversuche gegen ihn als Person, berichtet Schwanke.

Das sei eine typische Strategie von Wissenschaftsleugnern, sagt der Psychologe Philipp Schmid vom Institute for Planetary Health Behaviour an der Universität Erfurt. "Das sogenannte Argumentum ad hominem: Man versucht abzulenken vom eigentlichen Argument, wenn es sehr wenig bis keine Gegenargumente gibt, und versucht stattdessen, Charakteristika der Personen anzugreifen." Bereits in der Corona-Pandemie seien wissenschaftliche Positionen immer wieder auf diese Weise angegriffen worden.

Weltweites Phänomen

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern wie Spanien oder den USA ist zu beobachten, dass sich die Angriffe von Wissenschaftsleugnern nun auch gezielt gegen Meteorologen richten - vor allem gegen solche, die im Fernsehen auftreten. Die Angriffe reichen dabei von Beleidigungen und der Unterstellung von Lügen bis hin zu Drohungen und rassistischen Anfeindungen.

Im Fall von Schwanke und Terli sind zudem Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter den Kommentatoren. Doch auch Meteorologen bei deutschen Privatsendern sind zunehmend von Diffamierungen betroffen. "Die Thematik ist unserer Redaktion leider nur zu gut bekannt. Auch über unseren Kundendienst erhalten wir zum Teil derartige Nachrichten", bestätigt eine Sprecherin von Wetter.com, wo sämtliche Wettershows der ProSieben-Sat.1-Gruppe produziert werden.

Özden Terli

Özden Terli moderiert die Wettersendungen im ZDF. Er erlebt fast täglich Anfeindungen.

Rassistische Anfeindungen

Alban Burster, der die Wetterschalten bei ProSieben und Sat.1 moderiert, kennt die Vorwürfe aus seinem Alltag. "Es heißt immer öfter, wir würden bezahlte Propaganda verbreiten, die Klimakrise überdramatisieren, sollten runterkommen von unserer linksgrünen Ideologie." Vor allem in sozialen Netzwerken habe sich der Ton in den vergangenen Monaten noch einmal deutlich verschärft.

Genau wie Terli erreichen auch ihn rassistische Anfeindungen. "Das geht so weit, dass ich mit besonderem Fingerspitzengefühl formuliere, um keinen Shitstorm zu riskieren." Auch auf den Social-Media-Kanälen der RTL-Wettermoderatoren gebe es negative Reaktionen, allerdings nur vereinzelt, erklärt eine Sprecherin. Vorgeworfen wird den Moderatoren Hysterie, Übertreibung und ideologisch motivierte Panikmache.

Psychologe Schmid erklärt, woher die Abwehrhaltung gegenüber Klimafakten kommt: "Viele sehen diese gar nicht als wissenschaftliche Fakten, sondern als Vertretung einer politischen Ideologie, die grün gefärbt ist. Sie sehen sich in ihrer eigenen politischen Überzeugung angegriffen und reagieren dann auch emotional mit Hassbotschaften."

Politisches Framing als Teil des Problems

Die Wissenschaftsleugner bekämen dabei auch Unterstützung von politischer und medialer Seite, meinen die Meteorologen. Die Klimaerwärmung werde im öffentlichen Diskurs immer wieder verharmlost, die Bedrohung heruntergespielt.

Gerade rechtspopulistische Parteien hätten es sich zur Aufgabe gemacht, wissenschaftlich etablierte Positionen anzugreifen, bestätigt Schmid: "Die Idee dahinter ist, so eine Art von 'Anything goes'-Charakter zu kreieren. Das bedeutet, wenn man nichts mehr glauben kann, nicht mal mehr der wissenschaftlichen Datenlage, dann kann ich die Leute mit allem füttern." Ziel sei es, dafür zu sorgen, dass wissenschaftliche Fakten nicht weiterverbreitet werden.

"Kampf um die Wahrheit"

Auch Meteorologe Terli sieht in den Angriffen einen gezielten Versuch, Berichterstattung zum Thema Klima zu unterdrücken, "indem man denjenigen, der diese Sachen vorträgt, permanent diskreditiert". Er hat deshalb vor Kurzem die Konsequenz gezogen, die Kommentarfunktion seines Accounts bei X, vormals Twitter, einzuschränken. Er schließt nicht aus, sich zukünftig vollständig aus dem Netzwerk zurückzuziehen, sollten die Angriffe weiter zunehmen.

Auch Schwanke gibt an, sich manchmal als Teil eines Kampfes zu empfinden, eines "Kampfes um die Wahrheit". Beide wollen sich jedoch nicht einschüchtern lassen.

"Ich finde, dass Wissenschaftler, Meteorologen, Journalisten sich auch stärker wehren und sich nicht alles gefallen lassen sollten", sagt Terli. "Wenn Fakten nicht mehr ernst genommen und weichgekocht werden, dann haben wir ein gewaltiges Problem in unserer Gesellschaft, das weit über die Thematik der Wissenschaftsleugnung hinausgeht."

Den ganzen Panorama-Beitrag sehen Sie am Donnerstag, 14. September, um 21.45 Uhr im Ersten oder in der ARD-Mediathek.